Kapitel 1: Kleiner Spaziergang

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Jungkook's Sicht:

Ich stand am Fenster meines Zimmers und dachte, wie sooft in letzter Zeit, über mein Leben nach. Aus irgendeinem Grund schlich sich meine Vergangenheit wieder in meine Gedanken. Ich wusste nicht, woran es lag. Ich konnte ihr doch erfolgreich entkommen und ich konnte es dank meinen Freunden verarbeiten. Mit ihnen konnte ich vor sechs Jahren zum ersten Mal wirklich richtig lachen und glücklich sein. Wieso war das in letzter Zeit wieder so ein Problem? Ich hab es doch erfolgreich geschafft zu flüchten. Lag das etwa an den Alpträumen, die in letzter Zeit immer häufiger kamen?

Ich seufzte traurig auf, als ich Jimin und Taehyung wieder miteinander lachen hörte. Meine Freunde hatten keine Ahnung von meiner Vergangenheit. Woher auch? Ich hab nie jemanden etwas davon erzählt. Sie wissen nicht mal mehr, dass ich sowas erlebt hab. Ich schaffte es vor sechs Jahren überraschender Weise, alles Vergangenheit sein zulassen und ganz so zu sein, wie ich sein wollte.

Vielleicht sollte ich einen kleinen Spaziergang machen. Nur so bekam ich meine Gedanken wieder unter Kontrolle und niemand würde etwas mitbekommen. Es soll auch niemand wissen. Ich wollte niemanden in Gefahr bringen, obwohl sie meine besten Freunde waren. Es war so am besten. Es war das Beste für uns alle.

Ich drehte mich langsam vom Fenster weg und ging zu meinem Kleiderschrank. Ich holte mir sie wärmsten Sachen heraus, da wir Winter hatten. Mittlerweile fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Es war Winter. Ab morgen vor sieben Jahren war ich geflüchtet. Lag das etwa daran, dass ich diese Ereignisse nicht mehr vergessen kann und sie mich allmählich einholten?

Ich schüttelte diesen Gedanken schnell von mir und verließ mein Zimmer. Hier oben war immerhin keiner. Die anderen mussten wohl alle unten sein.

Ich lief langsam die Treppen nach unten. Die Stufen fingen teilweise zu knarcksen an. Es war kein Wunder, wenn man bedenkt wie alt der Dorm mittlerweile war.

Ich hörte die ersten aus dem Wohnzimmer schon kichern. Auch ich legte ein kleines Lächeln auf. Ich musste immerhin so normal wie möglich wirken. Sollte ich jemanden Bescheid sagen, dass ich gehe? Würde es jemanden interessieren?

Ich schüttelte schnell den Kopf, um den Gedanken zu verdrängen. Natürlich würde es sie interessieren. Sie waren schließlich meine Freunde. Wieso dachte ich denn mit einem Mal so negativ über sie? Ich durfte das nicht. Das war falsch an meine Freunde zu zweifeln. Sie haben mich nie hängen lassen. Ich musste ihnen zumindest Bescheid geben, was ich tat und wo ich war.

Ich ging ins Wohnzimmer, wo ich Taehyung, Jimin und Hoseok sah, wie sie sich gegenseitig ärgerten und herzlichst miteinander lachten. Automatisch musste ich leicht lächeln. Wieso konnte ich jetzt nicht mehr so unbeschwert lachen?

Sie verstummten plötzlich, als sie mich am Türrahmen bemerkten. Sie sahen mich fragend an und ich wurde etwas nervös. Das wurde ich immer, wenn ich alleine soviel Aufmerksamkeit auf einmal bekam und dann auch noch so seltsame Blicke bekam. "Kookie, ist was nicht in Ordnung?" riss mich Hobi fragend aus meine Gedanken, woraufhin ich etwas zusammenzuckte. "Äh, alles gut! Ich wollte euch nur Bescheid sagen, dass ich kurz spazieren gehen werde." Sie nickten mir zu und schon verließ ich das Wohnzimmer.

Im Flur zog ich mir schnell eine dickere Jacke an und Stiefel, eh ich dann den Dorm verließ. Der kühle Wind wehte mir sanft durch die Haare, aber dennoch ließ er mich leicht frösteln. Wieso machte ich mir in letzter Zeit soviel negative Gedanken über meine Freunde? Ich will ihnen wirklich vertrauen, aber das würde schlecht gehen, wenn ich in letzter Zeit in der Vergangenheit hang.

Als ich langsam meine Aufmerksamkeit wieder auf den Weg richtete, fiel mir auf, dass ich schon ziemlich weit gelaufen war. Na super! Es waren schon zwei Stunden vergangen und es wurde immer dunkler und kälter.

In letzter Zeit habe ich in den Nachrichten gehört, dass sich hier in den Straßen Seoul's einige Kriminelle herum treiben sollen. Entweder brachten sie Jugendliche um, oder sie verprügelten sie nur so aus Spaß. Es kann aber auch passieren, dass sie andere ausrauben. Es gab auch schon solche Fälle, die wehrlose Personen vergewaltigen. Schon der Gedanke daran ließ mich leicht frösteln.

Ich wurde aus meinen grauenhaften Gedanken gerissen, als ich angerufen wurde. Ich holte mein Handy aus meiner Hosentasche und dann sah ich sofort, wer mich anrief und wie spät es schon war. Moment mal! Ich war keine zwei Stunden weg, sondern vier Stunden. Das kam mir nur wie zwei Stunden vor. Der mich gerade anrief, war Namjoon.

Ich nahm dann schnell ab. Ärger konnte ich mir gerade echt nicht leisten oder ich konnte ihn gerade nicht gebrauchen. "J-Ja..." meldete ich mich unsicher und sofort kam die besorgte Stimme des Leaders zu mir durch. "Kookie, wo bist du? Wir machen uns Sorgen!" Moment, was? Ich war doch nur vier Stunden weg. "Wieso? Ich war doch nur vier Stunden weg." Ich hörte ihn dann traurig seufzen. "Das ist schon lang genug. Tae, Jimin und Hobi meinten, du wolltest nur spazieren. Stimmt das?" Wieso zweifelte er daran? "Natürlich! Ich war nur spazieren, aber...bis nach Hause...bräuchte ich jetzt vermutlich zwei-vier Stunden. Keine Ahnung!" Es war zu dunkel und ich konnte kaum die Hand vor Augen sehen. Nur die eine Straßenlaterne leuchtete mir den Weg, unter die ich auch gerade stehe. Ich hörte ihn schwach seufzen. "Was machst du nur immer für Sachen?" Er hat recht! Ich war doch zu nichts gut. Schnell schüttelte ich den Kopf um den Gedanken zu verdrängen. "Rühr dich nicht vom Fleck! Sag uns wo du genau bist und Jin holt dich ab." Ich sah mich etwas um.

In meinem Umfeld stand wirklich nur eine Straßenlaterne. Ansonsten befand sich gegenüber ein großer Wohnblock, wo man nicht das Ende sehen konnte. Ich drehte mich um und entdeckte eine Bank vor mir. Vor der Bank befand sich eine große grüne Wiese. In der Mitte der Wiese stand ein großer Baum. Hinter diesem Baum befand sich ein kleiner See mit Enten. Drumherum befanden sich ebenfalls Bänke. Genau diese Details sagte ich auch Namjoon. "Den Ort kenne ich." hörte ich von Jin aus dem Hintergrund sagen. Das wäre wirklich ideal. "Kookie, beweg dich nicht vom Fleck. Ich hol dich ab. Gib mir fünfzehn Minuten." hörte ich von Jin und verabschiedete mich dann vorerst von ihn und Namjoon. Wahrscheinlich darf ich mir dann alles anhören, wenn wir zu Hause waren. Ihnen Sorgen zumachen, war nie meine Absicht gewesen.

Ich setzte mich auf die Bank und in diesen Moment hörte ich ein knacken. Ich drehte mich panisch in die Richtung, aus der das Geräusch kam, aber da war niemand. Jin, beeil dich! Hier war es echt unheimlich.

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