Wasser

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Die Stunden vergingen und niemand meldete sich bei dem jungen Russen. Wie sollte er ohne Möglichkeiten Alec finden?
Aus dem Fenster sah er wie es dunkel wurde, erneut wurde es Nacht. Wie lange war er schon hier? Drei Tage? Wie lange wohl sein Papochka hier gewesen war... Aus den Büchern konnte man lesen, dass es mindestens acht Jahre waren.

Alec war unschuldig, genau wie Mirnas damals. Halten sie ihn jetzt ebenfalls Acht Jahre hier fest? Nein. Das würden seine Väter niemals zulassen. Mirnas wusste sicher schon lange wo sein Sohn sich befand.
Nur um Alex machte er sich Sorgen. Hatte der Brite sich wieder irgendwo reinquatschen lassen und war jetzt in Not.

Er saß auf seinem Bett und starrte aus dem Fenster, als er mit einem Mal ein kontinuierliches Plätschern vernahm. Es wurde immer lauter und als er seinen Blick von dem Fenster abwandt, erkannte er auch woher es kam. Aus den Ritzen von Schalter 3x9 drang Wasser. Als er aufstand um nachzusehen warum, stand er bereits bis zu den Knien im Wasser.

Das Bücherregal war in der Wand verschwunden. Hoffentlich war es wasserdicht, sonst wären Mirnas Aufzeichnungen dahin.
Wie war sein Papochka hier raus gekommen? Er hatte gesagt er wäre geflohen, aber wie. Warum hatte er nie erzählt wie??

Das Wasser stieg und stieg.
Mittlerweile hatte sich der Junge auf das Bett gestellt, um noch höher zu sein, doch es brachte nichts. Das kalte Wasser stieg über seinen Oberkörper, seine Schultern, bis er schwimmen musste. An der Lampe hielt er sich fest und zog sich nach ganz oben, doch da war nach kurzer Zeit ebenfalls kein Platz mehr.

Die Zelle war komplett voll mit Wasser.

Der rothaarige Junge hatte die Luft angehalten und gewartet. Irgendwann musste es weggehen. Wenn sie ihn sterben lassen, dann bleibt Alex Rider und der Bus voll mit Kindern verschwunden.
Er konnte lange die Luft anhalten. In Venedig hatte er die Luft anhalten und unter einer Eisplatte durchtauchen müssen.

Er behielt recht, genauso schnell wie das Wasser gekommen war, war es auch wieder weg. Es sickerte einfach durch die Fugen der Fliesen am Boden. Und Alec. Der fiel mit einem schmerzhaften Aufprall auf den Boden.

Die Tür öffnete sich und ein Mann hockte sich neben ihm, hielt ihm seine Hand hin und half dem Jungen auf die Beine.
Erst als er sich die nassen Haare aus dem Gesicht gestrichen hatte, erkannte er den Mann.

"Officer Jones."

"Ohne Officer... Ich möchte dir helfen. Ich glaube übrigens nichts von dem was die sagen, schon seit unserem letzten Treffen nicht mehr, aber meine Schwester meinte, mit mir redest du vielleicht mehr, als mit ihr."

Seine Schwester? Warum war er da nicht gleich drauf gekommen... Mrs Jones. Mr Jones.

"Ich habe nichts zu sagen. Ich habe Cambridge nichts getan."

"Ich glaube dir, auch wenn ich finde, dass du allen Grund gehabt hättest."

Die Zelle in der sie sich befanden, war mittlerweile wieder komplett trocken, als wäre nie etwas passiert. Selbst sein Bett.
Nur die Sachen, welche der Junge trug, ließen erkennen was passiert war.

"Warum helfen Sie mir?"

Die beiden Männer setzten sich, auf zwei Hocker, gegenüber. Mr Jones nahm eine Thermoskanne aus seiner Tasche und füllte Tee in zwei Tassen. Kein guter, aber immerhin etwas warmes nach dem Schock. Zum Glück hatte Alec nicht geschlafen, sondern war wach, wer weiß ob er es rechtzeitig gemerkt hätte.

"Ich kannte deinen Vater. In der Nacht als Mirnas geflohen ist, war ich für ihn verantwortlich, ich habe ihm die Kombination gegeben und hatte dann einen Notfall. Ich fand es ungerecht... Es war wie Folter... Dabei hatte er nichts getan, sie wollten nur Informationen."

"Haben sie Lust für uns zu arbeiten?"

Er hatte nicht darüber nachgedacht was er sagte, sein Gegenüber merkte es und musterte ihn forschend.
Alec hatte das noch nie gefragt, aber dank Mr Jones war er im vergangenen halben Jahr nicht im Gefängnis gelandet und scheinbar hatte er seinen Papochka ebenfalls befreit. Er ist für Gerechtigkeit, egal was das Gesetz sagt, genau wie Mirnas.

"Nick."

Ein kurzes schmunzeln trat in das Gesicht seines Gegenübers und ehe er etwas erwidern konnte, nahm er sein Handy aus seiner Jackeninnentasche, startete einen Film und legte ihn Alec hin.

Zu sehen waren die Grimaldis zusammen mit den entführten Kindern. Es war die Lösegeldforderung und sie drohten eines nach dem anderen umzubringen, wenn die Eltern nicht zahlten. Wenn einer nicht zahlte, müsste ein anderer seinen Anteil übernehmen, ansonsten sterben alle.

"Du kennst die Grimaldis besser als wir. Würden sie die Kinder erschießen?"

"Jederzeit."

Das reichte dem Ex-Office. Er war aufgestanden und gegangen, nach nicht mal fünf Minuten stand er wieder im Raum, diesmal mit Alecs Rucksack.

"Ich hoffe er ist vollständig. Wie lange brauchst du?"

"Zehn Minuten."

Mit einem nicken wurde Alec wieder alleine gelassen und sofort holte er die Stange Lego Steine aus seinem Rucksack. Sie waren noch da. Mit einem Kaugummi befestigte er den roten Stein an dem Fenster, mit dem Scan seines Daumes aktivierte er den Stein, ehe er auch schon hinter seinem Bett in Deckung ging. Hoffentlich hatte die Bombe genug Wucht für das Fenster.

Still zählte er die Sekunden bis zur Explosion, welche nicht einmal ein Viertel so laut war wie er anfangs gedacht hatte. Und doch, das Loch war groß genug für ihn.

Mit trockenen Sachen, schulterte er seinen Rucksack, schloss die beiden Sicherheitsriemen und stieg dann langsam aus dem Loch im Fenster.
Der Sims vor dem Fenster war nicht mal eine halbe Hand breit. Sirenen waren zu hören, doch in dem Moment in dem seine Zimmertür geöffnet wurde und der ätzende Officer aus dem Verhör in sein Sichtfeld kam, stieß er sich von der Kante ab und stürzte in die Tiefe.

Ein letztes Grinsen, ein kurzes Winken und dann... Keine Spur mehr von einem rotblonden Jungen mit seltsamen Hobbys.

Sein britischer Freund hingegen hatte getrennt von den Gefangenen den Zug verlassen. Während er sich zwischen anderen Zügen versteckte, wurden die Kinder in ein separates Wohnhaus gebracht, der Lehrer und der Wachmann der Schule kamen in eine Art Verlies. Das alles war ein altes Stillgelegtes Kraftwerk. Kohle um genau zu sein, überall waren riesigen Berge an Kohle.
Die Wachmänner der Grimaldis waren überall.

Er musste die Kinder retten. Viele von ihnen hatten die ganze Zeit geweint. Es war die jüngste Klasse der gesamten Schule, eigentlich auf dem Weg ins Theater. Drama gab es hier auch, aber gewiss keines, welches in einem Aufsatz enden würden.

Zeitgleich fragte er sich, was aus seinem Partner geworden war. Doch er konnte es nicht erfahren, daher versuchte er den Gedanken so gut es ging zu verschieben, bis er es klären konnte. Dabei kam ihm immer wieder eine wichtige Sache in den Sinn.
Er redete von Alec Gregorovich.
Der Junge der alles kann. Alles, außer dir sagen wie du dich fühlst.

Er wartete bis zur Dunkelheit, dann schlich er sich an den Wachen vorbei in das Gebäude, in welchem die Kinder untergebracht waren. Jeweils zu zweit in einem Zimmer.
Mit Bettwäsche und Pyjamas auf welchen Kindermotive zu sehen waren, Raketen, Tiere, Superhelden. Das sah der junge Brite, als er zwei Jungs versuchte zu beruhigen. Er würde sie hier heil rausholen. Das versprach er.

Der nächste Mensch der ihm begegnete war ihm vertrauter als er selbst. Doch statt Jeans und Shirt trug sie ein Kostüm welches stark an das einer Krankenschwester erinnerte. Genau das war sie hier auch. Entführt, um sich um entführte Kinder zu kümmern.
Aber doch sie war es.

Jack Starbright.
Sie lebt.

Good Killer [abgeschlossen] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt