Alexandra Rietz stand schon wieder vor dem Fenster und starrte in die Nacht hinaus. Ihre Gedanken waren bei Gerrit. Ihrem Gerrit, wie sie ihn liebevoll nannte - natürlich nur heimlich. „Fahren sie nach Hause und schlafen Sie. Heute können Sie ihm nicht mehr helfen, Frau Rietz!" Alex, so wurde die erfahrene Kriminalhauptkommissarin am liebsten genannt, hatte die Stimme des Staatsanwaltes Sewarion Kirkitadse wieder im Ohr, jedoch beruhigte sie das nicht im Geringsten. Seufzend drehte sie sich um und kletterte wieder in ihr Bett. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass es schon längst drei Uhr durch war. Sie schloss die Augen und verdrängte alle negativen Gedanken - vielleicht konnte sie doch noch ein paar Stunden Schlaf finden.
Der Wecker klingelte nach ihrem nächtlichen Wachsein viel zu früh für Alex' Geschmack, doch als sie sich in Erinnerung rief, was auf dem Spiel stand, sprang sie auf und stieg unter die Dusche. Das warme Wasser half ihr, einen klaren Kopf zu bekommen. Sie ging noch einmal alle Fakten durch: Ein missglückter Überfall auf einen Juwelier, den der noch unbekannte Täter durchführen wollte, war die Ursache für ihr Dilemma. Laut Zeugenaussagen war Gerrit zum Zeitpunkt des Überfalls ebenfalls in der Filiale und hatte durch riskantes Eingreifen Personenschaden am Juwelierinhaber verhindern können. Doch laut der zwei Zeugen hatte sich ein Schuss aus der Waffe gelöst.
Alex wurde kalt bei dem Gedanken und sie drehte das Wasser noch einmal wärmer. Einen Moment dachte sie darüber nach, was Gerrit wohl in dem Juwelierladen gewollt hatte - möglicherweise ein Geschenk für seine Freundin suchen - doch sie verwarf den Gedanken wieder und rief sich den Rest in Erinnerung. Als sich die ersten Polizeiwagen angekündigt hatten, war der Täter in Panik geraten und hatte kurzerhand Gerrit als Schutzschild missbraucht und ihn mitgeschleppt. Er war mit Gerrit als Fahrer in einem grauen Wagen geflohen, doch wie sich herausgestellt hatte, war dieser gestohlen worden. Die Kollegen hatten das Fahrzeug leer in der Kaiserstraße gefunden, mit keinem Hinweis auf den Juwelendieb oder Gerrit. Allerdings war Blut auf dem Fahrersitz gefunden worden, die Analyse sollte bis heute früh abgeschlossen sein.
Der einzige brauchbare Hinweis war die Aussage der Juweliermitarbeiterin gewesen, Gerrit hatte vor all dem telefonieren wollen und also sein Handy in der Jackentasche gehabt. Doch gestern konnte das Handy nicht geortet werden, da die Abteilung überfordert war. Alex war sauer und genervt, sie hätte das selber gemacht, wenn sie es gekonnt hätte, doch sie konnte nicht!
Michael und Robert waren zwar auch in Sorge um ihren Kollegen, doch gingen sie davon aus, dass ihm nichts geschehen war. „Wenn er schon entführt wird, wird er sich nicht auch noch verletzen lassen", scherzten sie, sie waren sich beide so sicher, dass der Schuss niemanden getroffen hatte, doch warum hatte die Spurensicherung das Geschoss nicht gefunden aber stattdessen Blutspuren? Wer sollte sonst etwas abbekommen haben, wenn nicht Gerrit, der gefahren war?
Alex konnte diesmal nicht mit ihren Kollegen lachen, nicht, bis das Blut analysiert war und es sich als nicht Gerrits herausgestellt hatte. Einmal mehr bereute sie ihre Unsicherheiten, denn sie konnte kaum atmen, wenn sie daran dachte, dass ihm etwas passiert war. Sie war schon lange in ihren Kollegen verliebt, natürlich nur heimlich und jeder Frage von Michael danach war sie ausgewichen oder hatte es lachend abgestritten.
Und leider hatte sie auch Gerrit noch nicht gestanden, was sie für ihn empfand. Was wenn es dafür nun zu spät war? Ärgerlich über sich selbst schüttelte sie den Kopf - weil solche Unkereien ihr ja etwas brachten. Ihr klingelndes Handy riss sie aus ihren Gedanken. Schnell schaltete sie das Wasser ab, hüllte sich in ihr Handtuch und stieg aus der Dusche, um abzunehmen. „Rietz?", sagte sie, obwohl sie bereits ahnte, wer am Telefon war, sie musste nicht erst die Anrufer-ID sehen. „Ja guten Morgen liebe Kollegin, bist du fertig? Ich steh frierend unten vor deiner Tür, die Ergebnisse der Handyortung sind da!" Michaels neckischer Ton ließ sie schmunzeln, doch beeilte sie sich nun, in ihre Klamotten zu schlüpfen. „Ja, ich bin gleich da Michael. Ja. Ja! Tschüss!"
![](https://img.wattpad.com/cover/312980112-288-k4800ae.jpg)
DU LIEST GERADE
Wo ist Gerrit Grass?
FanficIch habe in meinem virtuellen Kabuff meine allererste Geschichte gefunden.. aus 2006. Das hätte eigentlich mal meine erste Story werden sollen, aber sie hat nie das Licht der Welt erblickt. Aber besser spät als nie heißt es doch :) Gerrit wird Opfer...