3 | Ablenkung

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Ich öffnete die Augen und kniff sie augenblicklich wieder zusammen, weil mir die Sonne mitten ins Gesicht schien. Beim nächsten Versuch hielt ich mir die Hand vor mein Gesicht und schaute nur durch die schmalen Spalten zwischen meinen Fingern. Waren wir schon in Valencia?

»Du hast geschlafen wie ein Stein.«

Ich registrierte Julians Stimme nur am Rande, so gerädert fühlte ich mich. Beim Aufsetzen schoss mir ein scharfer Schmerz in die rechte Schulter. Ich verzog das Gesicht und versuchte mich zu strecken, woraufhin es in meinem Schulter- und Nackenbereich knackte.

»Warum hast du mich nicht geweckt?«, nuschelte ich und rieb mir den Schlaf aus den Augen.

»Ich wollte dir deinen Schönheitsschlaf lassen«, antwortete Julian.

Ich atmete tief durch und stieg aus dem Auto aus, ehe ich meinen ganzen Körper einmal streckte. In der Hoffnung, meine Verspannungen lösen zu können, kreiste ich meinen Nacken, der dabei ununterbrochen knackte und knirschte. Neben mir ertönte das Knallen einer Autotür, woraufhin ich herumfuhr und Julian bemerkte, der gerade um das Auto herum auf mich zulief. »Brauchst du 'ne Massage?«

Ich machte große Augen, bevor ich eilig mit dem Kopf schüttelte.

»Dann halt nicht«, sagte Julian.

Er lief an mir vorbei, um die hintere Autotür zu öffnen und holte eine Bäckerstüte vom Rücksitz, die er mir sogleich hinhielt. »Ich hab Brötchen mitgebracht.«

»Oh.« Ich nahm die Tüte. »Danke.«

Mit einem Blick in die Tüte entdeckte ich zwei belegte Brötchen mit Schinken, Käse und Tomaten. Ich lächelte und nahm eines der Brötchen aus der Tüte. Als ich vom Brötchen abbiss, hielt ich mir gleichzeitig eine Hand vor den Mund, darum bemüht, dass der Belag nicht vor Julians Augen herunterfiel.

»Kennst du die Ciudad de las Artes y las Ciencias?«, fragte Julian.

Ich verschluckte mich fast an meinem Brötchen. »Die was?«

Grinsend schüttelte Julian den Kopf. »Ich dachte, du hattest zwei Jahre Spanischunterricht?«

»Ihr Spanier redet zu schnell.«

Julian verdrehte die Augen. »Die Stadt der Künste und der Wissenschaften«, übersetzte er, woraufhin ich die Augenbrauen in die Höhe zog.

»Was kann ich mir darunter vorstellen?«

Das Grinsen des Madrilenen wurde breiter. »Weißt du, lass dich einfach überraschen.«

- - -

Je mehr sich die Uhrzeit der Mittagsstunde näherte, desto heißer wurde es. Eigentlich war das Wetter optimal für einen Strandbesuch, doch stattdessen fuhren wir in die Stadt der Künste und der Wissenschaften. Julian hatte mir erklärt, dass es sich um eines der Wahrzeichen Valencias handelte. Als wir dort angekommen waren, führte uns der Zugangsbereich durch eine riesige Grünanlage; alle paar Meter ragten Palmen in die Höhe, dazwischen wuchsen kleinere Pflanzen, die typisch für den Mittelmeerraum waren. Nachdem wir den Bereich durchquert hatten, ragten uns zahlreiche futuristische Gebäude entgegen. Eines davon war ein rundliches Gebäude, das von einem helmartigen Dach umgeben war und glatt aus einem Science-Fiction-Film stammen könnte. Ein weiteres erinnerte in seiner Bauform an ein menschliches Auge. Zwar schauten wir uns beide Gebäude von innen an – das rundliche war das Opernhaus, das augenförmige beinhaltete unter anderem ein Kino und ein Planetarium –, aber letzten Endes steuerte Julian einen ganz anderen Teil des Komplexes an. Einige Zeit später standen wir vor mehreren Gebäuden mit gläsernen Wänden und geschwungenen, hervorragenden Dächern, die ähnlich wie eine Blüte in die Luft ragten.

Zwischen den Welten - Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt