24 | Schlussstrich

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Nachdem ich mich auf Lennards Couch hin und her gewälzt hatte und es draußen bereits hell wurde, gewann meine Erschöpfung endlich Überhand. Ich wachte erst wieder auf, als ein Schnarchen an mein Ohr drang. Blinzelnd schaute ich in Julians Richtung und kniff die Augen zusammen, weil ich realisierte, wie nah er mir im Schlaf gekommen war. Hin und hergerissen zwischen dem Impuls, zur Seite zu rutschen, und dem Bedürfnis, ihm noch ein bisschen näher zu kommen, atmete ich tief durch.

Aus Lennards Schlafzimmer kam immerhin kein Ton mehr, aber dafür fiel mir die verschlossene Küchentür auf, die Elena und Lennard eigentlich offen hinterlassen hatten. Träge setzte ich mich auf und hielt meine Hände an meine pochenden Schläfen. Da ich bei Julians Schnarchen ohnehin nicht mehr einschlafen würde, schleppte ich mich aus dem Bett und tapste durch das Wohnzimmer. Vorsichtig öffnete ich die Tür zur Küche und legte die Stirn in Falten, als ich Elena erblickte, die am Esstisch saß und gelangweilt mit einem kleinen Löffel in einer Tasse herumrührte. Im ersten Moment sah sie verwundert auf, ehe sie lächelte. »Setz dich, David.«

Ich presste die Lippen aufeinander und rührte mich trotz ihrer Aufforderung nicht von der Stelle. Wir trugen beide nur Unterwäsche, noch dazu hatte ich nicht das Gefühl, dass ihr schwarzer Spitzen-BH für meine Augen bestimmt war. Schließlich hatte sie mit Lennard... ich senkte den Blick und blinzelte mehrfach, während ich wie ein Stock im Eingang zur Küche stand.

»Du kannst dir ruhig etwas anziehen, wenn dir unwohl ist«, sagte Elena. Ich schluckte schwer, schloss die Tür hinter mir und näherte mich langsam dem Tisch, um mich ihr gegenüberzusetzen. Meine Hände faltete ich auf dem Tisch ineinander und starrte auf ihre Tasse, um Elena nicht ansehen zu müssen.

»Fenchel-Tee«, sagte sie nach einigen Sekunden. Offensichtlich hatte Elena kein Problem damit, dass sie mir halbnackt gegenübersaß.

»Warum bist du wach?«, fragte ich und spannte meine verschränkten Finger an.

»Ich schlafe ungern mit anderen im Bett.«

»Aber seid ihr nicht zusammen?«

Elena lachte, dann sah sie mich nur eindringlich an, als könnte ich die Antwort aus ihren Augen ablesen. Nervös räusperte mich.

»Falsche Frage?«, fragte ich kleinlaut.

Sie lehnte sich in die Stuhllehne und verschränkte die Arme vor der Brust. »Seid ihr denn zusammen?«

Ich machte große Augen. »Was?«

»Du und Julian.«

Mein Herz machte einen Satz, ehe sich mein Blick starr auf meine Hände richtete. »Ich bin nicht – « Ich stoppte und kaute unruhig auf meiner Unterlippe herum.

»Ich verstehe«, antwortete sie ruhig.

Mit tiefen Falten auf der Stirn musterte ich sie. Ich hatte keinen Schimmer, was sie verstand, denn ich verstand nicht viel in diesem Gespräch. Als Elena lächelnd ihren Blick hinter mich richtete und ich zugleich das Geräusch der Tür vernahm, fuhr ich auf dem Stuhl herum und erblickte Julian, der sich matt in den Türrahmen lehnte, das Gesicht noch immer leichenblass. Julian schleppte sich zum Tisch und ließ sich auf dem Stuhl neben mir nieder. Sofort ließ er sich nach hinten sinken, seine Arme hingen schlapp herunter.

»Soll ich dir einen Tee machen?«, fragte Elena. Julian schloss die Augen, atmete tief ein, und setzte sich anschließend auf, um sich dann mit den Unterarmen auf der Tischplatte abzustützen.

»Gut, ich mache dir einen.« Elena wartete seine Reaktion nicht ab, sondern stand einfach auf, kochte Wasser im Wasserkocher und goss es anschließend in eine Tasse mit Teebeutel, die sie Julian sogleich hinstellte. Danach setzte sie sich wieder mir gegenüber und nippte an ihrem eigenen Tee.

Zwischen den Welten - Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt