Es war früh am Morgen, noch vor der offiziellen Frühstückszeit, als wir das nächste Mal in Richtung Poolanlage gingen. Keine Menschenseele kam uns entgegen, nicht auf dem Flur, auch nicht auf dem Oberdeck. Es war, als hätten wir das Schiff für uns allein. Beide trugen wir unsere Badehosen, sodass Julian nicht lange fackelte und geradewegs in das Wasser sprang, das zur frühen Morgenstunde kühl blau leuchtete.
Ich verdrehte die Augen. »Ist das nicht kalt?«
»Nein, gar nicht. Komm rein.«
Ich atmete tief durch und nickte, ehe ich mich auf den Hintern sinken ließ, um die Beine ins Wasser halten zu können. Noch bevor meine Zehen das Wasser berührten, verzog ich das Gesicht, doch das Wasser war gar nicht so kalt, wie ich es erwartet hatte. Tatsächlich war es angenehm. Ich gab mir einen Ruck und ließ mich vollständig in den Pool hineinrutschen. Nur ein kurzer Schauer zog sich über meinen Rücken, bevor ich schmunzelnd zu Julian blickte, der gerade ein paar Meter rückwärts schwamm und dadurch mehr Entfernung zwischen uns brachte.
»So schlimm ist es nicht, oder?«, rief er und spritzte mir eine Ladung Wasser entgegen. Schnell drehte ich mich zur Seite, ehe ich Julians Attacke mit einer Ladung Wasser meinerseits konterte. Eilig tauchte ich unter den nächsten Spritzern ab und verkürzte unter Wasser den Abstand zwischen uns, um Julian an den Beinen runterzuziehen, bis der mit einem gedämpften Japsen ebenfalls untertauchte. Als Julian mit den Füßen strampelte, ließ ich ihn los und wich grinsend aus, damit ich keinen Tritt ins Gesicht bekommen würde.
Ich war gerade wieder aufgetaucht, da sprang Julian mich regelrecht an. Rasch griff ich nach seinen Armen, die sich von hinten um meinen Hals schlangen, und versuchte mich krampfhaft über Wasser zu halten, während Julian wie ein Äffchen an meinem Rücken klammerte. Bevor ich untergehen konnte, streckte ich meinen Arm unkoordiniert nach dem Beckenrand aus. Nach ein paar Versuchen konnte ich den Rand erfassen und mich so weit hochhieven, dass ich nicht das Gefühl hatte, gleich Wasser zu verschlucken. Ich hielt mich am Beckenrand fest und sah nur im Augenwinkel, wie Julian sich rechts und links von mir abstützte, um sich ebenfalls festzuhalten. Mein Herzschlag beschleunigte sich, als ich Julians Oberkörper an meinem Rücken, Julians Schritt an meinem Hintern spürte. Ich drehte mich um und starrte ihm in die Augen, während er mich weiter an den Beckenrand pinnte.
Julians dunkle Augen leuchteten, mehr als ich das jemals bei jemandem gesehen hatte. Sein Blick fiel auf meine Lippen, und ich wusste nicht, ob ich mich abwenden oder ihn weiter ansehen sollte. Die Hitze stieg mir in die Wangen, als Julian eine Hand an eben jene legte. Eigentlich sollte ich spätestens jetzt einen Fluchtinstinkt verspüren, und vielleicht war er sogar da, ganz leise, aber es reicht nicht, dass ich mich aus der Situation löste. Ganz im Gegenteil, ich lehnte mich unwillkürlich in die Hand, die meine Wange streichelte. Ein Lächeln umspielte Julians Lippen.
Und bevor ich reagieren konnte, spürte ich seine Lippen auf meinen; überrumpelt wich ich mit dem Kopf zurück und starrte Julian mit großen Augen an, aber dann schlang ich wie automatisch meine Arme um seinen Nacken und küsste ihn. Als wir absanken, drückte mich Julian so weit an den Beckenrand, dass ich nicht mehr untergehen konnte, und dann griff ich ihm mit einer Hand in die Haare, während unsere Lippen sich gierig aufeinander bewegten. Mir wurde so warm, dass ich mir vorstellen konnte, wie hochrot mein Kopf bereits sein musste –
Und dann realisierte ich, was wir hier taten.
Ich schreckte hoch und fasste mir intuitiv mit den Fingern an meine Lippen. Dann an die Wange. Und an die Stirn. Mein Gesicht fühlte sich warm an, aber längst nicht so warm wie eben noch. Ich kniff die Augen zusammen. Um mich herum war es dunkel und es dauerte einige Momente, bis ich mich daran gewöhnte. Stück für Stück erkannte ich den Raum, in dem ich mich befand; die kleine Kabine mit den zwei Einzelbetten, in einem davon lag ich.
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Zwischen den Welten - Band 1
Romance»Seine Flucht vor dem Alltag wird zu einer Flucht vor sich selbst.« Aus Unzufriedenheit mit seinem Leben flüchtet sich David kurzerhand in die Stadt seiner Jugendträume: Madrid. Gerade als ihn der Mut verlässt und er die Heimreise antreten möchte, s...