28 | Hoch hinaus

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Ich wachte auf und um mich herum war es stockfinster. Mein Kopf pochte unangenehm. Unter einem Ächzen setzte ich mich auf und rieb mir den Schlaf aus den Augen. Die Vorhänge des Zimmers hatten wir komplett zugezogen und sie schafften es, all die bunten Lichter der Stadt abzuschirmen. Es dauerte einige Momente, bis ich genug sehen konnte, um die Umrisse des Raums zu erkennen.

Erst dann bemerkte ich, dass die andere Hälfte des Bettes leer war. Auch aus dem Badezimmer kam kein Licht. Intuitiv griff ich nach dem Wecker auf dem Nachttisch, der mir anzeigte, dass es gegen vier Uhr morgens war. Träge schleppte ich mich aus dem Bett und streckte ausgiebig meine Arme aus. Den Vorhang öffnete ich so weit, dass ich genug sehen konnte, ohne das Licht einschalten zu müssen.

Julians Reisetasche stand noch immer vor dem Bett und auch im Bad fehlte nichts an seinen Sachen. Von ihm selbst war jedoch keine Spur, nicht im Raum und auch nicht auf dem Hausflur, in den ich kurz lugte. Stirnrunzelnd stand ich wie bestellt und nicht abgeholt im Zimmer herum und dachte darüber nach, was ich tun sollte. Vielleicht hatte er sich nur kurz die Beine vertreten wollen oder vielleicht war er wieder angerufen worden, aber hatte mich nicht stören wollen. Ich ging zum Bett und strich sanft über seine Matratzenhälfte, die bereits kalt war. Wie tief hatte ich geschlafen, dass ich ihn nicht gehen hören hatte?

Meine Augen brannten, als hätte ich keine Sekunde geschlafen, während meine Schläfen noch immer schmerzten. Ich raffte mich auf und atmete tief durch. Möglicherweise trieb er sich im Hotel herum, weil er nicht hatte schlafen können. Wäre schließlich nicht das erste Mal.

Mühsam suchte ich mir frische Kleidung zusammen und streifte sie mir über, aber als ich das geschafft hatte, ließ ich mich wieder ins Bett fallen und schloss die Augen. Ich fühlte mich wie vom Laster überrollt. Und ich bezweifelte, dass ich das alles dem Wein zuschreiben konnte. Letzten Endes waren es doch nur zwei Gläser gewesen und dennoch war jede Bewegung so schwer, als würde ich Gewichte am ganzen Körper tragen.

Ich war gerade in einem diffusen Dämmerschlaf, als ich ein Klacken hörte und kurz darauf helles Licht aus dem Hotelflur ins Zimmer strömte. Ich zuckte zusammen. Mühsam setzte ich mich auf und starrte blinzelnd zur Tür, durch die Julian gerade kam. Er versuchte sie leise zu schließen, aber dann erblickte er mich und räusperte sich. »Ich dachte, du schläfst.«

Ich zuckte mit den Schultern, während Julian mich stirnrunzelnd beäugte.

»Und warum bist du angezogen?«, fragte er.

»Weil ich dich suchen wollte.«

Julian machte sich daran, sich Schuhe und Kleidung auszuziehen, bis er nur in Shorts im Raum stand. Ich sollte es ihm gleichtun, aber ich schaffte es nicht, die nötige Kraft aufzuwenden. Erst als Julian auf seiner Betthälfte unter die Bettdecke schlüpfte, kehrte wieder Leben in mich und ich entledigte mich wenigstens meiner kurzen Hose. Danach setzte ich mich im Schneidersitz ins Bett und zog die Decke über meine Beine. Mein Blick fiel auf Julian, der bereits mit geschlossenen Augen im Bett lag; aber ich wusste, dass er nicht schlief, seine Atmung war viel zu hektisch.

»Wo warst du?«, fragte ich, woraufhin er aufstöhnte und mich ansah. Tiefe Falten bildeten sich auf seiner Stirn, ehe er sich abwandte. »Konnte nicht schlafen.«

Ich zog die Augenbrauen zusammen. »Aber du warst lang weg.«

»Geht so, eigentlich nicht.«

»Deine Betthälfte war schon kalt«, platzte es aus mir heraus und erst bei Julians schiefem Blick realisierte ich, dass die Aussage komisch rübergekommen sein musste.

»Ich habe mir Sorgen gemacht«, fügte ich rasch an.

Sachte hoben sich Julians Mundwinkel, aber sein restliches Gesicht blieb ausdruckslos. Er setzte sich träge auf und schlang die Arme um seinen Körper, als würde er frieren. »Vielleicht habe ich die Zeit etwas aus den Augen verloren.«

Zwischen den Welten - Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt