12 | Ertappt

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Wir brauchten den restlichen Nachmittag für das Kolosseum und waren letzten Endes so kaputt, dass wir danach nur noch einen Abstecher zu einem Supermarkt machten, uns mit Essen und Trinken eindeckten, ein paar belegte Brötchen für den Abend besorgten, und zurück in die Unterkunft kehrten. Erschöpft und mit brennenden Fußsohlen legte ich mich auf meine Betthälfte. Julian setzte sich im Schneidersitz und mit einer neuen Packung Kekse aus dem Supermarkt auf die andere Seite des Bettes, sein Blick war mir zugewandt.

»Wenn du willst, können wir morgen weiterfahren«, sagte Julian.

Ich fuhr mir über das Gesicht. »Wohin?«

Ein breites Grinsen schlich sich auf Julians Lippen, ehe er mit den Augenbrauen wackelte. Ich stöhnte frustriert auf.

»Nicht wieder ein Geheimnis, oder?«, sagte ich, woraufhin Julian mit den Schultern zuckte. »Willst du es hören?«

»Ja, bitte«, stieß ich unweigerlich aus und setzte mich auf. Ich sah genau, wie Julian die Lippen aufeinanderpresste, um sein Grinsen zu unterdrücken, aber dann atmete er tief ein und nickte. »Venedig.«

Mit einem verdutzten Gesichtsausdruck starrte ich ihn an. »Ist das nicht super weit von hier?«

»500 Kilometer«, antwortete Julian, »ich kann die fahren.«

Natürlich, dachte ich und verdrehte die Augen. Dass Julian keine Chance auslassen würde, mein Auto zu fahren, war mir bereits aufgefallen. Als ich nichts erwiderte, stand Julian aus dem Bett auf und ging in Richtung Badezimmer. Bevor er hineinging, drehte er sich zu mir um. »Überleg's dir. Wenn ja, müssen wir zehn Uhr hier raus ein. Wenn nein, verlängern wir. Ich geh in der Zeit duschen.«

Und dann war er auch schon im Badezimmer verschwunden. Am liebsten hätte ich nun mein Handy aus meiner Tasche geholt, um Venedig in die Google-Suche zu tippen, aber ich wagte es nicht, mein Internet einzuschalten. Nicht, dass ich nicht auch so genug über die Stadt wusste, schließlich hatte Anna auch immer mit mir nach Venedig gewollt. Ich biss mir auf die Unterlippe. Mein Herz setzte kurz aus, als mir ein Gedanke durch den Kopf blitzte.

Die Stadt der Liebe.

Schlagartig fühlte ich mich hellwach, weshalb ich aus dem Bett aufstand und nervös hin und her ging, während ich darüber nachdachte, ob Julian sich irgendwas bei der Auswahl gedacht hatte. Aber er kam mir nicht romantisch vor. Ganz anders als Anna. Anna würde mir strahlend um den Hals fallen, wenn ich ihr anbieten würde, eine Reise nach Venedig zu unternehmen. Ich atmete tief ein. Der Gedanke, überhaupt mit Anna auf Reisen zu gehen, ließ mich erschaudern. Dabei waren wir schon einige Male zusammen verreist – klassische Strandurlaube, aus denen ich immer als Krebs wieder zurückgekehrt war. Es war schön gewesen, keine Frage, aber Julian ... er zeigte mir eine andere Welt. Augenblicklich zog ich eine Grimasse, erschrocken über meine eigenen Gedanken. Ich sollte Anna vermissen. Ich sollte sie bei mir haben wollen. Ich sollte mir ihr nach Venedig fahren wollen und nicht mit Julian.

Um mich abzulenken, bückte ich mich eilig nach meiner Reisetasche und hievte sie auf das Bett, bevor ich darin wühlte. Ohne jedes System lag meine Kleidung in der Tasche herum, sauber wie dreckig, sodass ich mir nicht einmal mehr sicher war, was ich noch nicht getragen hatte. Seufzend fing ich an, Kleidung auf das Bett zu schmeißen, die ich definitiv nicht mehr tragen wollte. Unglücklicherweise blieb danach kaum mehr etwas übrig.

Gerade schaute ich stirnrunzelnd in meine fast leere Reisetasche, da stieß Julian mit Schwung die Badezimmertür auf. Ein Handtuch um die Hüfte gewickelt, tapste er barfuß auf mich zu, und blieb am Fußende des Bettes stehen. Seine Haare waren noch nass, der ein oder andere Tropfen perlte auf seine Schultern ab. Ich presste die Lippen aufeinander.

Zwischen den Welten - Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt