Julian wollte jetzt noch schwimmen gehen?
Meine Augen weiteten sich, aber bevor ich eine Möglichkeit hatte zu protestieren, hockte Julian sich bereits neben seine Reisetasche, öffnete sie und fischte seine Badehose heraus. Anschließend warf er die Tasche in das Zelt, gefolgt von unseren Isomatten und Schlafsäcken. Wie erstarrt sah ich ihm dabei zu, bis er auffordernd in meine Richtung nickte. »Steh nicht so rum. Oder soll ich deine Badehose selbst aus der Tasche holen?«
Ich schnaubte. »Nein.«
Es widerstrebte mir, aber am Ende ergab ich mich und bückte mich neben meiner Reisetasche, um auch meine Badehose herauszusuchen. Daraufhin ging ich samt Tasche ins Zelt und drehte mich zum Eingang um. Verdutzt starrte ich auf Julians nackten Körper, weil der gerade dabei war, sich im separaten Eingangsbereich unseres Zeltes umzuziehen. Schnell wandte ich den Blick ab. Als ich das Zelt wieder verließ, tippelte er bereits mit seinem Fuß auf dem Boden herum und grinste mir mit verschränkten Armen entgegen. Ich verdrehte die Augen.
Der Badestrand am See war angenehm leer; nur noch wenige Menschen tummelten sich um diese Zeit am Strand oder im Wasser. So gingen wir über die angenehm kühle Grasfläche, die in Wassernähe in Sand überging, der härter und steiniger war als an den Stränden der letzten Tage. Julian verschwendete keine Sekunde und trottete geradewegs ins Wasser. Zwar versuchte ich mit ihm Schritt zu halten, aber als meine Füße das kühle Wasser berührten, blieb ich stehen und verzog das Gesicht. Ohne Sonne war mir das Wasser schon wieder zu kalt. Aber natürlich nahm Julian keine Rücksicht darauf, also biss ich die Zähne zusammen und folgte ihm mit langsamen, großen Schritten. Das nächste Mal blieb ich stehen, als mir das Wasser bis zu den Oberschenkeln reichte und eigentlich war mir nicht danach, noch weiter hineinzugehen, während Julian sich bereits entspannt im Wasser treiben ließ. »Worauf wartest du?«
»Ich glaube, ich will wieder raus«, antwortete ich und verschränkte die Arme. Julian erwiderte meinen Blick grinsend und ruderte mit den Armen. »Tu dir keinen Zwang an.«
Meine Augen schweiften über den See, der im Dunkeln nicht gerade einladend aussah. Ringsherum konnte man Bäume erahnen, die ohne Sonnenlicht eine gespenstige Waldfront bildeten. Dass es mir nicht geheuer war, am späten Abend im See zu schwimmen, behielt ich jedoch für mich.
»Okay, pass du auf, ja?«, sagte ich stattdessen und kehrte um.
»Claro«, rief Julian mir noch hinterher, als ich bereits dabei war, wieder aus dem Wasser zu staksen.
Zurück bei unserem Zelt versuchte ich mir bestmöglich mit den Händen das Wasser von den Beinen zu streifen, bevor ich mir im Eingangsbereich meine Badehose auszog. Erst dann betrat ich das Zelt und kramte in meiner Reisetasche nach einem Handtuch, weil ich trotz meiner Vorsichtsmaßnahmen das Zelt nassgemacht hatte. Also trocknete ich mich rasch ab, bevor ich mir frische Kleidung überzog. Meine Badehose legte ich in den separaten Eingangsbereich, auch wenn sie nur ein bisschen nass geworden war. Dann machte ich mich widerwillig daran, Ordnung im Zelt zu schaffen. Ich packte unsere Isomatten aus, legte sie mit ein wenig Abstand nebeneinander, und platzierte unsere Schlafsäcke obendrauf. Die Reisetaschen stellte ich am Fußende ab.
Als ich mit allem fertig war, wählte ich die rechte Isomatte als meinen Schlafplatz aus und schob meinen Schlafsack nach außen, weil mir aktuell nicht danach war, hineinzuschlüpfen. Ich legte mich auf den Rücken, starrte an die Zeltdecke und wartete geduldig, bis Julian zurückkehrte.
Das Geräusch von einem Reißverschluss ließ mich hochschrecken. Blinzelnd setzte ich mich auf und rieb mir über meine Augen. Ich hatte gar nicht realisiert, dass ich in der Zwischenzeit eingedöst war. Mittlerweile war es stockduster im Zelt. Erst der geöffnete Zelteingang ließ so viel Licht hereinströmen, dass ich Julian erkennen konnte, der mich amüsiert musterte. Seufzend ließ ich mich wieder nach hinten fallen. »Sorry, ich wusste nicht, dass du schon schläfst.«
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Zwischen den Welten - Band 1
Roman d'amour»Seine Flucht vor dem Alltag wird zu einer Flucht vor sich selbst.« Aus Unzufriedenheit mit seinem Leben flüchtet sich David kurzerhand in die Stadt seiner Jugendträume: Madrid. Gerade als ihn der Mut verlässt und er die Heimreise antreten möchte, s...