𝚊𝚞𝚜 𝚎𝚒𝚗𝚎𝚖 𝚏𝚛ü𝚑𝚎𝚛𝚎𝚗 𝚕𝚎𝚋𝚎𝚗

226 22 6
                                    







𝚔𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 𝟹: 𝚊𝚞𝚜 𝚎𝚒𝚗𝚎𝚖 𝚏𝚛ü𝚑𝚎𝚛𝚎𝚗 𝚕𝚎𝚋𝚎𝚗




𝐌𝐄𝐈𝐍𝐄𝐍 𝐇𝐄𝐑𝐙𝐒𝐂𝐇𝐋𝐀𝐆 hätte ich in den folgenden Sekunden als Flügelschlagen eines Kolibris beschrieben.
Es schlug so schnell, dass ich dachte ich müsste mich übergeben. Immer noch völlig perplex stieß ich Steve von mir und verschränkte sofort die Arme vor der Brust.

»Bist du sein Wachhund, oder was?«, konterte ich auf sein widersprüchliches Verhalten. Noch zuvor war er die Freundlichkeit in Person gewesen, wenn auch zuteilen ziemlich verpeilt. Seine Reaktion war vollkommen überdreht. Sicherlich sorgte er sich um Eddie, aber das war keine Erklärung für seine ruppige Art.

»Hey, ich frage echt nicht gerne noch einmal. Was willst du von ihm? Wer schickt dich?«
Obwohl seine Worte hart klangen, erzählte seine Tonlage eine ganz andere Geschichte.
Ein Schwall Traurigkeit ergoss sich in der Art und Weise wie er seine Worte ausgesprochen hatte und unverzüglich ließ ich meine verschränkten Arme sinken. Mir fehlte die Kraft dazu sie aufrecht zu halten, an stattdessen klammerte sich eine aufkommende Besorgnis an mein gesamtes Sein.

Hatte er mehr Information bezüglich Eddie's verschwinden als ich?
Besaß er die Gewissheit über seinen Aufenthaltsort?
Seine Stimmlage spiegelte jedoch ein so eindringliches Missbehagen wieder, dass ich befürchtete, mit Eddie könnte etwas geschehen sein.
Mit dem Voranschreiten der Zeit, in der er nichts weiter sagte, bekämpfte ich meine Unruhe indem ich meine Hände zu Fäusten ballte.
Der Druck, den ich dadurch ausüben musste, lenkte mich nur halbherzig von der Panik ab, die in meinem Herzen tanzte.

»Was ist mit ihm, Steve? Geht es ihm gut?«, fragte ich und dabei war meine Stimme nicht mehr als ein unsicheres Flüstern.
Mein Geist lieferte sich einen unsinnigen Kampf zwischen dem Widerwillen, dass er mir antwortete und der beißenden Bitte, er würde genau das endlich tun.

In meinem Kopf bildete sich eine Armee aus schrecklichen Bildern. Es gab so unendlich viele Möglichkeiten, was mit Eddie geschehen sein könnte.
Lag er in einem Krankenhaus? Exestierte hier noch ein funktionstüchtiges Krankenhaus?
Oder vegetierte er ohne Medikamente und Hilfe in einer Ruine, einer Brutstätte aus Keimen und Viren vor sich hin?
Oder war er in eine weiter entferne Ambulanz gebracht worden?
Wenn dies der Fall war, so würde ich mich sofort auf den Weg machen müssen.

Dabei hatte der Hinweg hierher schon ewig lange gedauert. Und die hereinbrechende Nacht versprach noch mehr Dunkelheit und noch mehr Gefahren, wenn ich mich jetzt lossagte.

Endlich regte sich etwas zwischen den beiden.
Nun ergriff Robin die Initiative, in dem sie um die Ecke Ausschau hielt.
Sie wollte damit eindeutig vermitteln, dass dieses Gespräch nicht für andere Ohren bestimmt war. Meine Irritation nahm unbekannte Ausmaße an.
Was war so geheim, dass sie es mir hier nicht erzählen konnte? Oder wollte?

»Er wird vermisst.« , setzte sie nun an. „Und das schon eine ganze Weile.«
Verwirrt blinzelte ich in die Abenddämmerung hinein und nickte dann bedächtig, um ihr zu signalisieren, dass ich sie verstanden hatte.
»Ich weiß", hauchte ich. »Ich habe es in den Nachrichten gesehen. Es wird landesweit ausgestrahlt. Dadurch habe ich ihn wiedergefunden.«

Ein Orkan an Bildern ergoss sich über meinen müden Verstand

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

Ein Orkan an Bildern ergoss sich über meinen müden Verstand.
Die Nachrichten, die von einem vermissten Kultleader sprachen, von dem berüchtigten Eddie Munson, der das Leben dreier junger Menschen auf dem Gewissen hatte und für noch mehrere als Täter vermutet wurde.

»Woher kennst du ihn?«, fragte Robin und sah mich dabei milder als noch zuvor an. Sie musste endlich verstanden haben, dass ich keine neugierige Reporterin war oder eine Trittbrettfahrerin, die sich nur für eine Freundin ausgab.
Eddie und mich verband wirklich ein enges Band der Freundschaft, das sich mit seinem Werdegang gelöst hatte.
Würde es sich wieder festigen lassen, wenn ich ihn endlich wiedersah? Würden wir dort weitermachen können, wo wir mit zehn und elf aufgehört hatten?
Ich hoffte es. Ich hoffte nichts mehr.

Leise seufzte ich auf und atmete dabei langsam die immerwährend stickige Luft aus.
»Es ist eigentlich lächerlich. Wir kannten uns seitdem wir sechs waren. Wir sind immer mit unseren vom Schrottplatz geklauten Fahrrädern durch die Gegend gefahren.
Ich weiß nicht, ob man in diesem Alter von Besten Freunden sprechen kann, aber für mich hat es sich so angefühlt.«

Betreten sah ich zum Boden und schob mit der Fußspitze ein paar von den Trümmern übrig gebliebene Steine hin und her

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

Betreten sah ich zum Boden und schob mit der Fußspitze ein paar von den Trümmern übrig gebliebene Steine hin und her.
Dann begann ich erneut zu sprechen. Viel gefestigter klang meine Stimme aber immer noch nicht.
»Irgendwann nachts wurde ich von einer lauten Männerstimme wach. Dass sie zu seinem Onkel gehörte, wusste ich erst später durch unsere tratschende Nachbarin. Er hatte ihn mitgenommen, als er elf Jahre alt war. Ich konnte mich nicht einmal verabschieden.«
Sachte lächelnd sah ich zu ihnen auf.

Sicherlich, die Geschehnisse waren schmerzhaft für mein Zehnjähriges Ich gewesen.
Die 17-Jährige, die ich im nächsten Monat werden würde, allerdings, hatte Vergangenes als vergangen abgetan.
Oder zumindest redete sie sich das andauernd ein. Wäre sie erfolgreich gewesen, würde ich jetzt nicht hier sein und Rede und Antwort stehen müssen.

𝐖𝐈𝐄𝐒𝐎 𝐀𝐋𝐒𝐎 𝐖𝐀𝐑 𝐄𝐒 𝐌𝐈𝐑 𝐒𝐎 𝐖𝐈𝐂𝐇𝐓𝐈𝐆 𝐈𝐇𝐍 𝐙𝐔 𝐅𝐈𝐍𝐃𝐄𝐍?

Ich war so dermaßen in der Nostalgie meiner Gedanken vertieft, dass ich überhaupt nicht mitbekam, wie sich Robin und Steve bedeutungsschwangere Blicke zuwarfen.
Auch das zaghafte Kopfschütteln bemerkte ich nicht und das darauffolgende Schweigen von Robin, die mir eigentlich etwas hätte sagen wollen.

Ich wusste nicht wie viel Zeit verging, in der wir stumm am Hintereingang des Ladens standen, währenddessen sich die Menschenschar mit kalten Getränken dem wohlverdienten Feierabend entgegenstreckte.
Irgendwann räusperte sich Steve, immerhin waren sie mir noch eine richtige Antwort schuldig.
Das dachte ich zumindest.
Seine folgende Frage hatte aber rein gar nichts mit der Unwissenheit zutun, die ich von ihm beendet haben wollte.
»Wo wirst du unterkommen? Ich meine..das Motel steht nicht mehr. Du kannst es höchstens im Trailerpark versuchen, da gibt es den ein oder anderen Trailer, in dem man für eine geringe Summe schlafen kann.«

Nachdenklich neigte ich meinen Kopf zur Seite, dann begradigte ich meinen erschöpften Körper und nickte.
Ich würde mich am nächsten Tag auf die weitere Suche begeben müssen.
Heute war ich einfach zu müden von der langen Fahrt, dem noch viel längeren Fußmarsch und auch das Gespräch hatte an meinen wenigen Kraftreserven gezerrt.
Alles was ich jetzt noch tun würde, wäre nicht hilfreich. 

Über meinen Verbleib hatte ich mir wirklich die geringsten Gedanken gemacht.
Was in Anbetracht der Tatsache, dass ich in eine völlig fremden Stadt eingekehrt war, mehr als nur leichtsinnig war.
Ich wusste doch von dem Erdbeben, wieso also hatte ich nicht einberechnet, dass es Bereich des Möglichen war, dass es hier nichts gab, dass mir hätte Unterschlupf gewähren können?

»Das klingt gut. Ehrlich. Kannst du mir den Weg erklären?«, bat ich ihn zaghaft und schenkte ihm - obwohl ich eigentlich nicht in der Stimmung dafür war - ein dankbares Lächeln.
Ob ich es zugeben wollte oder nicht, ob es mir gefiel oder missfiel, die beiden waren meine Rettung in einer aussichtslosen Lage.

Robin schüttelte protestierend den Kopf und griff mit einer gekonnten Bewegung in die Jackentasche von Steve's Jeansjacke.
Dann wedelte sie mit abgewetzten Autoschlüsseln und lächelte sanft. »Wir werden dich selbstverständlich fahren. «

𝐖𝐎 𝐃𝐀𝐒 𝐆𝐄𝐒𝐓𝐄𝐑𝐍 𝐍𝐈𝐂𝐇𝐓 𝐌𝐄𝐇𝐑 𝐒𝐄𝐈𝐍 𝐊𝐀𝐍𝐍【𝚔𝚊𝚜】Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt