𝚠𝚒𝚎 𝚎𝚜 𝚎𝚒𝚗𝚖𝚊𝚕 𝚠𝚊𝚛

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𝚙𝚛𝚘𝚕𝚘𝚐






𝗝𝘂𝗹𝗶 𝟭𝟵𝟴𝟬
𝗣𝗵𝗼𝗲𝗻𝗶𝘅, 𝗔𝗿𝗶𝘇𝗼𝗻𝗮


»𝐆𝐋𝐀𝐔𝐁𝐒𝐓 𝐃𝐔 𝐖𝐈𝐑 𝐖𝐄𝐑𝐃𝐄𝐍 𝐅Ü𝐑 𝐈𝐌𝐌𝐄𝐑 𝐅𝐑𝐄𝐔𝐍𝐃𝐄 𝐁𝐋𝐄𝐈𝐁𝐄𝐍?«, fragte er und zupfte dabei an seinem Hosenbein herum. Er hatte es sich zu seiner neusten Mission auserkoren das bereits vorhandenen Loch noch größer zu machen.

Meine Mutter fand, dass er dadurch wild und lächerlich aussah, ich fand es richtig cool. Er war so viel cooler als Peter Daniels, der mich immer wieder auf ein Eis einlud.
Dabei wollte ich kein Eis essen. Ich wollte lieber wieder Steine auf den See werfen und zusehen welcher am weitesten springen konnte.
Oder nach einer neuen Klingel für das Fahrrad suchen, das wir vor zwei Wochen vom Schrottplatz gestohlen hatten.

»Das glaube ich nicht nur. Das weiß ich, Eddie.«, versprach ich ihm. Eines war so sicher wie der schnaufende Atem von Mrs Susan um Punkt Sechs Uhr, weil sie dann ihren seltsamen Aerobickurs belegte: Eddie Munson und Becks Watkins würden ein Leben lang beste Freunde sein.

Wir waren jetzt zehn und seitdem wir sechs Jahre alt waren, miteinander befreundet.
Das war doch richtig, richtig lange, oder?
Ich fand es war eine sehr lange Zeit. Wir hatten schon so viel zusammen erlebt.

Wie die Nachtwanderungen, die so gruselig waren, dass ich allein beim Gedanken daran gerne wieder nach seiner Hand gegriffen hätte.
Ein jedes Mal hatte er eine kaum funktionierende Taschenlampe dabei gehabt und sie sich direkt vor sein Gesicht gehalten, um gespenstische Geschichten zu erzählen. Eddie war furchtlos.
Musste er glaube ich auch sein. So wie seine Eltern waren.

Ich hatte sie nie wirklich gesehen, bis auf einmal, als sie wütend und kreischend aus dem Haus gelaufen kamen und ihn fragten, was er sich dabei gedacht hatte, Geld zu stehen.
Dabei hatte er es für etwas Brot und Käse gebraucht. Er hatte doch nur Hunger. An diesem Abend hatte ich zum ersten Mal um Naschschlag beim Abendessen gebeten, damit ich ihm später heimlich etwas davon geben konnte.
Das war auch der erste Abend, an dem er kleine Steinchen gegen mein Fenster warf und darum bat, bei mir bleiben zu können.

»Hey wie wäre es, wenn wir die Augen gelb machen? Sieht dann doch viel gruseliger aus, oder?«, schlug Eddie vor und deutete auf den Teufel, den ich gerade zum dritten Mal mit schwarzer Farbe umrandete.
Auf dem Blech des Fahrrads hielt meine Tusche nicht sonderlich gut. Ich nickte aufgeregt. »Richtig gruselig!«, stimmte ich ihm zu.

»Ich hab nochmal nachgedacht."« murmelte Eddie und riss dabei kräftig an seiner schwarzen Jeans. Das Loch wurde dadurch so groß, dass sein gesamtes Knie herausschaute. So cool. »
Wir können ihn nicht Peter nennen. Auch, wenn wir ihn nicht leiden können. Er braucht einen richtigen Namen. Und der Teufel kommt ja aus der Hölle.«

Ich verzog die Lippen bei dem Gedanken und warf einen flüchtigen Blick auf die untergehende Sonne. Das Farbspiel aus Orange- und Rottönen war super schön, das hieß aber auch, dass dadurch die Nacht eingeleitet wurde.
Eddie hatte einen ungesunden Hang zu Gruselgeschichten, aber wenn er meinte, mir jetzt unbedingt eine erzählen zu müssen, dann müsste er eben wieder durchs Fenster schleichen und bei mir übernachten.
Allein schlafe ich dann bestimmt nicht!

»Na und in der Hölle ist es ja heiß, wegen dem ganzen Feuer und der Lava und so.«
Ich nickte wieder zustimmend und betrachtete sein aufgeregtes grinsendes Gesicht. Seine wilden Locken, von denen ich hoffte er würde sie niemals abschneiden, ich sah sie doch so gerne herumwirbeln, wenn er lief.
Dass er sie in genau drei Wochen kahl rasiert bekommen würde und ich sie in vier Stunden, dreiunddreißig Minuten und siebzehn Sekunden nie wieder sehen würde, konnte ich ja nicht ahnen.

Wie denn auch? Ich war zehn, naja noch nicht ganz, aber bald. Und die Zeit hatte für mich noch einen ganz anderen Stellenwert.
Die Zeit in der Schule glich für mich einer Unendlichkeit und die paar Stunden Freizeit danach waren mit einem Fingerschnippen um.

In den nächsten Wochen, Monaten und schließlich Jahren würde ich wechselhaft darüber denken. Die erste Zeit ohne Eddie war quälend langsam, die nächsten Jahre vergingen wie im Flug.

Ich würde es sehr lange nicht verstehen, aber letztendlich war es das Beste gewesen, was Eddie hätte passieren können, in dem er von seinen Eltern getrennt wurde.

»Na und sag schon!« , bat ich aufgeregt und klatsche in die Hände.
Dann bemerkte ich eine widerspenstige Strähne, die sich gelöst hatte und nun mein Sichtfeld störte. Ich wollte sie mit den Handrücken wegstreichen, bemerkte dabei aber nicht die schwarze und rote Farbe, die noch nass glänzend auf meinem Handrücken klebte und wischte sie mir prompt auf die ganze Wange.
Eddie sah mich mit einem breiten Grinsen an, streckte seine Hand aus und strich mir das Haar behutsam hinters Ohr.

Mir wurde ganz schlecht so schnell schlug mir das Herz in der Brust und mein ganzer Körper fühlte sich an, als krabbelten eine Millionen Ameisen unter meiner Haut hindurch.
Seine kaffeebraunen Augen sahen nachdrücklich in meine eigenen.
»Höllenfeuerteufel« , flüsterte er, nahm seine Hand von mir und wischte sich einmal quer durchs Gesicht. Er hatte jetzt genauso überall Farbflecken, wie ich.

Einen Moment lang noch hing ich der zärtlichen Berührung von ihm nach.
Meine Haut brannte an den Stellen, an denen seine kalten Finger mich berührt hatten. Ich fand Jungs ekelig, ich war ja erst fast zehn.
Aber Eddie, Eddie würde ich nie ekelig finden.

𝐖𝐎 𝐃𝐀𝐒 𝐆𝐄𝐒𝐓𝐄𝐑𝐍 𝐍𝐈𝐂𝐇𝐓 𝐌𝐄𝐇𝐑 𝐒𝐄𝐈𝐍 𝐊𝐀𝐍𝐍【𝚔𝚊𝚜】Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt