𝚖𝚒𝚝𝚝𝚎𝚛𝚗𝚊𝚌𝚑𝚝𝚜𝚝𝚎𝚛𝚛𝚘𝚛

197 22 8
                                    






𝚔𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 𝟺: 𝚖𝚒𝚝𝚝𝚎𝚛𝚗𝚊𝚌𝚑𝚝𝚜𝚝𝚎𝚛𝚛𝚘𝚛




𝐈𝐍 𝐃𝐈𝐄𝐒𝐄𝐑 𝐍𝐀𝐂𝐇𝐓 würde ich meinen ersten Alptraum seit beinahe acht Jahren haben.
Zuletzt war ich von den ohrenbetäubend lauten Schüssen in einer benachbarten Straße wach geworden.
Sie waren in das rostige blecherne Dach eines alten Fords gedrungen, der zu dem Zeitpunkt glücklicherweise leer gestanden hatte.
Es wurde niemand verletzt.

Was aus dem Täter wurde, wusste ich nicht.
Aber ich nahm stark an, dass dieselbe hetzende Berichterstattung getrieben wurde, wie es bei Eddie der Fall war.
Dabei hätte Eddie niemals irgendjemanden etwas zuleide tun können.
Er war nicht wie die meisten Menschen.

Gewalt in der Kindheit hatte ihn nicht dazu gebracht, denselben dunklen Pfad einzuschlagen, wie es so viele andere bedauerlicherweise getan hatten.
Stattdessen ging er, selbst in seiner Kindheit schon, als gütiger und freundlicher Mensch durch die Welt.
In Kombination mit seinem Irrsinn und seinem frechen Mundwerk war er eine wunderbare Konstellation aus Gutmensch und Idiot. Mein Idiot.

Vielleicht kannte ich den aktuellen Eddie Munson nicht, aber ich wusste einfach, dass er es besser machen wollte als sein Vater.
Sicherlich gab es die ein oder andere neuaetige Charaktereigenschaft, die er sich im Laufe der Zeit angeeignet hatte.
Und mit sehr großer Wahrscheinlichkeit gab es mittlerweile auch Seiten an ihm, die mir nicht zusagten.
Trotzdem war ich von der Sicherheit eingenommen, die mir versprach, dass Eddie ein Guter war.
Wer, wenn nicht er?

Unruhig wälzte ich mich auf der durchgelegenen Matratze hin und her.
Obwohl mein Körper so ausgelaugt von den ganzen Strapazen war, konnte er keine Ruhe finden. Konnte ich keine Ruhe finden.
Meine Gedanken verhedderten sich ununterbrochen, in dem was passiert war und was noch passieren mochte.
Außerdem konnte ich einfach nicht schlau aus der Unterhaltung von vorhin werden.
Robin hatte den Eindruck gemacht, als verschwiege sie mir etwas.

Nicht, dass sie in meiner Schuld stand und mir irgendetwas sagen musste, aber ich wurde das Gefühl nicht los, dass es dabei um Eddie ging.
Ihre Reaktionen hatten nahtlos an meine Frage zu seinem Verbleib angeknüpft.
Ihre Feindseligkeit erzählte von einem ausgeprägten Beschützerinstinkt gegenüber ihm.
Was mich insgeheim freute. Es zeigte, dass er Menschen gefunden hatte, die ihm wichtig waren und, dass er ihnen im Gleichschluss etwas bedeutete.

Leider änderte das aber nichts an dem Unbehagen das ich dabei empfand.
Ich musste mich einfach der Hoffnung hingeben, dass es ihm gut ging.
Vielleicht würde ich am nächsten Tag Antworten bekommen. Zu Fragen, die ich eigentlich nicht bereit war zu stellen, die ich aber stellen musste.
Es ging kein Weg daran vorbei. Ich musste es tun.
Ich konnte keinen Rückzieher machen. Zuhause erwartete mich ohnehin nichts al eine trügerische Leere.
Da konnte ich genauso gut eine halsbrecherische Aktion nach der anderen hinlegen.
Wie außergewöhnlich gefährlich und andersartig mein weiterer Verlauf in Hawkins sein würde, konnte ich mir zu diesem Zeitpunkt nicht einmal vorstellen. Keines von meinem Geist erschaffenes Bild hätte dem gerecht werden können.

Gegen Mitternacht gab ich auf und stieg aus dem Bett. Wenn man es denn überhaupt so nennen konnte.
Ich wollte mir gar nicht vorstellen wie viele Menschen hier schon genächtigt hatten und was für unaussprechliche Dinge sie getan hatte.
Seufzend sah ich mich in dem spartanisch eingerichteten Trailer um.
Hier war nichts so einladend wie die Tür, die mir zumindest etwas Schönheit in der umliegenden Natur versicherte.
Es war ungemütlich, kahl und eine absolute Notlösung.
Aber es würde für die nächsten paar Tage reichen.

Steve und Robin waren noch so zuvorkommend gewesen, mir ein paar Vorräte zu bringen, sodass ich wenigstens etwas essen und trinken konnte.
Meine Kehle lechzte nach etwas Flüssigkeit, so wie es mein gesamter Körper tat.
Ich hatte den ganzen Tag über kaum auf meine Flüssigkeitszufuhr geachtet, geschweigendem etwas Vollwertiges zu mir genommen.

Hastig nestelte ich an dem Verschluss der Mineralwasserflasche herum und trank dann gierig einige Schlucke.
Das knackende Geräusch des Plastiks, das sich zusammenzog und wieder ausdehnte ließ mich zusammenzucken.
Doch das klappernde lautstarke Zufallen einer Tür, ließ mich dafür vollkommen erschrocken in meiner Bewegung innehalten.

Auf das Zuschlagen der Tür folgten einige Gesprächsfetzen, von denen ich nur die besonders laut gebrüllten Beleidigungen verstehen konnte.
»Sohn einer Mistgeburt!«
»...dieser Kultwichser!«
»Sag uns wo er ist!«

Obwohl ich einige Meter entfernt war, hielt ich den Atem an.
Da draußen standen zwei stockbesoffene Jugendliche und fluchten sich die Seele aus dem Leib, während vor der Tür des Trailers ein Mann in den Vierzigern stand. Bewaffnet mit einem Baseballschläger.
Ich konnte ihn kaum erkennen, nur die bärenartige Statur erahnen, die mich, wenn ich einer der Jungs gewesen wäre, zum sofortigen Rückzug gebracht hätte.

So leise wie nur möglich presste ich mich an die Wand und schob mich Stück für Stück voran, bis ich die Tür einen Spalt weit öffnen und ihre Unterhaltung besser verfolgen konnte.
»Verzieht euch!«, rief er und dabei klang seine Stimme genauso kraftlos, wie ich mich fühlte.
Seine Hände hielte den Baseballschläger eng umschlossen, aber an seiner Haltung konnte ich erkennen, dass er nichts weniger wollte als ihn als Waffe zu missbrauchen.

»Dann sag uns verdammt noch mal, wo er ist.«, forderte ihn der Kräftigere von beiden auf, doch als der Mann den Baseball in die Höhe ragen ließ, suchten sie das Weite.

Der Mann ließ den Schläger schlaff zu Boden fallen. Auf das blecherne Geräusch als er auf den erdigen Boden traf, folgten seine wimmernden Laute.
»Verzieht euch...verzieht euch einfach.« Er klang den Tränen so nahe, dass ich mich augenblicklich zurückzog.
Das war ein emotionaler Ausbruch der unendlichen Trauer und ich war nicht berechtigt dazu, ihm beizuwohnen.

Möglichst geräuscharm schloss ich die Tür wieder und hievte mich notgedrungen zum Bett.
Die Bettdecke war ohne meinen wärmenden Körper kalt geworden und verpasste mir eine unangenehme Gänsehaut, die sich die ganze Nacht nicht legen würde.
Ich zwang mich dazu meine Augen zu schließen und nötigte meinen wirren Verstand, endlich damit aufzuhören, schreckliche Bilder zu produzieren.
Ich würde noch früh genug herausfinden, was geschehen war und ich musste meine dürftigen Kraftreserven zurückbringen, um dafür genügend Ausdauer zu haben.

𝐄𝐈𝐍𝐄𝐍 𝐄𝐑𝐇𝐎𝐋𝐒𝐀𝐌𝐄𝐍 𝐒𝐂𝐇𝐋𝐀𝐅 fand ich in dieser Nacht nicht.
Dafür wachte ich schweißgebadet auf, nachdem mich jener besagte Alptraum in eine so feste Umarmung gezogen hatte, dass ich glaubte nie wieder erwachen zu können.

Erinnern konnte ich mich an so gut wie nichts, nur das Antlitz einer furchterschreckenden Gestalt stahl sich immer mal wieder vor meinen geistigen Horizont.
An ihr war nichts Menschliches mehr, bis auf die stechenden Augen, die nach einem neuen Opfer Ausschau hielten.
Nach mir Ausschau hielten?
Am wenigsten menschlich waren ihre Klauen, die sie nach mir ausstreckten und danach lechzten, mich zu holen.

 Nach mir Ausschau hielten?Am wenigsten menschlich waren ihre Klauen, die sie nach mir ausstreckten und danach lechzten, mich zu holen

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

Irgendwann raubte mir die Müdigkeit erneut das Bewusstsein und ich schlief wieder ein.
Aufwachen tat ich dann gegen Vormittag.
Wie zuvor sehr unsanft, in dem mich der Aufprall mehrerer Steine am Fenster aufschrecken ließ.

𝐖𝐎 𝐃𝐀𝐒 𝐆𝐄𝐒𝐓𝐄𝐑𝐍 𝐍𝐈𝐂𝐇𝐓 𝐌𝐄𝐇𝐑 𝐒𝐄𝐈𝐍 𝐊𝐀𝐍𝐍【𝚔𝚊𝚜】Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt