Kapitel 10 - "tell me"

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Ich werfe meinen Helm auf die Couch, als Coyote und ich in den Gemeinschaftsraum laufen.

Durch den Funk, bei dem alle Anderen mithören können, erfahre ich, dass im Moment schon die Nächsten am Himmel sind.

"We are the Champions, my Friends....", singen Coyote und ich während unseres High Fives.

Phoenix springt auf uns zu und nimmt uns in den Arm: "Das war der Wahnsinn!"

Ich lache und nicke euphorisch: "Ich weiß nicht, es war so viel auf einmal, ich hab es einfach getan."

Ich grinse und sehe zu Hangman auf einen der Sessel neben dem Whiteboard. Verdammt, das kann ich mir wirklich nicht verkneifen: "Das kennst du doch, oder? Es einfach tun?"

Ich äffe bedacht seinen Tonfall nach.

Hangman verdreht die Augen auf eine sympathische Weise - ausnahmsweise. Er steht auf, geht zu mir und streckt die Hand aus: "Respekt Donesh."

Ich lächle und schlage ein. Geht doch.

Phoenix gibt Coyote ein High Five und als sie wegtreten, kann ich weiter in den Raum hinein blicken und sehe Rooster. Er stellt seine Wasserflasche auf dem Tisch vor ihm ab und kommt auf mich zu. "Du warst gut."

"Danke.", lächle ich.

Es folgt eine peinliche Stille, in der er zu überlegen scheint, was er tun soll, doch dann ertönt die Durchsage: die Nächsten müssen sich umziehen.

"Viel Glück.", sage ich. Er nickt mir zu und holt seinen Overall. Während Rooster also seinen Spind durchwühlt, nimmt mich Coyote in den Schwitzkasten und zieht mich zu sich.

Wir lachen beide, weil er mit seiner Faust über meine Haare reibt.
Unglaublich viele Strähnen lösen sich dadurch aus meinem Dutt.

Unverzüglich erinnert mich das an meine Kindheit - mein Bruder hat damals immer das Gleiche getan.

Ich kann mich irgendwie befreien. Dann lacht Coyote auf und gibt mir einen freundschaftlichen Klaps auf meine heile Schulter: "Wir zwei werden diese Mission fliegen, Flame. Das muss die klar sein. Schaff schon mal Platz auf deiner Uniform für ein weiteres Abzeichen." 

Als Rooster - Klamotten und Helm fest in beiden Händen - an uns vorbeigeht, will ich ihn aufhalten - ihm vielleicht noch ein paar Tipps geben - doch dieser sieht stur geradeaus.

Sein Kiefer ist leicht angespannt.

Phoenix, die schon geflogen ist und um ein paar Sekunden versagt hat, nimmt mich nun am Arm und sagt: "Komm. Wir ziehen uns jetzt das Massaker rein, das gleich da oben geschieht."

Auf die Sekunde genau streife ich mir mein Hemd über und geselle mich wieder zu den Anderen im Gruppenraum. Ich höre, wie Maverick sich aus Roosters und Hangmans Kanal ausklingt und die Beiden miteinander sprechen.

"Bin ich zu spät?", frage ich Phoenix, die mit beiden Ellenbogen am Schreibtisch lehnt. Ihr WSO Bob steht neben ihr und schüttelt den Kopf.

"Gerade richtig, sie passieren gerade die Lichtschranke.", antwortet sie. Ich stelle mich zwischen die Beiden und höre gebannt zu. Meine Arme verschränke ich unbeholfen, da meine Schulter höllisch schmerzt. Ich muss danach unbedingt einen Arzt aufsuchen. Ich glaube nicht, dass sie ausgekugelt ist - immerhin würde ich dann nicht mehr so locker hier stehen können - aber etwas anderes stimmt mit Sicherheit nicht.

Wir werden Zeuge von Roosters angestrengtem Keuchen und wie er Hangman darum bittet, die Geschwindigkeit zu drosseln. Bitten ist eine Untertreibung, er schreit ihn quasi an.

Phoenix und ich sehen einander an, sie runzelt die Stirn - Rooster sollte wissen, dass sie eigentlich einen Zahn zulegen sollten.

1 Minute und 18 Sekunden zeigt die Stoppuhr an, während die Beiden noch nicht einmal bei der Hälfte angelangt sind.

Plötzlich geht es drunter und drüber. Während Hangman unbeteiligt neben Maverick und Rooster herfliegt, finden sich die Beiden in einer Abwärtsspirale Richtung Boden wieder. Ein tödliches Cobra-Manöver. Keiner der Beiden kann es sich leisten hochzuziehen, da sie sonst im Visier des Anderen enden.

Mavericks rauschendes Brüllen ist im Funk zu hören: „Wie tief willst du sinken, Junge?"

Rooster keucht: „So tief wie Sie, Sir. Und das mag was heißen!"

Was zur Hölle meint er damit?

2000 Fuß. 1400 Fuß.

Weiter rauschen sie hinab.

Ich kann mir ausmalen, wie die technischen Systeme in den Boxen der Beiden rebellieren, um sie zum Hochziehen zu animieren.

Phoenix und ich teilen einen adrenalingeladenen Blick.

Und schließlich ist es Rooster, der hochzieht. Jetzt sind sie auf 300 Fuß Flughöhe und Rooster jagt Maverick hinterher.

Und während Hangman gerade ebenso schockiert seine Klappe gehalten hat, mischt er nun wieder dazu.

"Mach schneller, Rooster!", ruft er und das erste Mal muss ich ihm zustimmen, doch bevor ich Phoenix antippen kann und fragen will, wieso Rooster nicht endlich den Treibstoffverbrauch erhöht und es einfach tut, höre ich das Signal.

"Das kann es nicht sein...", murmelt Bob. Ich kneife die Lippen zusammen und schüttele dann den Kopf: "Mav hat Rooster getroffen. Er ist raus."

"Fuck.", sagt Phoenix.

*

Einige Minuten später sehen Phoenix und ich Rooster durch die Fenster dabei zu, wie er auf dem Vorhof die 200 Push-Ups streng absolviert. Selbst als Hando ihm sagt, dass er es nun gut sein lassen kann, spuckt er trotzig auf den Boden und macht weiter.

Payback schüttelt den Kopf: "Eigentlich müsste das Hangman sein."

"Ist er aber nicht.", antwortet Phoenix, "Und jetzt wisst ihr ein Bisschen mehr über Rooster."

Was will sie damit sagen? Was wissen wir über ihn? Es scheint mir, jeder kenne ihn besser, als ich.

Das Team sitzt still im Gruppenraum und wartet auf die Rückkehr der Beiden. Alle wissen, dass solche Leichtsinnsfehler nicht passieren dürfen. Schon gar nicht bei diesem Kaliber von Mission.

Als nach einer halben Stunde endlich die Tür aufgeht, springt Phoenix auf und geht auf Rooster zu. Sie scheinen intensiv miteinander zu sprechen, Roosters Haare sind schweißnass und er schmeißt seine Sonnenbrille frustriert auf die Kommode. Phoenix scheint ihn beruhigen zu wollen.

Ich will zu Hangman laufen und genau wissen, was das Problem war, doch Fanboy und Payback kommen mir zuvor. Da ich keinen belagern will, bleibe ich einfach stehen.

Als Phoenix Rooster einen liebvollen Schulterklopfer gibt, gehe ich auch zu ihm. Ich sage vorerst nichts. Rooster öffnet seine Weste und streift sie ab.

Sein Overall ist klitschnass. So extrem schwitzt man beim Fliegen nun auch wieder nicht. Hatte er eine Panikattacke da oben oder was in Gottes Namen ist passiert?

"Vielleicht kannst du eine Dusche nehmen, um dich zu beruhigen.", sage ich und meine es gut.

"Hatte ich auch vor.", ist die eiskalte Antwort, die ich bekomme.

Im Vorbeigehen schubst er mich sachte, doch aber bestimmt, mit seiner Schulter weg.

Dummerweise genau an meiner Verletzung. Ich stöhne ganz leise auf, weil ich nicht will, dass er bemerkt, wie weh er mir getan hat.

Ich fasse mit der Hand an meine Schulter und werde augenblicklich daran erinnert, sie nun endlich behandeln zu lassen. "Fuck", flüstere ich.

Phoenix dreht sich zu mir um: "Alles okay?"

"Nein, ich glaube ich sollte lieber die Ärztin aufsuchen.", sage ich.

TᴏᴘGᴜɴ - Rᴇᴅ SᴜɴʀɪꜱᴇWo Geschichten leben. Entdecke jetzt