Kapitel 9

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Es ging nicht weg.

Dieses scheiß Kribbeln im Bauch tauchte jedes Mal in Hicks' Nähe wieder auf, vor allem wenn er mich anlächelte. Oder mir in die Augen schaute. Oder mich irgendwie berührte. Einfach immer, wenn er bei mir und er selbst war. So nett, so lieb, so fröhlich. Es ließ mich seufzen und fühlen, als wäre ich eine liebeskranke Charakterin in einem Roman. Ich hasste es. Zum Glück war ich in den letzten zwei Jahren gut im Gefühle verstecken geworden.

Er durfte niemals erfahren, dass ich mich in ihn verknallt habe, und das schneller als ich für möglich gehalten habe. Das würde unsere ganze Freundschaft zerstören, von der Nachhilfe ganz zu schweigen. Wenn meine Oma es wüsste, bei Gott, ich würde nie das Ende davon hören. Nicht einmal meinem Vater habe ich es erzählt, dem ich mittlerweile eigentlich alles erzählte, aber bei Jungsangelegenheiten war er nach wie vor nicht sehr hilfreich.

Es half auch nicht, dass ich jeden Schultag in jeder Stunde neben ihm saß und er dreimal die Woche bei mir zu Hause war und wir zusammen lernten und Stranger Things auf der Couch schauten. Denn, natürlich hat ihm die erste Folge so gut gefallen, dass er es mit mir weiterschauen möchte. Manchmal glaubte ich, er rücke bei jedem Mal näher an mich heran, aber das ist wahrscheinlich nur Wunschdenken. Die Schüssel passte immer noch zwischen uns.

Einmal haben wir, wie in so einer kack klischeehaften Romanze, beide gleichzeitig nach dem Popcorn gegriffen und uns berührt. Meine Hand ist so schnell zurückgezuckt, als hätte er mir einen Stromschlag verpasst. Was er ja auch einigermaßen getan hat, denn er ließ nicht nur meinen Magen, sondern auch die Stellen kribbeln, wo er mich anfasste. Wie er mich dann angesehen hat, oh man, als hätte ich ihm wehgetan. Ich hatte versucht es mit einem kleinen Lachen zu überspielen und sagte »Sorry, ich bin sehr schreckhaft, wenn ich in eine Serie vertieft bin.« Dafür habe ich mich hinterher geohrfeigt, weil es absolut dämlich war.

In seiner Anwesenheit verhielt ich mich immer dümmer, je länger ich verknallt war. Ich bin froh, dass Elsa und Jack noch nichts bemerkt haben, obwohl es manchmal schon offensichtlich war. Anscheinend guckten und hörten sie dann weg, was an einem Tisch mit dem halben Footballteam sehr leicht war. Hicks redete meistens auch nur mit mir in der Mittagspause, weil ich »die Intellektuellste von allen dort sei«, um es in seinen Worten auszudrücken. Er schmiss mit den Komplimenten so um sich, ich war das nicht gewöhnt. Meistens wurde ich rot und stotterte danach, weil mein Körper in seiner Nähe nicht mehr richtig funktionierte. Das fing an zu nerven.

Bis jetzt hatte ich den ganzen September überlebt, ohne dass er es irgendwie merkte. In manchen Momenten hatte er sowieso nur Augen für Stacy, wofür ich ihm gerne eine Ohrfeige verpassen würde. Ich konnte verstehen, dass es nicht einfach war, sich von der ersten richtigen Freundin zu trennen, vor allem wenn man sie fünfmal in der Woche zu Gesicht bekam, aber Stacy ist verrückt und eine Manipulatorin. Zu ihr brauchte er niemals zurückgehen. Sie schien aber auch noch an ihm zu hängen, obwohl sie Schluss gemacht hat, denn sie verfolgte ihn, als hätte er Honig am Hintern kleben.

Somit saßen nicht nur Hicks und ich in der Schulbibliothek, um für den Mathetest am nächsten Tag zu üben, sondern auch Stacy und zwei ihrer Freundinnen. Am Tisch parallel zu unserem. Wenigstens hatten wir den breiten Gang zwischen uns, sonst hätte sie praktisch neben uns gesessen. Ihre Blicke zu uns hinüber entgingen mir nicht, aber Hicks anscheinend schon. Heute war wohl ein Tag, an dem er nicht an ihre gute Seite dachte, die sie nur ihm zu zeigen schien. Oder er war zu sehr in sein Mathebuch vertieft. Beides war mir recht, so lange er sie nicht anschaute.

Ist das jetzt Eifersucht, die da spricht?, fragte ich mich. Natürlich versetzte es mir einen Stich, wenn er mit seinen Augen in der Cafeteria nach ihr suchte oder kurzzeitig nicht ansprechbar war, weil er an sie und ihre gemeinsame Zeit dachte, aber war ich schon so weit, darauf eifersüchtig zu sein? Immerhin läuft zwischen uns nichts und wird es wahrscheinlich auch nie, denn wie man unschwer erkennen kann, sieht er mich nicht so, wie ich ihn. Wie kann ich da eifersüchtig sein?

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