Kapitel 32

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Ich wusste nicht, ob ich noch atmete. Bewegen tat ich mich auf keinen Fall, sonst würden sie mich vielleicht noch bemerken. Sah ich dort wirklich Brandon und Hicks? Mein Gehirn schien es nicht ganz zu verarbeiten, geschweige denn es zu verstehen. Was zur Hölle haben die beiden miteinander zu besprechen? Woher kennen die sich überhaupt? Was machte Brandon auf dem Schulgelände? Er hatte seinen Abschluss längst und war zudem auf eine andere Schule gegangen. Trafen sie sich öfter hier hinten, wo sie keiner sieht? Ich hatte so viele Fragen, auf die ich keine logischen Antworten hatte. War ich auf einmal in einem schlechten Film gelandet? War dies der Moment, in dem ich herausfand, dass Hicks eine Wette mit Brandon am Laufen und mich deshalb nur benutzt hat?

Nein, das würde er niemals tun. Ich glaubte nicht, dass er ein schlechter Mensch war und sich die ganze Zeit nur verstellt hat. Er mochte mich wirklich, er wollte mit mir zusammen sein. Wenn er jetzt sein Geld am einkassieren wäre, würde er sicherlich erfreuter aussehen, nicht so grimmig und genervt. Er schien das Gespräch also nicht zu mögen oder zu wollen, warum redete er dann mit Brandon, meinem verdammten Ex-Freund? Seinem dämlichen Grinsen nach zu urteilen lief es so ab, wie er es wollte. Er wollte Hicks sauer machen, aber wofür? Er sagte irgendwas zu ihm, was ihn nur noch wütender machte. Brandons Grinsen vergrößerte sich, man konnte nun seine hässlichen Zähne sehen.

Ich weiß nicht, wie lange ich die beiden beobachtete, aber irgendwann klopfte Brandon Hicks provozierend auf die Schulter und verschwand. Hicks blieb weiterhin dort stehen, starrte ihm wütend, so wütend wie ich ihn noch nie gesehen habe, hinterher und hatte die Hände zu Fäusten geballt. Ich hielt mich weiterhin an der Seite der Tür versteckt und wartete, was er tun würde. Nach ein paar Minuten ließ er seine Schultern sinken, öffnete seine Hände und schüttelte seinen hängenden Kopf. Ergab er sich? Was hatte Brandon zu ihm gesagt, dass er so niedergeschlagen aussah?

Ich hatte nicht viel Zeit sein Verhalten zu analysieren, denn er bewegte sich auf einmal in die Richtung, in die Brandon gegangen war. Er verschwand um die Ecke und ich wartete ein paar Sekunden, bevor ich durch die Tür trat und ihn verfolgte. Er hatte mich angelogen, er hatte nichts holen müssen. Würde er jetzt nach Hause gehen, so wie er es mir gesagt hatte, oder war das auch eine Lüge, die Teil seines Planes für was auch immer war? Ich musste es herausfinden.

Er verließ das Schulgelände durch das offen stehende Tor und bog rechts ab. Normalerweise, wenn er den Schulbus verpasst hat, würde er an der Haltestelle, die nur ein paar Meter entfernt war, in einen Linienbus einsteigen, aber heute lief er daran vorbei. Er ging also wirklich nicht nach Hause. Mein Magen fühlte sich an, als hätte jemand Steine hineingelegt. Ein Kloß hing in meinem Hals, aber ich würde mir jetzt nicht erlauben, dass sich Tränen in meinen Augen sammelten. Warum lügst du mich an?

Er schien mich nicht zu bemerken, also folgte ich ihm weiter, blieb dabei immer eine Straßenlänge hinter ihm. Er lief durch den Bezirk, als wüsste er den Weg auswendig, als wäre er ihn bereits hunderte Male gelaufen. Wo gehst du hin?

Nach zwanzig Minuten bog er rechts ein. Zuerst dachte ich, es sei eine weitere Straße, aber als ich selbst vor der Gabelung stand, erkannte ich den frei geschaufelten Schotterweg des kleinen Parks, der zum Krankenhaus gehörte. Was wollte er hier? Ich folgte ihm weiter, vielleicht war es nur eine Abkürzung, vielleicht fütterte er die Enten und Schwäne hier, aber er hielt nicht an. Am Ende sah ich mich vor dem Haupteingang des Krankenhauses wieder. Hicks ging gerade durch die automatischen Glasschiebetüren hinein und schien sich meiner Gegenwart nicht bewusst zu sein. Ich ging schnell zum Eingang und sah ihm dabei zu, wie er in einen der Fahrstühle stieg. Nachdem sich die Türen geschlossen haben, trat ich ebenfalls ein und lief zu den Fahrstühlen. Bei dem, in den er gestiegen war, war eine fünf zu sehen. Zum Glück hingen hier immer Pläne, die zeigten, auf welcher Etage welche Station ist.

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