Für einen Moment dachte ich darüber nach, die Tür nicht zu öffnen. Das erste Mal seit langer Zeit, wollte ich ihn nicht sehen. Er wusste nicht, dass ich ihn verliebt war und er mir mein Herz herausgerissen hat, aber es tat so verdammt weh zu diesem Zeitpunkt. Wie viel konnte ich noch einstecken, bevor ich explodierte und es ihm ins Gesicht schrie? Das mit Stacy gestern war schon fast der letzte Tropfen gewesen. Was kam als nächstes?
Er schrieb mir, dass er vor der Tür stand. Er würde nicht weggehen, das wusste ich. Sobald er merkte, dass ich mich anders verhielt, würde er mit mir darüber sprechen wollen. Deshalb stand ich auf, atmete tief ein und ließ ihn mit einem Lächeln ins Haus. »Sorry, war auf Toilette.«
Er schenkte mir dieses spezielle Lächeln, auch wenn es ein wenig seinen Glanz verloren hat. »Alles gut.« Er stellte seine Schuhe an ihren Platz und folgte mir ins Esszimmer. »Heute gibt es aber denke ich nicht viel zu tun.«
Ich blieb neben meinem Stuhl stehen und drehte mich zu ihm um. Er stoppte ebenfalls und musterte mein Gesicht. »Also, weil wir die Hausaufgaben bereits fertig haben und von dem Stoff der elften Klasse nicht mehr so viel übrig ist. Nur noch den Zweiten Weltkrieg, ein wenig über Mexiko, Evolution und die restlichen Vokabeln in Spanisch.«
Ich nickte. »Ja, ich weiß.« Damit wandte ich meinen Blick ab, setzte mich und schlug mein Spanischbuch auf.
Er blieb noch einige Sekunden verwirrt stehen. »Ist alles in Ordnung?« Vorsichtig setzte er sich neben mich. Ich schaute zwar ins Inhaltsverzeichnis, konnte aber im Augenwinkel erkennen, dass er mich ansah.
»Ja«, antwortete ich knapp.
Während ich nach der richtigen Seite suchte, starrte er mich weiter an. Er holte nicht seine Sachen raus, bewegte sich keinen Millimeter. Seine Augen wanderten nur mein Profil auf und ab. Als ich die Einleitung zum Mexiko Abschnitt gefunden habe, seufzte ich und drang mich, ihn ebenfalls anzuschauen. »Holst du deine Unterlagen raus, damit wir anfangen können?«
Er ignorierte mich. »Was ist mit dir los?«
»Nichts«, sagte ich.
»So hört es sich aber nicht an.« Wie gesagt, er würde nicht locker lassen.
»Ich hab nichts, könntest du-«
»Wenn nichts wäre, wärst du nicht so komisch.«
»Ich-«, sagte ich, stoppte mich aber. Dieses Gespräch würde ich jetzt nicht anfangen. Daher suchte ich mir die erstbeste Lüge. »Ich habe nur einen schlechten Tag, okay? Könntest du bitte deine Sachen rausholen?«
Er musterte mich. »Ist es wegen gestern?«
Mein Herzschlag lag mir wieder im Hals. Ich hatte gestern zu Hause noch gehofft, dass Stacy gelogen hat, aber anscheinend war das nicht der Fall. Er hatte es gewusst, er hatte ihr Bescheid gegeben, wo ich war. Ich musste wegsehen, sonst wäre ich in Tränen ausgebrochen.
»Ja«, sagte ich mit zittriger Stimme, was ich hoffte, würde er nicht bemerken.
Er atmete tief aus. »Es ist nie leicht das Grab zu besuchen. Fühlt sich an, als würde man sie wieder verlieren.«
In meinem Hirn ratterte es. Er sagte nichts zu Stacy? Ernsthaft? Oder war meine Hoffnung doch nicht umsonst gewesen? Wusste er es nicht?
»Was meinst du?«, fragte ich langsam.
»Dass es zwar leichter wird, weil man weiter lebte, aber jedes Mal, wenn man vor dem Stein steht und die Inschrift liest, ist es wie am ersten Tag. Man wird daran erinnert, dass sie vor dir unter der Erde liegen und nie wieder zurückkehren. Dass sie nie wieder durch die Haustür laufen und du ihre Stimme nie mehr hören wirst. Das nimmt einen mit und kann die Stimmung ziemlich kippen. Ich verstehe also, warum du heute so bist.«
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Ein Tutor zum Verlieben
Fanfic[𝔹𝕖𝕖𝕟𝕕𝕖𝕥] |ʜɪᴄᴄsᴛʀɪᴅ ᴀᴜ ғᴀɴғɪᴄᴛɪᴏɴ| Nachdem ihre verhasste Biolehrerin ihr größtes Geheimnis der ganzen Klasse offenbart hat, findet sich Astrid Hofferson beim Schuldirektor wieder. Doch sie ist nicht die einzige, kurz später kommt einer ihre...