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KAI

Als Yuna den Ablauf fertig erklärt hatte, gingen sich die Anderen umziehen und ich machte mich mit Yuna auf den Weg, über das stillgelegte Zuggelände. Zwischen den Zügen, die noch immer auf den Gleisen standen, ließen sich sicher coole Szenen drehen. In einer Art Gasse zwischen zwei Zügen war Yuna zufrieden und ging zurück, um die Jungs zu holen. Ich setzte mich auf das Dach und schloss die Augen. Der Dreh kostete mich schon jetzt unglaublich viel Kraft. Namjoon – Yuna – Tae – allen hatte ich weh getan und doch wollten sie mich dabei haben. Verstehen tat ich es nicht, aber es machte mir ein noch schlechteres Gewissen, als ich eh schon hatte. Als ich Schritte im Kies knirschen hörte schlug ich die Augen auf und sah nach unten. Alle trugen ähnlich einfache Klamotten wie ich und es stand ihnen, was mich aus irgendeinem Grund überraschte. Yuna winkte mich herunter und wartete, bis ich hinunter kletterte, doch ich machte es mir einfach und sprang vom Dach hinunter. Onkel Felix hatte mir mal beigebracht, wie man, ohne sich zu verletzten, von einem hohen Gegenstand sprang und ich erschreckte regelmäßig meine Jungs damit. Auch jetzt sah ich, wie Tae erleichtert ausatmete, als ich in der Hocke landete und aufstand. Yuna nahm meinen Auftritt einfach zur Kenntnis und begann, uns unsere Plätze zuzuweisen. Dann begannen wir mit einer Probeszene, die Yuna nach ein paar Sekunden abbrach. „Tae! Namjoon! Kai! Reißt euch zusammen! Die Gruppenszenen sind eigentlich die, wo ihr glücklich sein solltet. Ich weiß, dass dem momentan nicht so ist, aber bitte. Tut wenigstens so, als ginge es euch gut. Wir sind mit den Probetakes fast durch." Sie sah uns bittend an. „Okay, Sorry. Nochmal von vorn." Namjoon nickte, drehte sich um und ging zurück auf seine Startposition. Wir Anderen folgten ihm. Im umdrehen berührte ich kurz seine Hand, so dass er zu mir sah. „Ich bin hier. Mach dich bitte nicht verrückt, ja? Wir sind für Yuna hier. Um ihren Wunsch zu erfüllen." Er nickte wortlos und die Szene begann von Neuem.

In der Mittagspause setzten wir uns mit unserem Essen auf einen der Züge und genossen die Sonne. Tae hatte einen Arm um Yunas Taille gelegt und sie lehnte an seiner Schulter. Wie gern würde ich jetzt auch hier so sitzen. An Namjoons Schulter gelehnt, von seinem Duft umhüllt und seinem Arm beschützt. Doch ich konnte es nicht und das war auch gut so. „Wie geht's dir?" fragte Jin seine kleine Schwester, die kurz stockte. „Eigentlich geht's. Klar wäre ich viel lieber bei euch im Dorm, aber eure neuen Songs, Save me und I need U, sie helfen mit total nicht zu verzweifeln." Sie lächelte leicht. „Lässt – Lässt er dich noch immer in Ruhe?" Ich sah sie durchdringend an. Sie wusste, dass sie mich nicht belügen durfte, wenn ich die so ansah. „Naja. Abends eher nicht. Wenn er getrunken hat und seine Fußballmannschaft verloren hat -" Sie zog ihren Hoodie ein Stück nach oben und entblößte unzählige Hämatome und Wunden. Ich drehte mich weg. „Ich hol dich da raus. Versprochen", hörte ich Tae sagen und schluckte. „Ich glaube, wir sind alle fertig. Wollen wir weiter machen?", sagte Yoongi und strich mir im Aufstehen über die Schulter. „Ja. Ich will heute noch mit Namjoon und Tae die Szenen an der Tankstelle mal versuchen. Da brauch ich noch jemanden, der Auto fahren kann." Jin nickte ihr zu. „Okay danke dir. Ihr Anderen – wir sehen uns morgen." Wir sammelten unser Essen ein, dann trennten sich unsere Wege.

TAE

Als ich abends in meinem Bett lag, klopfte es leise und Jimin trat ein. Ohne ein Wort zu sagen, legte er sich neben mich auf mein Bett und zog mich in eine Umarmung. „Wofür hat sie das verdient? Sie hat nichts getan!" Mir traten schon wieder Tränen in die Augen. „Sie hat das überhaupt nicht verdient. Selbst wenn sie irgendwas gemacht hätte. Sie hat einfach nur Pech. Verdammt großes Pech TaeTae." Er sah zu mir. „Diese Wunden -" „Heilen wieder. Ganz bestimmt. Mach dir darüber keine Gedanken." Ich schüttelte den Kopf. „Ich rede nicht davon. Wer weiß, ob sie noch immer die selbe Yuna ist, wenn wir sie irgendwann wieder zurückbekommen."

NAMJOON – ZWEI TAGE SPÄTER

„Sehr gut, Bruderherz! Wir haben es!" Yuna klopfte ihrem Bruder auf die Schulter, der ihren Arm festhielt und sie zu sich zog. „Danke dir." Sie lächelte. „Kein Problem. Wir machen mit dir weiter, Tae. Pass auf. Du hast noch zwei Soloszenen. In einer, sitzt du mit ein paar Bierflaschen draußen und trinkst einfach nur einen Schluck und in der anderen Szene ziehst du erst einem Typen eine Glasflasche über den Kopf und erstichst ihn dann." Tae lachte ungläubig auf. „Ich soll was?! Dein Ernst, Schatz?" Yuna nickte. „Ich bin übrigens dein Opfer und Yuna ist auch mit in der Szene", bemerkte Kai mit einem Seitenblick zu Yuna, die nickte. „Warte was?" Hoseok kicherte und sagte leise „VerwirrtesTae.mp4" zu Jimin, der vor Lachen auf die Knie ging. „Pass auf. Ich erklär es dir. Die Story ist eigentlich relativ simpel. Du hast deine Freundin, Yuna, verloren. Deshalb trinkst du. Die Szene drehen wir morgen. Irgendwann machst du dich auf die Suche nach Yuna und findest sie, mit ihrem jetzigen Freund, mir, streitend. Ich will sie schlagen aber du gehst dazwischen und ziehst mir eine Glasflasche über den Kopf. Ich werd sauer und geh auf dich los, worauf du austickst und Yuna rächst. Du stichst mir mehrmals ein Messer in den Bauch und bringst mich um. Als du realisierst, was passiert ist, sackst du an der Wand zusammen und weinst. Mehr nicht." Tae schüttelte den Kopf. „Nein. Ganz sicher nicht. Auch wenn es vielleicht gespielt ist, ich ramm dir ganz sicher kein Messer in den Bauch. Vergiss es." Kai biss sich auf die Lippe und sah kurz zu Yuna, die genau so angespannt war, wie wir alle. „Tae – es ist okay. Ich hab alles mit dem Stuntman durchgesprochen. Ich weiß, was ich machen muss, um mich nicht wirklich zu verletzen. Die Flasche ist aus Fiberglas und das Messer fährt die Klinge in den Griff ein, wenn du "zustichst"." Kai ließ Tae nicht aus den Augen, der sichtlich mit sich rang. Dann griff er nach seiner Hand und wiederholte „Es kann nichts passieren." Tae sah seinem Bruder in die Augen. „In Ordnung. Ich machs. Unter zwei Bedingungen." Kai nickte. „1. Kai, du suchst dir, wenn wir mit dem Videodreh fertig sind, eine Gruppe, mit der du zukünftig Musik machst. Ich kann das nicht mehr mit ansehen, wie du dein Talent versteckst. Und 2. - komm nach Hause. Bitte" Mein Blick schoss von Kai hinüber zu seinem Bruder. Warum tat er das? Tae merkte meinen Blick und schüttelte kaum merklich den Kopf. „Zum Ersten sag ich jetzt noch nichts, aber zu 2. - Tae, du weißt, dass ich das nicht kann." Tae hielt ihm wortlos die Flasche hin. Sein Blick sprach für sich. „Stuntszene und meine Bedingungen, oder keine Bedingungen und keine Stuntszene. Sprich, Videodreh kaputt." Kai seufzte. „Lass ihn, Taehyung. Wir finden eine andere Lösung", sagte ich und zuckte zusammen, als Kais harter Blick mich traf. Er tat weh. „Nein. Ich nehme die Bedingungen an. Ich frag Sejin mal, wann er einen Termin frei hat, dass ich mit ihm über eine Gruppe reden kann. Und Freitag bin ich wieder bei euch. Versprochen."

TAE

Als die Flasche auf Kais Kopf zersprang, zuckte alles in mir zusammen, doch ich spielte verbissen weiter. Der Take war bisher so gut und ich wollte ihn nicht kaputt machen. Kai griff nach meinem Hals und wollte zudrücken, doch ich war schneller und stach ihm mit dem Messer in den Bauch. Wieder und wieder, bis er zusammenbrach. Dann taumelte ich bis hinter die Kamera, die noch eine Aufnahme von der geschockten Yuna machte, ließ mir Blut auf die Hände und mein Shirt schmieren und sackte, als die Kamera zu mir drehte, an der Wand zusammen. „Gut, passt", sagte Yuna im nächsten Moment und Kai ergriff meine Hand um mir aufzuhelfen. Als wir den Take angesehen hatten, zog Yuna uns beide in eine Umarmung. „Er ist perfekt, Jungs. Wirklich. Ich bin stolz auf euch." Yuna lächelte zu mir hoch und ich gab ihr einen Kuss auf die Nasenspitze. „Wir machen jetzt ne Pause, bis es dunkel wird und dann filmen wir noch Kais Szenen, wo er verprügelt wird. Ich hab jemanden gefunden, der dich professionell verhauen wird."


BLACK SWANWo Geschichten leben. Entdecke jetzt