Hallo ihr Lieben,
ich melde mich zurück aus dem Sommerloch... Ich habe in den letzten Wochen so viel Zeit mit der Fertigstellung von "Rabennacht" verbracht, dass die Liebe zwischen Tilda und ihrem Tristan leider etwas zu kurz gekommen ist... ich hoffe, ihr könnt es mir verzeihen...
Die gute Nachricht ist: Natürlich werde ich die beiden nicht hängen lassen und in den nächsten Wochen alle weiteren Kapitel veröffentlichen! Ihr könnt gerne einen Kommentar dalassen, was ihr euch wünscht. Viel Spaß damit!
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Der Sommer wurde zum besten Sommer in Tildas Leben. Wann immer er konnte, stahl sich der Tod fort aus seiner zwielichtigen Existenz und leistete ihr Gesellschaft. Gemeinsam verschwendeten sie ihre Zeit in Cafés, aßen Eis in der heißen Sonne, tanzten durch regennasse Straßen und tobten durch zerwühlte Betten. Sie hielten Händchen in schmalen Gassen, küssten sich auf Parkbänken und gingen erneut ins Kino, um den Film doch noch zu beenden. Das Kribbeln in ihrem Magen war ein ständiger Gast, wenn der Tod bei ihr war. Wenn er sie berührte, spürte sie beinahe einen elektrischen Schlag, so viel Energie herrschte zwischen ihnen. Und egal, wie viel Zeit sie in ihrem kleinen, mit Büchern vollgeladenen Schlafzimmer verbrachten, die Energie schien nie zu schwinden.
Tilda liebte es, Zeit mit ihm zu verbringen. Es fühlte sich so natürlich an, so selbstverständlich. Das Gefühl kannte sie nur bei sehr wenigen Menschen. Normalerweise brauchte sie viel Zeit für sich, musste nach langen Gesprächen erst einmal das Weite suchen, um einen Moment die Ruhe und ihre eigenen Gedanken genießen zu können. Aber mit dem Tod war das anders. Sie konnte es nicht erklären, aber er fügte sich nahtlos in ihr Leben ein. Er engte sie nicht ein, stahl ihr keine Zeit und brachte keine Unruhe mit sich. Es fühltes ich leicht an, mit ihm zusammen zu sein, beinahe schwerelos.
Überhaupt war ihre Romanze immer federleicht, solange sie zusammen waren. Sie sprachen nicht über seine Natur, sein Wesen oder gar über seinen Chef, sprachen nie über die Zukunft, nahmen das Wort mit „L" nicht in den Mund. Gänzlich verschlossen sie die Augen vor der Realität und träumten den Sommernachtstraum noch etwas länger. So blieb ihre Romanze unverfänglich, war nicht mehr als ein Schmetterling, der sich in der Sommersonne wärmte. Es fühlte sich an wie ein Urlaub in der Realität, der irgendwann zu Ende gehen musste. Aber in dem man jeden Moment genoss und restlos auskostete.
Schwer wog ihre Romanze erst, wenn Tilda allein waren und genug Zeit zum Nachdenken hatten. Dann kamen Zweifel auf, ob es wirklich klug war, sich so tief und so bedingungslos einzulassen. Ob die federleichte Freude es wert war, bald so erbarmungslos enttäuscht zu werden, wenn ihre gemeinsame Zeit abgelaufen war? Ob die wunderbaren Momente nicht zu viel Sehnsucht erzeugten, die niemals befriedigt werden konnte? Aber jedes weitere Treffen zwischen ihnen wischte alle Zweifel fort, immer wieder. Ganz so, wie ein kräftiges Sommergewitter den Blütenstaub.
So wurde aus dem Sommer allmählich Herbst und während die ersten Stürme über das Land fegten, war ihre Romanze noch immer da. Die gemeinsame Zeit war noch immer nicht aufgebraucht. Leicht wie ein Schmetterling saß sie auf einer Fensterbank und reckte ihre Flügel immer dann in die Sonne, wenn diese noch etwas Kraft übrighatte. Doch die Tage waren gezählt: Der Winter stand schon vor der Tür.
Mit niemandem hatte Tilda über ihre Romanze gesprochen, außer mit Selma und Claudia. Aber ihnen gegenüber erwähnte sie nur so wenig, wie sie konnte, im Kreuzverhör am Kantinentisch. Beinahe an jedem Tag versuchten ihre beiden Arbeitskolleginnen sie zu überreden, dass ihr Liebhaber sie an der Arbeit abholen sollte. So, dass sie sich ein Bild von ihm verschaffen konnten. Tilda lächelte nur. Wusste sie doch ganz genau, dass die beiden ihn schneller wieder vergessen würden, als dass sie sich ein wirkliches Bild von ihm verschaffen konnten. Seine Magie würde ihnen jegliche Erinnerungen rauben und sie würden das Gespräch am nächsten Tag vermutlich genauso wieder führen. Also spielt sie auch hier auf Zeit, denn die Zeit spielte gegen sie: Noch einige Wochen, dann war ihre Romanze vorbei und das Thema hatte sich erledigt. Dann waren wieder andere Themen an der Tagesordnung, die in der Mittagspause besprochen werden mussten.
Wem Tilda nichts von ihrer Romanze erzählt hatte, war Tante Ilse. Und das war äußerst ungewöhnlich. Denn nach dem frühen Tod ihrer Eltern, war Tante Ilse ihre gesamte Familie gewesen: Sie war wie Mutter, Vater und Schwester für sie, verrückte Tante, peinlicher Onkel, großzügige Großtante... alle Rollen hatte sie auf einmal erfüllt, all die Jahre. Und von ihr war es auch, dass sie diese skurrile Gabe geerbt hatte, Geister sehen zu können. Wie sie Tante Ilse als Teenager dafür verflucht hatte! Was hätte sie dafür gegeben, diese Gabe wieder loszuwerden? Aber jetzt... jetzt war sie dankbar. Hatte die Gabe ihr schließlich zu einer ungewöhnlichen Romanze verholfen. Und genau aus diesem Grund wagte sie es nicht, mit Tante Ilse darüber zu sprechen. Denn mit ihrem exzellenten Gespür für das Übernatürliche würde diese den Braten sofort riechen. Sie würde den Tod beschnuppern, ihn genauestens mustern und Tilda dann im Nachhinein mit ihrer Meinung konfrontieren. Und genau davor hatte Tilda Angst. Sie hatte Angst davor, dass Tante Ilse sie für diese verrückte Romanze verurteilte, ja sie sogar schalt.
Aber Tante Ilse wäre nicht Tante Ilse gewesen, wenn sie Tildas Geheimnis nicht schon längst gerochen hätte. So blickte sie sie eines Sonntags beim Abendessen lange an und sagte schließlich so unverhofft, dass sich Tilda an ihrem Kloß verschluckte:
„Bring ihn doch einfach mit zu meinem Geburtstag. Ich will nicht ewig warten, bis du ihn mir vorstellst."
Eine Weile hustete Tilda laut, trank etwas Wasser und musste sich erst von Tante Ilses Kommentar erholen. Dann zuckte sie mit den Schultern, ihr Gesicht tiefrot gefärbt.
„Ich kann ihn ja mal fragen." Tante Ilse nickte.
„Das ist ein Anfang, Liebchen. Ist er denn so hässlich, dass du ihn mir nicht zeigen kannst?" Beide kicherten wie zwei Teenager, dann schüttelte Tilda mit dem Kopf.
„Nein, eigentlich nicht. Eigentlich sieht er ziemlich gut aus. Er hat nur die ein oder andere... sagen wir... Besonderheit."
„Na, da machst du mich aber neugierig. Wo hast du ihn denn getroffen, über Tinder?" Es war kaum möglich, aber ihre Gesichtsfarbe wurde noch roter.
„Seit wann kennst du Tinder?", fragte sie.
„Nicht ablenken", antwortete Tante Ilse, die den Braten natürlich gerochen hatte. Tilda überlegte, wie sie das am besten formulieren sollte. Doch ihr fiel so schnell keine Ausrede ein.
„Weißt du... es ist eine eher ungewöhnliche Geschichte. Ich erzähle sie dir bei Gelegenheit. Nur nicht heute." Damit gab sich Tante Ilse zufrieden, aber den gesamten Abend über spürte Tilda immer wieder ihren skeptischen Blick, der nichts Gutes zu bedeuten hatte.
So hatte Tilda schließlich zu Ende gegessen, den Nachtisch verschlungen und den Kräutertee zum Abschluss leergetrunken. Dann war sie aufgestanden und hatte sich von Tante Ilse verabschiedet. Sie wollte nicht, dass es Tante Ilse ihr ansah, aber sie musste raus. Raus aus ihrer Wohnung, raus aus ihrer Gegenwart. Sie brauchte Zeit allein, Zeit in ihrem Kopf, Zeit zum Denken und Grübeln. Denn Tante Ilses Bitte hatte sie ganz plötzlich und unerwartet in eine tiefe Sinneskrise gestürzt. Während sie im sterilen Licht des Treppenhauses die Stufen herunterhastete, immer begleitet vom Duft nach Bleiche, Waschmittel, Sauerkraut und Staub, prasselten die unangenehmen Gedanken bereits auf sie ein. Denn nach so vielen Wochen der zuckersüßen Verdrängung war sie nun auf Umwegen doch am Scheideweg angekommen:
Stehen bleiben oder weiter gehen? Sackgasse oder Autobahn? Hölle oder Himmel? Gar nicht oder ganz? Stürmische Romanze oder zarte... Liebe? Ach, es war zum Haare raufen! Wann war alles wieder so kompliziert geworden?
Sie lief schneller durch die dunkle Nacht, ließ einige Bahnstationen aus, um in Bewegung zu bleiben, damit die Gedanken sie nicht einholen konnten. Noch immer hatte sie keine Lösung gefunden. Denn Tante Ilses Geburtstag, so unspektakulär er auch war, würde ein Schicksalstag für sie werden. Entweder sie brachte den Tod mit und entschied sich für eine ungewisse Zukunft mit ihm, oder sie ließ ihn zuhause und verabschiedete sich innerlich von ihm. So oder so war eine Entscheidung notwendig. Sie musste getroffen werden. Koste es, was es wolle.
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Tilda und der Tod | ✔️
Paranormale„Hast du ein Handy?", fragte der Tod sie plötzlich. So plötzlich, dass er sie aus den Tiefen ihrer Tagträume riss. Sie nickte. „Warum?" „Gibst du mir deine Nummer?" Röte stieg in ihre Wangen, so schnell, dass sie es nicht verhindern konnte. Um sie...