Kapitel 5: Ein besonderes Mädchen

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Kapitel 5
Ein besonderes Mädchen
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Müde lasse ich mich auf Mums Couch nieder. Ich reibe mir meinen Bauch. Wenn es Burger gibt, kann ich mich nie zurückhalten. Nun bin ich so voll, dass ich ein Verdauungsschläfchen gut gebrauchen könnte. Ich halte mir die Hand vor, als ich herzhaft gähne. Nachdem ich mich gestreckt habe, mache ich mich breit und lege meine Füße hoch. Ein kleines Nickerchen könnte ich mir auf jeden Fall erlauben.

„Da braucht wohl jemand einen Kaffee."
„Ja", stimme ich müde zu.
„Schlaf nicht ein, du schuldest mir noch eine Geschichte", ermahnt Mum mich. Ich öffne ein Auge und sehe ihr nach. Sie verschwindet schnell aus meinem Blickfeld und ich schließe mein Auge wieder. Brummend kuschle ich mich an eines der Kissen.
„Geschichte? Was für eine Geschichte?", frage ich nach.
„Ich will wissen, wie dein Treffen mit diesem Mädchen war. Ihr habt euch doch getroffen oder nicht? Wie war ihr Name?", antwortet sie mir etwas lauter.
Schon beim Gedanken an Ilaria muss ich wieder lächeln. „Ilaria."
„Ilaria", wiederholt Mum, vermutlich, um es sich einzuprägen.

Ich atme tief durch. Mein Nickerchen hat sich wohl erledigt. Schwerfällig setze ich mich auf, um nicht doch noch einzuschlafen. Heute fühle ich mich verdammt gerädert. Als hätte mich jemand überfahren und dann den Rückwärtsgang eingelegt, um mich noch ein weiteres Mal zu überfahren. Geschafft reibe ich mir das Gesicht.

„Hier, bitteschön." Mum stellt zwei Tassen auf den Couchtisch und setzt sich dann zu mir.
„Danke."
„Und? Wie war euer Date?", erkundigt Mum sich neugierig.
„Wir haben uns dreimal getroffen."
„Dreimal in einer Woche? Sie gefällt dir wohl sehr, hm?"
„Ja", antworte ich ein wenig verlegen. „Abgesehen davon hatte sie diese Woche noch frei. Morgen ist ihr erster Arbeitstag im neuen Job."
Mum nickt. „Was habt ihr so angestellt?"
„Am Montag waren wir essen. Eigentlich wollte ich mit ihr Burger essen gehen, aber wir haben telefoniert und sie hat mir erzählt, dass sie Pescetarierin ist, also habe ich ihr sofort ein anderes Restaurant vorgeschlagen. Das hat ihr gleich viel besser gefallen."
Mum rührt ihren Kaffee um, ich tue es ihr gleich. „Und das ist okay für dich? Du wolltest keine Frauen mehr mit eingeschränkten Essgewohnheiten. Hast du es dir wieder anders überlegt?"
Ich winke ab. „Pescetarier sind okay. Bei ihr weiß ich, dass ich sie mit Fisch und Meeresfrüchten begeistern kann." Mir gehen sofort einige Frauen durch den Kopf, die es mir viel schwerer gemacht haben als Ilaria. „Weißt du, Mum, es ist so: Mir ging es eher darum, dass ich einer Frau nicht mehr dabei zusehen will, wie sie ihr Essen wiegt, bevor sie es mit angewidertem Gesichtsausdruck isst." Nachdenklich runzle ich die Stirn. „Ich will auch nicht mehr dabei zusehen, wie jedes Gericht, das auf dem Teller landet, seziert und dann genauestens begutachtet wird. Das verdirbt mir den Appetit."
Mum kichert amüsiert. „Die jungen Mädchen übertreiben diesen Diätwahnsinn."
„Oh, es sind nicht nur die jungen Mädchen, Mum." Ich schüttle den Kopf. „Die Frauen Ende 30 sind mindestens genauso verrückt. Nach der gescheiterten Ehe wollen sie in Topform sein und machen die verrücktesten Diäten, um Pfunde zu verlieren, die sie gar nicht haben." Genervt rolle ich mit den Augen. „Da weiß man gar nicht, was man machen soll, wenn man sie zu sich nach Hause einlädt. Wie soll ich eine Frau bekochen, wenn sie eigentlich nur rohes Gemüse isst und an Eiswürfeln lutscht?"
Mum fängt an zu lachen. „Und Ilaria?"
„Ich glaube, dass ihr ein all-you-can-eat-Restaurant gut gefallen würde."
„Ach?", fragt sie überrascht, dabei zieht sie ihre Brauen hoch.
Ich schnaube bei der Erinnerung an unser erstes Date. „Ja, am Montag hat sie viele verschiedene Gerichte bestellt und mich dann mit der Hälfte von allem gefüttert."
„Clever", meint Mum. „Wenn du vollgegessen bist, kannst du ihr nicht davon laufen."
Überrascht sehe ich Mum an, dann fange ich an zu lachen. „Bis jetzt habe ich noch keinen Grund gefunden, davonzulaufen. Im Gegenteil. Ilaria hat Humor, sie ist wunderschön und auch sehr nett und ich denke, dass sie mich wirklich mag." Mum lächelt zufrieden. „Am Donnerstag waren wir im Kino. Sie hat sowohl am Montag im Restaurant, als auch im Kino ihren Teil der Rechnungen übernommen, anstatt sich darauf zu verlassen, dass ich bezahle. Außerdem hat sie sich einen Film angesehen, der nicht unbedingt in ihr Genre fällt." Ich hebe meinen Zeigefinger, um das Folgende deutlich zu betonen. „Und sie hat sich nicht beschwert. Einige Szenen haben ihr sogar gefallen."
„Klingt, als wäre es eine gute Idee gewesen, an ihren Tisch zu gehen und sie anzusprechen."
Lächelnd nicke ich. „Ja, das war es. Am Freitag haben wir zusammen gekocht."
„In deiner kleinen Küche?", fragt Mum nach.
„Nein, wir waren bei ihr. Das war ein richtig nettes Date", antworte ich. „Sie wohnt nicht weit von hier. Vallejo Street. Ihre Wohnung ist zwar etwas gewöhnungsbedürftig, passt aber zu ihr."
„Du machst mich neugierig." Mum trinkt von ihrem Kaffee, dabei sieht sie mich weiterhin an.
„Sagen wir es so: Ich kann mir jetzt ungefähr vorstellen, wie es ist Arielle zu daten."
Mum hält sich die Hand vor den Mund. Sie schluckt ihren Kaffee, bevor sie lacht. „Hat sie sich die Haare mit einer Gabel gekämmt, als sie dir die Tür geöffnet hat?"
„Nein", antworte ich ihr amüsiert und puste dann vorsichtig in meine Tasse, ehe ich einen kleinen Schluck nehme. „Aber jetzt, da du es erwähnst. So unwahrscheinlich wäre das gar nicht. Ich würde es ihr zumindest zutrauen, eine Gabel zu verwenden, nur um dann über meinen Gesichtsausdruck lachen zu können."
„Ich kenne sie zwar nicht, aber sie gefällt mir jetzt schon", antwortet Mum mit einem leichten Grinsen.
„Mir auch", stimme ich ihr zu, ehe ich weitererzähle: „Ilaria liebt das Meer und hat wohl schon viele Strandszenen gemalt. Ein paar davon hängen in ihrer Wohnung. Und alles andere schreit förmlich nach Meerjungfrau. Die Muschelsessel sind zwar kitschig, aber ziemlich bequem." Ich stelle meine Tasse wieder ab. Mein Kaffee ist noch zu heiß, um ihn trinken zu können. Ich gestikuliere, um meine nächste Beschreibung zu verdeutlichen. „Sie hat mir auch voller Stolz ihr Schlafzimmer gezeigt. Über ihrem Bett hängt ein Fischernetz mit Lichterketten und Muscheln. Ja, also, alles in allem ist ihre Wohnung sehr kitschig, aber sie könnte einen viel schlimmeren Tick haben." Ich ziehe einen Mundwinkel hoch. „Es ist niedlich, wie sehr sie sich darüber freut, ihr erstes Apartment ganz für sich alleine zu haben."
„Wie alt, sagtest du, ist sie?"
„24." Mum nickt nachdenklich. „Ist gerade noch okay, eine jüngere Frau würde mich gar nicht interessieren. Ilaria weiß bereits, was sie möchte, das gefällt mir. Außerdem ist sie ein klein wenig verrückt. Aber nicht unheimlich-verrückt, sondern charmant-verrückt."
„Charmant-verrückt? Was hat sie denn getan?"
„Bei unserem ersten Date hat sie zwei Muscheln geklaut, um daraus Schmuck zu basteln."
„Sie hat was?", fragt Mum amüsiert. „Ist eigentlich keine schlechte Idee, die werden ohnehin weggeworfen."
„Ja, das dachte ich mir im Nachhinein auch, aber für den Moment, war das ziemlich unerwartet und verrückt. Es gefällt mir, dass sie anders ist, als die Frauen, die ich sonst so treffe. Das ist mal etwas Neues." Bei dem Gedanken an Ilaria muss ich wieder breit lächeln.
„Das Mädchen hat dir ja ganz schön den Kopf verdreht", stellt Mum fest. Sie legt ihre Hand an meinen Oberarm und streichelt mich. „Ich freue mich für dich."
„Ich mich erst", antworte ich grinsend.
„Du hast nicht zufällig ein Foto, das du mir zeigen könntest?"
„Klar", antworte ich. „Du willst bestimmt ein jugendfreies Bild, hm?"
„Killian!", gibt sie streng von sich.
Obwohl ich weiß, dass sie mich nie schlagen würde, gehe ich in Deckung. „Das war ein Witz. Die sind alle jugendfrei." Ich ziehe mein Smartphone aus meiner Hosentasche und suche dann das Selfie, das Ilaria von uns beiden gemacht hat. „Hier."
Mum nimmt mein Smartphone an sich und betrachtet das Foto einige Sekunden. „Wow, sie ist wirklich sehr attraktiv. Und diese großen Augen. Sie hat ein hübsches Puppengesicht." Sie wirft mir einen Blick zu, den ich im Augenwinkel bemerke. Ich konzentriere mich auf das Foto. „Ein schönes Mädchen, keine Frage." Mum gibt mir das Smartphone zurück. „Und ihr trefft euch wieder?"
Ich nicke eifrig. „Ja, so bald wie möglich." Ich räuspere mich, bevor ich weiterspreche: „Wenn das Wetter es zulässt und wir die Zeit finden, würde ich sie gerne mit zum Strand nehmen. Das gefällt ihr bestimmt, außerdem könnte es sein, dass sie von der Muse geküsst wird und Inspiration für ihr nächstes Gemälde bekommt."
Mum kichert. „Vielleicht wirst sogar du von der Muse geküsst." Sie tätschelt meinen Oberschenkel. „Es ist schön zu sehen, dass es dir wieder besser geht. Das Lächeln steht dir viel besser, als dieser grimmige Gesichtsausdruck." Ich werfe meiner Mum einen verurteilenden Blick zu. „Genau dieses Gesicht meinte ich." Sie lächelt mich an, lange kann ich also nicht ernst bleiben.
„Ja, schon gut, ich weiß. Das ist eben mein Gesicht, ich kann nichts dafür."
Mum erhebt sich von der Couch. „Ich habe etwas, das dich bei Laune hält. Hast du schon Platz für etwas Süßes? Ich war bei Bob's."
„Für Donuts ist immer Platz", antworte ich ihr grinsend.
„Das dachte ich mir. Willst du noch einen Kaffee?"
„Ja, wirf die Maschine an, dann schaffe ich es vielleicht bis nach Hause, ohne ins Koma zu fallen."

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