Kapitel 26
Ein Care-Paket voller Liebe
· • ✤ • ·Das Wochenende ist zum Greifen nahe. In einer Stunde kann ich endlich nach Hause gehen. Zusammen mit einer Kollegin fülle ich gerade die Lücken der Regale. Ich bin müde und mein Rücken schmerzt, außerdem würde ich für einen Kaffee töten.
„Und? Was machst du am Wochenende?", fragt Jasira mich. Sie weiß, dass ich erst wieder am Dienstag arbeiten muss. Sie hat mich gefragt, ob ich morgen ihre Schicht übernehmen kann, doch ich habe abgelehnt.
„Wieso fragst du?"
„Keine Ahnung? Smalltalk?", antwortet sie und greift zu ihrem Messer, um einen Karton aufzuschneiden. „Du redest nicht so viel, da dachte ich, du bist vielleicht schüchtern und brauchst jemanden, der dich anquatscht und ein paar Fragen stellt, damit du locker wirst."
Ich schnaube. „Vielleicht bin ich ein bisschen schüchtern." Für einen Moment überlege ich, doch dann gebe ich mir einen Ruck. So schnell komme ich aus dieser Hölle nicht wieder heraus, warum also nicht mit den anderen gequälten Seelen anfreunden? „Ich hab' morgen einen Auftritt", antworte ich ihr schließlich. „Den zu verschieben ist nicht möglich und wenn ich kurzfristig absage, ist das nicht gut für meinen Ruf."
„Einen Auftritt? Dann bist du Musiker?", hakt sie nach, ehe sie sich einen kurzen Überblick verschafft und dann einen leeren Karton aus dem Regal zieht und gleich in der Mitte durchschneidet.
„Ja, nur leider bin ich nicht besonders erfolgreich." Dose für Dose stelle ich ins Regal. „Sorry, dass ich deine Schicht nicht übernehmen kann. Donnerstag bis Samstag ist das spontan eher schwierig, weil ich jeden Auftritt nehme, den ich kriegen kann."
„Macht nichts, Rafael hat für mich übernommen. Ist schwer in der Musikbranche, hm?", hakt Jasira nach.
„Ja, der Traum ist noch nicht ganz begraben, aber man gewöhnt sich an Enttäuschungen. In den letzten Jahren hat sich mehrmals irgendjemand aus der Branche angekündigt, aber meistens bekommt man in letzter Sekunde eine Absage oder es taucht doch niemand auf, um sich die Bands anzusehen. Heutzutage kann man aber zum Glück selbst Musik aufnehmen, man ist also nicht mehr zwingend auf einen Produzenten angewiesen, auch wenn das die Sache leichter machen würde."
„Was für ein Scheiß. Ich würde es dir oder besser gesagt euch echt gönnen. Kann ich mir deine Musik irgendwo anhören? Spotify vielleicht?"
Ich ziehe einen Mundwinkel hoch. „Klar, wenn du willst. Meine Solo-Musik findest du unter Killian Smith und meine Band heißt Shrimp Attack! Mit einem Ausrufezeichen am Ende."
„Shrimp Attack?", fragt sie sichtlich amüsiert, ehe sie lacht.
„Frag nicht, ich habe keine Ahnung, wieso. Die Jungs haben sich den Namen ausgesucht", antworte ich abwinkend. „Wenn dir die Musik gefällt, kannst du gerne mal bei einem Konzert vorbeischauen. Die Termine auf meinen Seiten sind immer aktuell."
„Klingt gut." Jasira lächelt mich breit an, doch das Lächeln vergeht ihr gleich wieder, als Klemmbrett-Kyle neben uns auftaucht. Seine quietschenden Schuhe verraten ihn schon aus der Ferne.
„Ich höre zu viel Gequatsche und sehe noch zu viele Produkte, die nicht in den Regalen stehen."
Ich ziehe eine Braue hoch und biete ihm einen Deal an: „Du kannst uns gerne helfen, wenn du denkst, dass wir das nicht alleine schaffen."
Klemmbrett-Kyle wirkt überrascht, doch dann schüttelt er den Kopf. „Wenn ihr fertig seid, habe ich noch eine Aufgabe für euch. Jasira, dich brauche ich dann in Gang 17 und Killian, in Gang 13 steht noch eine Palette, die zurück ins Lager muss." Ich nicke und Jasira widmet sich wieder der Arbeit. Klemmbrett-Kyle stolziert noch durch unseren Gang, um zu prüfen, ob wir auch nicht zu dämlich sind, die Waren an ihren Platz zu stellen, ehe er dann doch endlich wieder verschwindet.
„Gott, ich hasse den Kerl", murmelt Jasira vor sich hin, als sie eine Dose in das Regal stellt.
„Ja, kaum gibt man Idioten ein Klemmbrett, wächst ihnen ein drittes Ei", antworte ich, worauf Jasira loslacht. Stolz grinse ich vor mich hin.
„Ich glaube du bist mein neuer Liebling. Du hättest ruhig schon vor Wochen sagen können, dass du lustig bist."
„Nein, dazu war ich viel zu schüchtern."
„Tz, wer's glaubt, Mister Shrimp. So schüchtern kannst du nicht sein, wenn du dich traust, dich auf die Bühne zu stellen und zu singen."
Ich lache über meinen neuerworbenen Spitznamen. „Mister Shrimp?"
„Gewöhn dich daran, ich verteile gerne Spitznamen", antwortet Jasira mit einem breiten Grinsen.
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Apple Pie
Storie d'amore[abgeschlossen] Nach einer langen Nacht im Club beschließt der übernächtigte Musiker Killian, sich einen Kaffee und ein Stück Apple Pie aus seinem liebsten Coffee Shop zu holen. Sein Plan, nach Hause zu gehen, eine Dusche zu nehmen und anschließend...