Kapitel 31: Ein Umschlag voller Träume

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Kapitel 31
Ein Umschlag voller Träume
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Ich muss zugeben, dass ich verdammt nervös bin. So nervös, dass selbst der Gedanke an ein köstliches Steak mich nicht auflockern kann. Ich mache mir Sorgen, dass ich mich blamieren könnte. Vielleicht stelle ich mich vor Nervosität so dumm an, dass Dan sein Angebot zurückzieht. Wenn der heutige Abend nicht gut läuft, dann wird mir nichts Anderes übrigbleiben, als meinen Traum endgültig an den Nagel zu hängen. Diese Enttäuschung würde ich nie wieder verkraften. Ich würde mit meiner Couch verschmelzen und nie wieder aufstehen.

Bevor ich das Restaurant betrete, atme ich tief durch. Für den heutigen Abend habe ich mich schick gemacht. Hemd, Jackett und Stoffhose. Ich habe sogar meine schönen Schuhe ausgegraben. Ich war mir gar nicht sicher, ob ich die noch habe. Die Krawatte habe ich weggelassen, das wäre vielleicht doch zu formell gewesen. Da Ilaria mein Outfit abgesegnet hat, muss ich mir zumindest darum keine Sorgen machen. Jetzt darf ich mich nur nicht dumm anstellen. Ich spüre, dass meine Finger ungewohnt kalt sind, meine Handflächen schwitzen, als wäre ich kurz davor, auf die Bühne zu steigen. Eines Tages werde ich vor Aufregung einen Herzinfarkt bekommen. Dieser Tag sollte nur nicht heute sein, denn die Krankenhausrechnung könnte ich nicht bezahlen.

Am Empfang frage ich nach Dan Black und werde kurz darauf an in einen Nebenraum geführt, vermutlich ist dieser Raum für Privatveranstaltungen gedacht. Mein Hals ist so trocken, dass ich kaum sprechen kann.

„Hey, Killian!", begrüßt Dan mich fröhlich, als er auch schon aufsteht, um mir die Hand zu geben. Auch heute ist er wieder gut gekleidet. Mir fällt sofort die große Uhr an seinem rechten Handgelenk auf. Ich bemerke außerdem, dass wir vollkommen alleine sind. Die restlichen Tische sind unbesetzt. Zur Begrüßung reicht er mir seine Hand, sein Händedruck ist fest, aber angenehm. Mit einer freundlichen Geste bittet er mich, mich zu setzen. „Mach's dir bequem. Willst du einen Drink zum Auflockern?"
Ich setze mich und atme erneut durch. „Nein, ich trinke nicht, aber ein Wasser wäre für den Anfang nicht schlecht." Ich räuspere mich mehrere Male, da meine Stimme nicht so möchte, wie ich.
„Alles okay?", fragt Dan mich. Er greift nach seinem Drink und trinkt einen Schluck. „Du hast doch nichts an den Stimmbändern, oder?"
„Nein, nein, alles gut, ich bin nur verdammt nervös. Mein Hals ist so trocken wie Death Valley."
Dan schnaubt amüsiert, dann schenkt er mir ein Glas Wasser ein. „Du musst nicht nervös sein, Killian. Bleib einfach du selbst und mach dir keinen Kopf. Die Liste, von den Dingen, die du heute falsch machen kannst, ist sehr kurz." Er lächelt mir aufmunternd zu.

Ein Kellner kommt zu uns an den Tisch und reicht uns beiden die Karte, außerdem stellt er eine große Flasche Wasser auf den Tisch. Auch bei ihm lehne ich es ab, etwas zu trinken zu bestellen. Heute reicht mir Wasser.

„Also, bevor wir essen, haben wir noch ein wenig zu erledigen. Normalerweise mache ich das erst nach der Jamsession, aber ich beschleunige das heute. Ich habe einen Standardvertrag hier, den ich dir mitgeben will. Du kannst ihn durch einen Anwalt prüfen lassen und dir mit dem Unterzeichnen Zeit lassen. Ich bin die nächsten zwei oder drei Wochen an der Ostküste und recht schwer zu erreichen, aber wenn du irgendwelche Fragen hast, kannst du sie meinem Assistenten Ryan mailen, der ist ein kleines Arbeitstier und fast immer zu erreichen." Ich greife nach meinem Glas und nehme einige Schlucke. Aus einer Aktentasche nimmt Dan einen Umschlag, den er mir reicht. Immer noch nervös, wenn nicht sogar noch aufgeregter als vorhin, nehme ich den A4-Umschlag an mich. Er ist schwerer, als ich es vermutet hatte. „Wenn dein Anwalt keine Einwände hat, unterzeichnen wir. Eine Jamsession ist aber unbedingt notwendig, bevor wir ein Team zusammenstellen." Er macht eine ausladende Handgeste. „So können wir uns kennenlernen und ich kann abschätzen, mit wem die Zusammenarbeit flüssig laufen könnte. Das ist auch kein Test, du wirst nicht bewertet, da geht es schlicht um die Chemie und die Vibes, also mach dir keine Sorgen darum. Sobald die Musik ins Spiel kommt, werden selbst die nervösen Jungs wieder lockerer und darum geht's hauptsächlich." Mit einem freundlichen Lächeln greift er wieder nach seinem Glas, um zu trinken. Whiskey ist wohl sein Ding.
Ich öffne den Umschlag und ziehe einen Stapel Papiere heraus. Schon der Briefkopf mit dem Logo des Labels lässt mein Herz höherschlagen.
„Das fühlt sich alles noch so unecht an."
Dan lacht. „Manchmal zweifle ich meine Existenz an, so oft wie mir gesagt wird, dass meine Angebote einem Traum gleichen."
Ich schnaube amüsiert. „Soll ich dich kneifen, damit wir sehen, ob du echt bist? Ein Reality-Check würde mir auch guttun."
„Gute Idee", meint Dan amüsiert und wirft dann einen Blick in die Karte. „Warst du schon einmal hier?"
„Ja, ist aber schon eine Weile her, das Geld ist aktuell ziemlich knapp. Ich musste sogar meine Wohnung aufgeben. Das Leben wird immer teurer." Ich lege den Umschlag zur Seite. Wenn ich damit gerechnet hätte, dass ich den Vertrag bereits heute bekomme, hätte ich auch eine Tasche mitgenommen.
Dan sieht von seiner Karte auf. „Was für eine Scheiße. Hast du jemandem, bei dem du unterkommen kannst oder brauchst du Hilfe?"
„Es ist zwar nicht der Schritt, den man mit 30 machen will, aber ich wohne wieder bei meiner Mum. Die meiste Zeit verbringe ich allerdings bei meiner Freundin."
Dan nickt. „Ein Glück, dass man sich immer auf seine Eltern verlassen kann, hm?"
„Ja, meine Mum ist die Beste." Ich studiere die Karte. Ich bin zwar eingeladen und ziemlich sicher, dass es Dan nicht an Geld mangelt, trotzdem bin ich unschlüssig, was ich bestellen soll. Ich möchte nicht gierig erscheinen.
„Bestell dir, was du möchtest. Das Surf'n'Turf soll gut sein, vorausgesetzt du magst Meeresfrüchte."
„Ich liebe Surf'n'Turf, das ist das Beste aus beiden Welten."
Dan grinst. „Als würde man eine Meerjungfrau essen", scherzt er, worauf ich schnaube.
„So habe ich das noch nie gesehen. Den Spruch klaue ich, und bringe ihn, wenn ich mit Ilaria zusammen esse."
„Nur zu." Dan klappt die Karte zu, dann richtet er seinen Blick wieder auf mich. „Deine Freundin ist übrigens sehr nett. Ich habe mich gut mit ihr unterhalten. Sie ist deine größte Fürsprecherin."
„Ja, sie hat mir davon erzählt." Ich ziehe einen Mundwinkel hoch. „Es ist schön, wenn man unterstützt wird, aber mich daran zu gewöhnen ist nicht ganz so einfach."
„Jeder braucht einmal Hilfe. Sie anzunehmen ist nie ein Zeichen von Schwäche, das wird uns Männern immer nur eingebläut", meint Dan, ehe er einen weiteren Schluck trinkt.
„Es ist trotzdem nicht so einfach."
„Meinem Sohn fällt das auch nicht so leicht", antwortet Dan, ehe er mit den Schultern zuckt. „Naja, er wird seinen Weg schon finden und wenn's schiefläuft, dann nehme ich ihn wieder bei mir auf, wenn er 30 wird."
Amüsiert sehe ich von der Karte auf. „Ich weiß nicht, ob ich es gut finde, dass du dich jetzt schon über mich lustig machst."
„Dann wird dir die Klausel, in der steht, dass ich das darf, nicht gefallen", antwortet Dan mir grinsend. Da ich mit der Antwort nicht gerechnet habe, muss ich lachen. Eines muss ich ihm zugestehen, ich bin schon deutlich lockerer und das ganz ohne Alkohol zu trinken.

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