Türchen 21 - Stephen Strange

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𝕿𝖚̈𝖗𝖈𝖍𝖊𝖓 21 𝖋𝖚̈𝖗 Turbopaula 𝖚𝖓𝖉 Corasan202

Am liebsten wärst du schreiend in den Flur gerannt und hättest ihn zur Rede gestellt, doch dafür fehlen dir die Nerven. Du warst am Ende, nicht nur körperlich, sondern auch mental. Den ganzen Tag lang bist du von Einkaufsladen zu Einkaufsladen, von Supermarkt zu Supermarkt gerannt, um möglichst alle Zutaten und die Last-Minute-Weihnachtsgeschenke zu bekommen. Dann war die Metro auch noch so überfüllt, dass du zwei Mal die nächste Bahn nehmen musstest, weil du mit all deinen Tüten einfach nicht mehr reingepasst hättest. Und jetzt, nachdem du alles verstaut, verpackt und fürs Essen angerichtet hattest, ließ Stephen dich sitzen.

Auf 19 Uhr hattest du ihn zu dir eingeladen. Jetzt war es kurz nach acht. An der Art und Weise wie er fröhlich deinen Namen ruft, wird dir bewusst, dass ihm entweder nicht bewusst ist oder es ihn einfach nicht interessiert, dass er dich versetzt hat.

Mit einem Glas Rotwein hast du dich auf die Couch verzogen und probiert, dich mit einem guten Film abzulenken. Im Flur hörst du das Rascheln seiner Jacke und das Klappern der Schlüssel, als er sie ans Schlüsselbrett hängt.  Du hast dir eigentlich fest vorgenommen, am Heilig Abend nicht mit ihm zu streiten, sondern einfach nur das Fest der Liebe zu genießen. Doch je länger er unbekümmert und unschuldig über zwei Räume mit dir redet, desto wütender wirst du.

„Was hast du uns denn leckeres gezaubert?" erkundigt er sich gerade, als er durch die Wohnzimmertür kommt. Seine Haare hängen ihm im einzelnen Strähnen vor dem Gesicht und seine Wangen sind rosig von der Kälte draußen. Am liebsten würdest du dein Handy zücken und den Moment festhalten, doch dafür bist du zu sauer. „Mir habe ich vor einer Stunde einen Hackbraten und Gemüse gemacht. Dein Essen ist jetzt mittlerweile kalt" begrüßt du ihn mit so viel Kälte in der Stimme, dass hier und jetzt ein Schneesturm aufziehen könnte. Damit schnappst du dir dein Weinglas und läufst in die Küche.

Spätestens jetzt war es wohl für ein friedliches Weihnachtsfest zu spät. Du hörst Stephen scharf einatmen, als er dir in die Küche folgt. Schweigend bleibt er im Türrahmen steht und schaut dir dabei zu, wie du zuerst dein Weinglas und danach eine Garnitur an Besteck und Teller in die Spüle räumst. „Du hast noch gar nicht gegessen..." sagt er tonlos, wobei es mehr nach einer Frage, als nach einer Aussage klingt. Trotzdem hast du nicht das Bedürfnis, darauf zu antworten.

Das Wasser ist heiß und verbrennt dir fast die Finger, als du von deiner Wut geleitet das Geschirr abspülst. „D/n? Es tut mir leid, dass ich erst so spät gekommen bin. Im Krankenhaus vergisst man einfach die Zeit. Und die Kinder wollten unbedingt noch eine Geschichte erzählt bekommen" erklärt er dir. Du stockst in der Bewegung. Liebend gerne würdest du ihm das glauben, dich einfach nur umdrehen, ihn umarmen und es dabei sein lassen. Doch es würde sich nichts ändern, rein gar nichts.

„Stephen" seufzt du und greifst nach dem Geschirrtuch. „Wir wissen doch beide, dass das so nicht stimmt. Wenn du pünktlich hättest sein wollen, wärst du es auch gewesen. Du hast eine Uhr, verwende sie doch verdammt nochmal. Ist es wirklich so schwer an einem Abend im Jahr zeitig zu Hause zu sein? Vor allem wenn du weißt, dass ich hier auf dich warte. Aber nein, stattdessen verbringst du Heilig Abend lieber im Krankenhaus bei deiner Christine" wirfst du ihm vor. Aufgebracht hast du dich zu ihm umgedreht. Er starrt dich überrascht und fassungslos an.

„Christine? Du weißt dass ich sie nicht lieb-". Du unterbrichst ihn. „Lüg' mich nicht an, Stephen. Damit machst du es nur schlimmer". In seinen Augen liegt etwas Flehendes. „Bitte, d/n. Lass uns nicht an Heilig Abend streiten" bittet er dich. „Du kannst mich mal mit deinem bescheuerten Weihnachtsfest" zischt du zurück. Irgendwie ist auch bei dir der Weihnachtszauber verflogen...

Vor Wut aufgebraust stellst du das Weinglas auf die Anrichte. Dabei lässt du dich so von deinen Gefühlen leiten, dass das Glas mit so viel Schwung auf die Keramik prallt, dass es aus deiner Hand in tausend Stücke zerbirst. Fassungslos starrst du erst auf den Scherbenhaufen vor dir, dann auf den kleinen blutenden Schnitt in deiner Hand und schließlich zu Stephen, der zusammengezuckt ist.

Besorgt macht er einen Schritt auf dich zu, doch du schüttelst nur den Kopf. „Lass mich" murmelst du und läufst in Richtung Badezimmer. Vermutlich nicht nur aufgrund des brennenden Wundsprays fängst du fast an zu weinen. Der Schnitt ist nicht sehr groß, so dass ein normales Pflaster reicht. Stephen wartet auf dich vor dem Bad und schaut dich besorgt an. „Es ist nicht schlimm, der Schnitt ist nur oberflächlich" beruhigst du ihn.

Er atmet tief ein und aus, bevor er näher kommt und dir vorsichtig eine Strähne aus dem Gesicht streicht. „Ich liebe Christine nicht" flüstert er dir zu. „Wir reden, wenn du ehrlich mit mir bist. Aber dafür musst du erstmal ehrlich mit dir selbst werden" seufzt du und entziehst dich seinen Berührungen.

Du verziehst dich in dein Schlafzimmer, wo du dich in einen gemütlichen Jogginganzug wirfst und ins Bett liegst. An Schlaf ist aber natürlich nicht zu denken. Du hörst erst wie Stephen draußen die Scherben zusammenkehrt und dann, wie er auch das zweite Gedeck wieder in den Schränken verstaut. Dann hörst du ihn nach kleinen Dosen suchen, damit er das übriggebliebene Essen auf morgen aufheben kann. Irgendwann ist Ruhe und du meinst das Wasser im Bad laufen zu hören.

Keine 5 Minuten später öffnet sich leise deine Schlafzimmertür und er schiebt sich behutsam in den Raum. Zwar liegst du mit dem Rücken zu ihm, allerdings weiß er, dass du noch nicht schläfst. Trotzdem sagt er leise deinen Namen. Du drehst dich zu ihm um und schaust ihn abwartend an. Die Matratze senkt sich, als er sich vorsichtig darauf setzt. „D-Du hattest recht. Ich habe Christine geliebt. Aber ich ich liebe sie nicht mehr. Zumindest nicht so mehr so sehr, dass es der Rede wert ist". Seine Worte schmerzen, doch du bist froh, dass er endlich komplett ehrlich ist.

„Ja, es kann gut sein, dass ich heute etwas die Zeit aus den Augen verloren habe. Aber weißt du warum ich wirklich zu spät gekommen bin? Mir ist heute Morgen erst aufgefallen, dass heute schon Weihnachten ist und na ja, es ist unser erstes Weihnachten zusammen. Ich hatte einfach vergessen, dir ein Geschenk zu holen. Deshalb bin ich extra früh aus dem Krankenhaus gegangen, doch die Metro ist heute so voll, da ging gar nichts mehr. Damit hatte ich einfach nicht gerechnet. Es tut mir leid." Etwas schuldbewusst schaust du ihn an. Das hattest du nicht gewusst. Aber es ändert nichts daran, dass er dich an eurem ersten gemeinsamen Weihnachtsfest versetzt hat.

„Tut mir leid, das wusste ich nicht" murmelst du leise. Darauf hat er keine Antwort.

Du legst dich hin und ziehst dir die Decke bis zum Hals. Natürlich hattest du vergessen die Heizung aufzudrehen. Abwartend bleibt Stephen auf der Bettkante sitzen. Du wartest einige Momente, bis du auffordernd die Bettdecke hebst und ihm ein erleichtertes Seufzen entweicht. Hastig zieht er sich ein anderes Oberteil an und seine Hose aus, bevor er sich von hinten an dich kuschelt. Seine Wärme tut dir gut, sodass du wohlig seufzt. „Frohe Weihnachten, d/n" murmelt er dir ins Haar und drückt dir einen Kuss auf den Scheitel. Du kuschelst dich etwas näher an ihn und murmelst etwas Unverständliches, doch eingeschnappt bist du schon lange nicht mehr.

Ende Mai und der Adventskalender ist endlich fertig, ein Weltwunder...

𝗠𝗔𝗥𝗩𝗘𝗟 𝗔𝗗𝗩𝗘𝗡𝗧𝗦𝗞𝗔𝗟𝗘𝗡𝗗𝗘𝗥 2022Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt