Puppen atmen nicht

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Jola
„Achtung! H2O!", ruft Jonas als ich von der Toilette zurück in den Aufenthaltsraum komme.
Ich sehe ihn verwirrt an. Kann es sein, dass er sich tatsächlich den Namen von Wasser gemerkt hat?
„Du hast vergessen, deine Hände abzutrocknen", ruft mir ein anderer höhnisch entgegen.
Ich strecke deshalb sofort meine Hände aus, um abzuchecken, ob sie nicht richtig trocken sind. Bis mir auffällt, ich hatte die langen Ärmeln meines Pullovers darüber, sodass die Jungs es eigentlich gar nicht bemerken hätten können. Wenn es denn so wäre, denn meine Hände sind nicht feucht. ich wurde nur mal wieder veräppelt. Sofort beginnen einige mich auszulachen.
Dieser Tag kann einfach nicht mehr schlimmer werden!

Verletzt drehe ich mich um und renne von dem Gelächter davon, in den leeren Klassenraum von vorhin und krieche wieder unter den Lehrertisch. Ich bin nicht einmal in der Verfassung Musik zu hören.
Ich falte meine Hände zusammen und erhebe diese: „Bitte Gott, mach das es aufhört, einfach aufhört"

Nach der Pause bleibt mir allerdings nichts anderes übrig, als zur nächsten Station zu gehen. Wenn ich mich noch weniger normal verhalte als jetzt schon, dann werden die Lehrer es meinen Eltern melden, und wenn das geschieht, bin ich am Ende!
Zumindest sind es insgesamt nur mehr zwei Stationen so weit ich weiß.

Phil Funke
„Phil Funke mein Name", stelle ich mich vor: „Weiß jemand, was wir bei dieser Station machen?"
„Jo, mit Puppen spielen!" ruft ein Junge heraus, woraufhin einige zu Lachen beginnen.
„Da hast du Recht, wir spielen mit der Puppe, genauer gesagt, wir werden sie reanimieren", gehe ich auf seine Aussage ein.
„Geil, ich hab no nie mit Puppen gespielt, das habe ich immer meiner kleinen Schwester überlassen!"
„Na dann wird's Zeit", meine ich und bereite den Defi vor.
„Dürfen wir die Puppe auch umziehen?" wendet ein anderer belustigt ein.
„Ihr dürft ihr den Brustkorb freimachen, reicht das?" antworte ich und bekomme einige Lachattacken zu Hören, worauf ich beschließe, nicht darauf einzugehen.
„Weiß jemand wie das Ding hier heißt?" frage ich stattdessen in die Runde und hebe den Defi in die Höhe.
„Elektronischer Lebensretter!" kommt es von irgendjemandem.
„Naja fast. Defibrillator"

Wenig später stelle ich nochmal eine Frage: „Weiß jemand, wann wir die Reanimation anwenden müssen?"
„Wenn die Person kein Herz mehr hat, also Äh keinen Herzschlag" meint ein Brillenträger.
„Ja genau, aber nur dann. Wird es bei einem bewusstlosen Patienten angewendet, bringt man den Herzrythmus durcheinander"
„Wie wird die Person eigentlich bewusstlos?" fragt jemand anders.
„Ja, gut Frage! Das kann schnell mal passieren. Fix ist, dass im Körper etwas nicht richtig funktioniert, beziehungsweise nicht normal ist, das kann aber auch ungefährlich und nur für kurze Zeit sein. Zum Beispiel passiert es im Sommer schnell bei einem Sonnenstich. Und selbst bei alten Menschen kann es oft geschehen, dass sie umkippen, nur weil sie zu schnell aufstehen oder so.
Wichtig ist jedoch immer richtig zu reagieren. Ihr wisst ja, alles ist besser als nichts zu tun und einfach zuzusehen"
Ich erkläre den Vorgang, Annäherung, Atemkontrolle und Reanimation inklusive 30 Stück regelmäßiger Herzdruckmassage und 2 Stück Beatmung, und erläutere den Umgang mit dem Defi.
Dann überlasse ich das Spielfeld den Schülern.

„Und wie lang müss ma die Puppe wiederbeleben? Bis wieder atmet oder was?!" nuschelt einer der ersten Schüler, die sich zur Reanimation vorbereiten. Ich weiß jedoch, dass seine Frage nicht ernst gemeint ist und um ehrlich zu sein, der Witz hat auch mich erheitert.

Jola
Wieder ist die Station in einer Klasse zu finden. Aber den dunkelhaarigen jung aussehenden Sanitäter habe ich vorhin am Morgen und auch sonst im Laufe des Tages nicht gesichtet. Er scheint trotzdem auch nett zu sein.

Er erzählt irgendetwas während alle zuhören. Außer ich. Denn ich bin beschäftigt, mich irgendwie auf den Beinen zu halten.
Mir ist unnormal schwindlig, alles dreht sich, ich fühle mich gar nicht gut.
Ich fühle mich so krank und will einfach nur mehr ins Bett. Aber ich weiß doch, dass das nicht so leicht geht.

Au, mir ist so übel...  Und die Schmerzen erleichtern mir mein Leben wohl doch nicht so unbedingt.
Oh, bloß nicht umfallen...
Der Sanitäter redet noch immer und weist die Schüler an. Zumindest verpasse ich nichts vom Lehrstoff, weil ich es ohnehin schon weiß.
Langsam verliere ich die Kraft.
Ich kann nicht mehr...

Plötzlich spüre ich den harten Boden unter mir. Ja, ich liege am Boden.
Nach kurzer Zeit komme ich wieder vollständig zu mir. Um mich herum ist alles noch ein wenig unklar, aber ich sehe Schuhe und die Puppe wenn ich meinen Kopf leicht hebe.
Mist Mist Mist, musstest du jetzt unbedingt umkippen?!
„Da ist jemand gerade zusammengebrochen!" höre ich jemanden rufen.
Mein Kopf dröhnt und an meiner Handfläche spüre ich noch immer den Aufschlag am Boden. Trotzdem versuche ich mich aufzurichten, was sich zwar als nicht sehr einfach herausstellt, aber es klappt.
Wieder sind alle Blicke auf mich gerichtet, zum Zweiten Mal heute. Das ist so unglaublich peinlich und unangenehm!
Ich habe schon genug Probleme und jetzt fällt mir nichts besseres ein als einfach umzufallen?!
Meine Schmerzen werden nicht gerade besser.

Phil Funke
Plötzlich stoppten die Schüler und standen ganz still da, was mich sehr irritierte. Alle drehten sich um und dann kam ein Mädchen auf mich zu und erzählte mir von dem vorgefallenen Ereignis: „Da ist jemand gerade zusammengebrochen!"
„Wo?" gebe ich erschrocken von mir und das Mädchen zeigt hinter eine Gruppe Jugendliche. Tatsächlich liegt da ein Mädchen halbaufgerichtet. Sofort eile ich zu ihr und nehme mit ihr Kontakt auf: „Hallo, weißt du was passiert ist?"

Im Dienst (FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt