Samstag

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Jola
Am Samstag Morgen werde ich von Katja geweckt. Sie ist auch die einzige auf der Dienststelle heute, die ich bereits kenne. Der Rest sind neue Gesichter die heute auf Bereitschaft sind.

„Gut geschlafen?", höre ich plötzlich Katja fragen und auf einmal realisiere ich dass ich schon am Frühstückstisch sitze, denn eigentlich sind meine Gedanken gerade wo ganz anders..
„Ja" antworte ich verträumt.
Mein Leben hat sich in den letzten Wochen um so viel verändert.. und ich hinterfrage noch immer, ob das alles gut so war.
Was ist wenn ich alles nur falsch gemacht habe? Meine Eltern mich gerade vermissen? Und ich in irgendein Heim muss?

„Isst du bitte etwas" als ich aufsehe, erkenne ich Katjas besorgten Blick.
„Keinen Hunger"
„Was ist denn los Jola? Du weißt doch du kannst uns vertrauen"
„Ich habe gestern schon genug gegessen"
„Aber man isst doch jeden Tag" erwidert sie mit einem Lächeln.
Aber es stimmt, in letzter Zeit habe ich viel mehr gegessen als sonst immer und meine Eltern würden jetzt sagen, ich sei verschwenderisch..

Plötzlich geht der Alarm an. Zu meinem Glück, denn so entkomme ich dieser unangenehmen Situation!
„Was ist denn passiert?" frage ich voller Neugier, aber werde von allen in der Hektik ignoriert.
„Kann ich also mitfahren?" versuche ich es nochmal.
Diesmal antwortet mir Katja: „Nein wir bringen dich kurz zur Klinik zurück"

Diese Aussage macht mich wütend: „Wieso?! Wenn ich euch vertrauen soll, dann müsst ihr mir auch vertrauen!"
„Jola.. es ist zu deiner eigenen Sicherheit!" argumentiert Katja.
Aber damit bin ich nicht zufrieden!

Enttäuscht betrete ich die Klinik am Südring.
Am Gang der Pädiatrie begegne ich einer blonden Ärztin mit langen geflochtenem Haar: „Du musst Jola sein, ich bin Constanze Herzinger, melde dich einfach wenn etwas ist", meint sie mit einem Lächeln.
Ein „Ja" murmelnd gehe ich an ihr vorbei in mein Zimmer.

Es ist so ungerecht, dass sie mich nicht zum Unfall mitfahren lassen!
Wahrscheinlich wollen sie mich gar nicht bei sich haben..
meine Eltern haben so Recht, ich störe jeden und niemand will mich haben.
Ich wünschte gar, ich wär nicht mehr hier!

! Triggerwarnung! Selbstverletzen

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Ohne viel Nachzudenken suche ich nach einer spitzen Nadel und natürlich gibt es in einem Krankenhaus mehr als genug davon.
Als ich die Nadel fest in meiner Hand halte, versichere ich mich zuerst, dass ich ganz alleine im Zimmer bin und nicht beobachtet werde. Dann setze ich endlich die Spitze an meine Haut und fahre damit quer über meinen Arm. Es hinterlässt einen kleinen roten Strich. Und ich spüre den erlösenden Schmerz.
Nochmal drücke ich mir die Nadel in mein Fleisch.

„Hey! Jola! Hör auf!" nehme ich plötzlich wahr und merke erst jetzt dass Schwester Birgit auf mich zukommt. Ohne es verhindern zu können, hat sie bereits die Nadel weggenommen.

Schwester Birgit
Als mir Constanze kurz gesagt hat im Vorbeigehen, dass Jola hier ist und ich mal nach ihr sehen soll, bin ich dem natürlich nachgekommen.
Nur als ich die Tür öffnete, konnte ich meinen Augen nicht trauen! Wie in Trance stand das Mädchen mitten im Zimmer und verletzte sich mit einem spitzen Gegenstand! Mein einziger Gedanke war, ihr das Objekt wegzunehmen, um die Situation zu entschärfen, damit keine Selbst- oder Fremdgefährdung mehr besteht. Erst danach könnte ich sie beruhigen und versuchen mit ihr zu reden. Aber soweit sollte es gar nicht kommen...
Denn sobald ich ihr den Gegenstand, der sich als Nadel herausstellte, entrieß, schrie sie mich an und wehrte sich so sehr, dass ich sie gar nicht in Kontrolle halten konnte und sie aus dem Zimmer lief.
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Leider rannte sie sofort in den Fahrstuhl ohne dass sie irgendjemand sonst aufhalten konnte.
Da konnte ich nur hoffen, dass sie jemand auf den anderen Stationen abfängt..
ich schrie ihr natürlich noch nach aber natürlich hat sie nicht darauf reagiert!
Und als sie mit dem Fahrstuhl nach oben auswählte, wurde ich stutzig..

Jola
Alle sollen mich in Ruhe lassen!
Als der Fahrstuhl ankommt, renne ich gleich wieder los und betrete als ob ich es geplant hätte ein bestimmtes Zimmer.

„Jola? Was ist los?!" höre ich eine tiefe Männerstimme.
Ich drehe mich um und gehe automatisch auf die Person zu, nur leider breche ich gleichzeitig in Tränen aus.
„Ich will nicht! Ich will nicht!" wimmere ich halbweinend.
„es wird alles gut" vernehme ich und spüre ein Taschentuch in meiner Hand, welches ich dankbar verwende.

Erst Nachdem ich mich ein wenig beruhigt habe, redet mich der Mann wieder an: „Was willst du nicht Jola?"
„Einfach alles"
„Hm.. kannst du mir vielleicht erzählen was passiert ist?" fragt er ganz ruhig nach.
„Also irgendwie ist alles über mich hereingebrochen und und dann naja.."
„Okay verstehe schon... aber Jola könnten wir vielleicht einen Arzt dazuholen, der dir da mal ein Pflaster drauf macht?" fragt er während er ganz offensichtlich meine frischen Verletzungen mustert.
Ich nicke geistesabwesend.. und schon im nächsten Moment steht ein Arzt da und will mich versorgen.
Die beiden Männer bestärken mich auch, dass es ganz gesund ist, das über mich ergehen zu lassen. Zumindest war es nicht tief.

Nachdem ich eine quasi „Therapiesitzung" mit Herr Linz abgehalten habe, weiß ich selbst nicht mehr, was in mich gefahren ist.
Es waren einfach zu viele Ängste und Stress da. Die mir aber nun zu einem großen Teil zum Glück genommen werden konnten, wofür ich Herr Linz wirklich dankbar bin.

Nachher bin ich auf die Pädiatrie zurückgekommen und habe mich bei Birgit gemeldet dass wieder alles in Ordnung ist. Sie haben zwar schon alle zu meiner Überraschung Bescheid gewusst, sie fanden es trotzdem nett und verantwortungsvoll von mir.
Und mein ausgelassenes Frühstück habe ich doch noch mit dem Mittagessen nachgeholt.
Den restlichen Tag habe ich ruhig angehen lassen, indem ich nur Musik gehört und gelesen habe. Diese Entspannung hat auch mal gut getan...

Im Dienst (FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt