Freitag

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Jola
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück werde ich tatsächlich mit einem RTW abgeholt und darf den Tag auf der Dienststelle verbringen. Die Sanitäter meinen sie freuen sich genauso sehr mich wiederzusehen wie ich mich freue. Ich bin nämlich froh sie wiederzusehen, Katja, Birgit und Alex sind hier.
Den ganzen Vormittag bin ich bei meinen Schulsachen gesessen und Katja und Alex sind genau einmal zu einem Unfall gefahren, während Birgit bei mir blieb.
Nur auf Bereitschaft zu sein, kommt mir sehr spaßig vor, zumindest spielen wir dann sogar ein Brettspiel gemeinsam, solange der Alarm nicht losgeht. Und zusammen haben wir wirklich jede Menge Spaß!

Am Nachmittag wechseln sie ihre Schicht und statt Alex und Katja kommen Phil und Marion. Auch die beiden umarme ich sofort mit größter Freude! Nach dem ganzen bin ich schon froh, dass sie mir geholfen haben! Ohne ihnen wäre ich bestimmt schon tot!
Sie sind so nett zu mir und ich wünschte, sie würden zu meiner Familie gehören..

Sollte ich mich nun für diesen Gedanken schlecht fühlen?
Eigentlich ist es doch komplett falsch von mir, denn ich habe meine eigene Familie und sie haben auch alle ihre eigenen Familien..

Bevor mich die Sanitäter aufmuntern können, werde ich ohnehin von dem angehenden Alarmsignal aus meinen Gedanken gerissen.
„Was ist passiert?" traue ich mich vor Neugier zu fragen.
„Hundebiss, Opfer ist ein fünfjähriger Junge" bekomme ich mit als Phil etwas zu Marion sagt.
„Wir bleiben wieder gemeinsam hier, Okay?" lenkt Birgit meine Aufmerksamkeit auf sich.
„Aber ich möchte unbedingt mitfahren, bitte! Ich bin auch ganz brav und sehe nur zu!" bettle ich das Team an.
„Die Ärztinnen haben ausdrücklich verboten, dass du.."
„Bitte! Was soll schon passieren?" ich setze einen glaubwürdigen Blick auf, zumindest denke ich, dass ich es tue, weil ich mich nicht vor dem Spiegel sehe.
„Na gut, du musst aber in dem Wagen gehen, wenn wir es befehlen", gibt Phil nach.
„Was? Wir nehmen sie mit?" meint Marion.
„Ja aber sie hat doch Recht, es kann nichts großartig schlimmes passieren" verteidigt mich Birgit nun auch.

Und schon sitzen wir zu viert im RTW und ich bin überglücklich. Endlich habe ich es geschafft, sie zu überreden! Sie müssen anerkennen, dass das für mich ganz wichtig ist, zumindest möchte ich ja selbst später in der Medizinbranche tätig sein! Aber erst muss ich herausfinden ob als Ärztin oder Rettungssanitäterin.. auch wenn ich bis dahin noch zwei Jahre Zeit habe, mich zu entscheiden. Jetzt habe ich die Chance!

Nach kurzer Zeit sind wir angekommen und halten vor einem Wohnungsgelände.
„Lass uns trotzdem auf jeden Fall vorgehen", meint Marion zu mir. Sie ist einfach zu besorgt..
also gehe ich den uniformierten Sanitätern nach während sie vorsichtig die Tür öffnen und eintreten.

Schließlich sind alle in einer Art Wohnzimmer versammelt. Eine aufgebrachte Frau erklärt Birgit was ungefähr passiert ist. Und die beiden anderen knien sich zu einem am Boden sitzenden Kind.
Sie reden ruhig auf es ein und betasten es zärtlich. Der Junge scheint auch ganz ängstlich zu sein, kein Wunder wenn er von einem Hund attackiert wurde.
Ich wende mich trotzdem an Birgit und die vermeintliche Mutter des Opfers.
„War das der Haushund oder ein fremder?" mische ich mich in das Gespräch ein.
Birgit wirft mir einen warnenden Blick zu, der wohl bedeutet, ich solle mich zurücknehmen, aber beantwortet meine Frage trotzdem nebenbei: „Der Hauseigene"
„Und wo ist der?" frage ich ohne Scham weiter.
Ist es nicht wichtig zu fragen und mitzuhelfen?
„Ja das ist tatsächlich eine gute Frage! Wo ist er denn?" stimmt mir Birgit zu und wendet sich an die schwarzhaarige Frau.
„Na den hab ich weggesperrt" gibt sie wider und führt uns zu einem abgeschlossenen Raum.

Bevor sie die Tür öffnen kann, setzt Birgit zum Reden an: „Ahm ist Ihr Hund geimpft? Tollwut und so?"
Die Frau überlegt kurz und lehnt dann ab.
„Gut dann bitte ich Sie die Tür jetzt geschlossen zu lassen, weil wir Tollwut nicht ausschließen dürfen. War Ihr Hund denn vom Verhalten her aggressiv? Wissen Sie da irgendetwas? Oder hat Ihr Sohn den Hund gereizt?" erklärt Birgit.
„Nein nein wie gesagt habe ich keine Ahnung, ich war zu der Zeit in einem anderen Zimmer, aber ändert Tollwut da irgendwas?"
„Auf jeden Fall, das ist gefährlich.."
„Mist, meine Schwester wird mich umbringen!" unterbricht die Frau.
Birgit braucht sie nur fragend anzusehen und die Frau beginnt sofort zu erklären: „Ich bin eigentlich die Tante und soll auf ihn aufpassen.."
„Dann müssen Sie jetzt Ihre Schwester anrufen!"
„Nein! Das lässt sich bestimmt vermeiden! Das ist doch nur ein kleiner Biss! Mein Hund hat keine Tollwut! Meine Schwester wird so wütend, bitte ich will das nicht!" die Frau wehrt sich total und wird panisch.
Die Situation droht zu eskalieren als die panische Frau absichtlich die Tür zum Hund öffnen möchte.

„Jola, kannst du bitte die mobile Tierrettung alarmieren und den Kollegen sagen, dass Tollwut im Spiel sein könnte? Ich kümmere mich hier!" ruft mir Birgit zu und ich renne gleich los.
Wow, plötzlich werde ich sogar beauftragt zu helfen!
Ich bin froh wenn ich etwas tun kann!

Marion und Phil haben den Jungen bereits einen Zugang gelegt und stabilisiert.
Als ich ihnen den Verdacht auf Tollwut mitteile, sind sie schockiert.
„Wir würden jetzt sowieso zur Klinik am Südring fahren mit dem Kleinen, könntet ihr hier auf die Tierrettung warten und uns dann Bescheid geben?"
Ich stimme zu.
Aber der kleine Junge ist nicht einverstanden: „Ich will zu meiner Mama!", wimmert er immer wieder.
„Die Mutter ist gar nicht einbezogen, die Frau war die Tante", flüstere ich Marion zu.
Sie scheint nicht begeistert, was ich auch völlig verstehen kann.

In dem Moment betreten Birgit Maas und die Tante den Raum.
„Deine Mama kommt so schnell sie kann, ich soll inzwischen mit dir auf die Klinik fahren" meint die Frau und wendet sich dem Kleinen zu.
„Wir konnten das jetzt klären", gibt Birgit weiter.
„Gut, dann fahren wir mal" verkündet Phil.
Aber der Junge beginnt bitterlich zu weinen und auch seine Tante kann ihn nicht beruhigen: „Komm schon Großer, Jungs weinen doch nicht!"
Schließlich macht sich das Team aber mit dem weinenden Jungen auf den Weg. Es gibt keine andere Möglichkeit, im Notfall muss es eben schnell gehen und wir können dem Wunsch des Kleinen nicht nachkommen, auch wenn es für mich ein herzzerreißendes Bild ist. Der Arme ist schon ganz rot im Gesicht vor Schreien..

Im Dienst (FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt