Im dunklen Tunnel

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Phil Funke
Jola und ich reden noch ein wenig über ihre derzeitige Situation. Es freut mich, dass es ihr besser geht! Denn die letzten Male sah sie überhaupt gar nicht gut aus und mir war nur klar, dass dringend etwas unternommen werden musste! Das steht nun an. Neben ihrer körperlichen Befindlichkeit muss ihre Psyche sich regenerieren und das klappt wohl nur, wenn sie nicht mehr zuhause sein muss.
Ich kann trotzdem die Ängste des Mädchens nachvollziehen. Jedoch gebe ich mein bestes, sie davon zu überzeugen wie wichtig der Umzug in dieses Heim ist.
Als hätte ich gerade nicht genug zu tun...

Denn langsam nähern wir uns immer weiter der Unfallstelle und meine Sorgen häufen sich damit bloß.

Jola
Alles was ich weiß, ist, dass wir auf dem Weg zu einem größeren Verkehrsunfall sind.
Die Fahrzeuge vor uns stauen und Hupen. Es geht kaum etwas voran.

Phil, zumindest habe ich seinen Namen so in Erinnerung, wollte mir eigentlich aufzeigen wie wichtig das Heim für mich ist.
Doch ich lege lieber mein Hauptaugenmerk auf den näherkommenden Unfall.

Mein Gegenüber zeigt sich auch sehr angespannt. Zumindest reibt sich der Sanitäter in Uniform unruhig die Hände gegeneinander.
Ich fühle diesen Druck auch zugegebenermaßen.
Da, vor uns, könnten Menschen im Sterben liegen, und wir sitzen noch immer wie faul hier im RTW, ohne irgendetwas tun zu können.

„Verkehrsmarmelade..." seufze ich genervt.
„Was, wie bitte?" fragt Phil und sieht mich verwirrt an.
„Stau im Englischen ist „Traffic Jam" und direkt übersetzt lautet es..."
„...Verkehrsmarmelade"
Nun schenkt mir Phil ein nervöses Lächeln.

Phil Funke
Um ehrlich zu sein, bin ich dankbar dass unsere unbeabsichtigte Passagierin die Stimmung etwas aufgelockert hat. Das macht es zumindest für einen Moment leichter.
Es dauert auch nicht mehr lange und die Autos schaffen es, einen Weg für die Rettungsgasse freizumachen.

Endlich erreichen wir den Einsatzort!
Wir halten an, packen die wichtigsten Sachen und machen uns bereit.

Ich steige aus, nachdem ich Jola sehr ans Herz gelegt habe, im RTW zu bleiben.
Unser Team versammelt sich kurz, um sich genauer abzusprechen. Zeitgleich sehen wir die Polizei und Feuerwehr eintreffen.
Ich gebe dem Team auch sofort bekannt von Jola. Meine Kollegen scheinen nur genauso besorgt zu sein wie ich.

Jola
Alex sieht auch zu mir herein und meint: „Schön im Wagen bleiben, wir können keine weitere Patientin gebrauchen!"
Echt jetzt? Müssen sie sich so übermäßig Sorgen machen? Mir geht's doch sowieso gut! Zumindest in ihrer Nähe fühle ich mich nun gut beschützt.

Schlussendlich entfernen sich alle Leute und verschwinden in den Tiefen des Tunnels. Die Lampen darin sind wohl ausgefallen und ich kann mir vorstellen, dass dies die ganze Sache zusätzlich erschwert. Man sieht nur kleine Scheinwerfer vom Dunkeln umgeben leuchten und ab und zu die Reflektoren der Kleidung von den Einsatzkräften aufblitzen.
Mehr kann ich von hier aus nicht erkennen.

Nach einer Weile stillen Wartens werde ich ungeduldig.
Wie vorhin habe ich das Gefühl nicht einfach hier sitzen zu können, während andere, genau vor meiner Nase eigentlich, um ihr Leben trachten!

Kurzerhand beschließe ich aufzustehen und mich dem Tunnel zu nähern.
Davor steht wie erwartet ein Polizist, um die Straße abzusperren. Er ist aber so beschäftigt, sodass ich heimlich ins Innere des Tunnels gelangen kann.
Sofort steigt mir der scharfe Geruch von Gas in die Nase und das Weinen mit Schmerzensschreien ist kaum zu überhören.
Schön ist es hier nicht.
Wenigstens sehe ich aufgrund der Dunkelheit fast nichts und somit auch keine triggernden Verletzungen.

Es scheint als würden die Einsatzkräfte bereits tief in ihrer Arbeit versunken zu sein und als würden alle Opfer schon von jemanden versorgt werden.
Neben mir bahnen zwei Personen an der Hand eines Sanitäters sich den Weg. Schreckhaft steige ich deshalb weiter zur Seite, damit mich niemand erkennen kann.

Dabei stolpere ich über ein anscheinend loses Teil eines Fahrzeuges oder sowas und falle hin. Nicht schlimm, maximal eine kleine Abschürfung wird an meiner Hand zurückbleiben. Und zum Glück sehe ich wie sich die Leute trotzdem weiter weg begeben.

Langsam rappele ich mich hoch. Plötzlich vernehme ich ein Wimmern und folge dem Grund dafür. Denn wie sich herausstellt liegt vor mir ein Mann mittleren Alters unter einem Fahrzeug begraben. Das kann ich einerseits durch seine Stimme, andererseits durch kurze Lichtblicke erkennen.

Warnung: Darstellung von Verletzungen

„Kannst du mich hören?" spreche ich den Mann an und greife mit meiner Hand nach ihm, um ihn leicht zu berühren.
Meine Finger stoßen allerdings auf etwas schleimiges warmes, was mich zurückschrecken lässt. Ich versuche still zu bleiben, obwohl ich bestimmt einen großen Schreck habe und kreidebleich aussehe. Am liebsten hätte ich aufgeschrien. Doch mir fiel auf, dass das keine gute Idee wäre und ich außerdem einige schreckliche Momente aushalten muss, wenn ich wirklich Ärztin werden wollte. Ich werde den Verdacht nicht los, ich hätte in sein Blut gegriffen. Viel Blut.
Ist er vielleicht schon tot?!
Kopfschüttelnd beantworte ich meine innerlich gestellte Frage. Ähm ne, dann würde er nicht noch immer atmen.

Trotzdem ist die verlorene Menge an Blut mehr als erschreckend, wenn man denkt, wie viel dieser glitschigen Struktur ich gespürt habe.
Noch immer geschockt führe ich meine Hand von dieser Stelle fort und weiter nach oben, wo sein Gesicht liegen müsste. Tatsächlich kann ich einen äußerst leichten Luftzug wahrnehmen, der seine Atmung darstellen sollte. Regelmäßig und gut fühlt sich das aber nicht an. Das dürfte mich allerdings nicht wundern.

Ein Lichtstrahl fällt in unsere Nähe, sodass ich den Mann kurz erkennen kann und auch das Ausmaß seiner Verletzungen bestätigen kann. Ich kann nicht mal feststellen, woher das Blut heraustritt. Es klebt einfach nur überall diese Körperflüssigkeit und bedeckt geschätzt den halben Mann und Teile der Straße sowie der Autoteile, die sowohl unter als auch über ihm lagern.
Hm, ich muss diese Blutung sofort stoppen, schießt es mir in den Kopf. Habe ich überhaupt noch eine Chance?

Liegt er vielleicht deshalb so alleine hier? Haben die Sanitäter ihn schon aufgegeben? Oder dachten sie, er wäre bereits tot? Oder hatten sie ihn einfach nicht bemerkt?
Ich schrecke hoch als mir der Gedanken kommt, es ist nicht die richtige Zeit darüber nachzudenken.

„Ich komme so schnell ich kann wieder! Bleiben Sie hier!" sage ich zu dem Mann, bevor ich mit meinen Augen meinen Umkreis nach einem Arztkoffer absuche.
Der Lichtstrahl bewegt sich wieder von uns weg in eine andere Richtung. Tatsächlich erschwert das das ganze. Denn so tappe ich abermals im Dunkeln.

Trotzdem stehe ich auf und taste mich geschickt vorwärts.
Wieder bewegt sich ein Lichtstrahl in meine Richtung und erhellt mir den Weg. Sofort fällt mir ein Koffer auf, zu dem ich schleunigst renne.
Nach ein paar Hindernissen, die durch herumliegende Autoteile verursacht worden sind, gelange ich endlich zu dem Erste Hilfe Materialien, die meinem Patienten das Leben retten sollten.

Ich knie mich dazu hin und krame in den Sachen. Als ich das benötigte Zeug in der Hand halte, richte ich meinen Blick hoch.
Und ich starre direkt in die Augen einer Person.

Im Dienst (FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt