Heimatlos?

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Jola
Nachdem sie mit dem RTW wegfahren sind, meint Birgit zu mir: „Danke für deine Hilfe!"
Ich antworte mit: „Danke dass ich helfen durfte und Danke für das Vertrauen", was uns beiden ein Lächeln aufs Gesicht zaubert.

Kurz darauf trifft auch schon die mobile Tierrettung ein, die ich zuvor alarmiert habe.
Eine junge Frau und ein Mann informieren sich nochmal bei uns genauer über den Vorfall. Dann versuchen sie vorsichtig die Tür zu öffnen, hinter welcher der Hund eingesperrt worden ist. Sofort kommt eine große Schnauze entgegen, aber die Tierretter haben alles im Griff und drängen den Rüden wieder zurück.

Nach einer Weile öffnet sich die Tür und das Team kommt samt Hund heraus: „Entwarnung für Tollwut, der Hund ist gesund"
Diese Information gibt Birgit gleich weiter und dadurch sind natürlich alle um einiges erleichtert!

Ich betrachte inzwischen den Rüden, es ist ein großgewachsener, schöner, silberner und vor allem schlanker Hund. Vielleicht sogar zu schlank. Außerdem ist sein Fell ganz struppig und zerzaust. Seine Krallen ungeschnitten und als er in meine Richtung guckt mit offenem Maul hechelnd, kann ich feststellen, dass auch seine Zähne in keinem guten Zustand sind.

„Was ist mit ihm los?" frage ich bestürzt.
„Naja Krankheiten weist er keine auf, aber in gutem Zustand ist er auch nicht, er ist total vernachlässigt und macht eher das Bild eines Streuners, so ungepflegt und abgemagert. Sie muss ihn von der Straße mitgenommen haben oder so.." wird mir erklärt.
„Hm aber dann müsste sich die Besitzerin schon längst um ihn gekümmert haben", gebe ich zu Denken.
„Nicht wenn er erst seit heute hier wohnt", meint der Mann in Uniform.
„Nur ist mir diese Unordnung hier auch aufgefallen und das ist ehrlich gesagt schon bedenklich." sagt nun die Frau und öffnet die Tür vor der wir stehen, einen Spalt mehr, damit ich in das Zimmer sehen kann. Tatsächlich schockiert mich dieser Anblick, denn Essensreste, Kleidung, Bücher, Papier und sonstiger Mist ist überall verteilt und zerstreut, alles über einen Haufen geschmissen.
Aber der Rest der Wohnung scheint okay zu sein, nur das eine Schlafzimmer ist eine Unordnung von katastrophalen Ausmaß.

Die Tierretter bitten Birgit gleich nachzufragen bei der Tante, woher der Hund kommt.
„Also, der Hund ist nicht von der Straße, also kein Streuner, sondern er lebt hier seit er Welpe war", erzählt Birgit.
Wir alle werfen uns gegenseitig besorgte Blicke zu.
„Das heißt, hier läuft eindeutig etwas schief", bricht der Tierretter endlich die Stille.
„Hm Ja, aber das werde ich jetzt wohl nicht auch noch übers Handy klären" überlegt Birgit laut.
„Dann würde ich sagen, wir nehmen den Rüden jetzt mal mit und er wird in einer Klinik versorgt. Aber ich befürchte, dass er hier nicht gut aufgehoben ist und im Tierheim landen wird..." meint die Tierretterin.

Als ob das Tier das gehört hätte, wird es plötzlich unruhig und reißt sich los.
Wie wild läuft es durch die Wohnung und versucht die Haustüre aufzubekommen.
Wir sind dem Rüden natürlich sofort nachgelaufen und die Tierretter versuchen sich dem aggressiv bellenden Hund zu nähern.
Als ich höre, dass sie Beruhigungsmittel ins Spiel bringen wollen, werde ich wütend. Der Arme hat doch nur Angst!
Daher renne ich ohne viel nachzudenken zu dem Hund und nähere mich im Anschluss langsam in vorsichtig.

„Jola nicht! Das ist zu gefährlich!", „Jola geh zurück, er wird dich sonst beißen!", höre ich es von hinter mir, aber ich möchte ihren Ratschlägen und Befehlen nicht nachkommen!
Das ist nicht fair! Der Hund ist doch ganz brav!
„Hey alles ist gut, ich tue dir nichts" rede ich mit ruhiger Stimme auf den Hund ein.

Ich komme immer näher an ihn ran und beinahe habe ich ihn erreicht, er macht gar keine Zeichen, dass er mich beißen würde. Die Rufe der anderen sind sowieso schon verstummt.
„Na du bist doch genauso verwahrlost wie ich" sage ich während ich ihm in seine dunklen Augen gucke. Der Hund ist eigentlich richtig süß! Böse ganz und gar nicht!
Den letzten Rest lasse ich ihn nähern und tatsächlich schnuppert er an mir.
Ich strecke vorsichtig meine Hand aus und als ich merke dass er mich akzeptiert, streichle ich ihn.
„Du bist genauso heimatlos wie ich und weißt nicht wo du hingehörst, nicht wahr?"
Zur Antwort setzt er mich nahe zu mir und lässt sich von mir in den Arm nehmen.
„Und du willst doch genauso wenig in ein Heim wie ich!"
Eine Weile verharre ich so mit dem Hund am Boden. Aber dann nähern sich die Tierretter: „Jola wir wissen doch noch gar nichts genaues. Lass uns ihn mal zur Pflege in die Tierklinik bringen, ja?"
Nachdem mich Birgit noch überredet hat, er sei ihn guten Händen, lasse ich den Hund los.

„Ich möchte aber nicht dass er ins Heim muss" breche ich gleich danach in Tränen aus.
Wie gerufen kommt der Hund sofort wieder näher und lehnt seinen Kopf gegen mein Bein, sodass ich doch wieder lächeln muss.
„Jola es geht ihm im Heim sicherlich besser als hier", meint Birgit, „außerdem wissen wir ja noch gar nicht wie es weitergehen soll"

Schließlich müssen wir uns trennen: der Hund wird in die Tierklinik gebracht und Birgit fährt in die Klinik am Südring, wobei sie mich bei der Dienststelle aussteigen lässt. Marion und Phil warten bereits und nehmen mich wieder herzlich auf. Ich erzähle ihnen auch aufgeregt was alles geschehen ist.

Als Birgit dazu kommt, erklärt sie, dass die Frau tatsächlich Probleme hat und ihren Job unterschätzt hat, beziehungsweise nun mit allem überfordert ist und den Hund zu seiner eigenen Sicherheit abgeben möchte. Ich frage mich, ob wir beide jetzt doch ins Heim müssen...

Im Dienst (FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt