╰⊱ eins ⊱╮

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EDEN  

Einfach weiternicken. Einfach nicken. „Mhm, ja", mache ich und nicke weiter, „Das sehe ich genauso", füge ich noch hinzu. Und Scheisse, wie unglaubhaft will ich sein? Trotzdem scheint es meinem Vater nicht aufzufallen, dass ich nicht mehr im geringsten zuhöre.

„Schön. Dann erscheinst du morgen früh bitte um Punkt 7.00 Uhr in der Probehalle"

Mein monotones Nicken wiederholt sich erneut, aber dieses Mal kommt sogar ein schiefes Lächeln dazu. „Klar", sage ich, „Bis morgen früh". Ich will gerade die Wohnungstür schließen, da schiebt er noch einmal seinen Fuß dazwischen und sieht mich eindringlich an.

„Das wird die letzte Chance sein, die ich dir gebe, Eden, verstehst du?"

Einfach weiternicken.

Ich könnte auf seine Worte hören. Jedoch werden Sätze, wenn man sie schon tausendmal gehört hat, irgendwann langweilig. Das ist genauso wie bei Schallplatten, die hängen bleiben und ständig das Gleiche abspielen. Und das so oft, bis man es einfach nicht mehr hören kann. Noch dazu ist es bei ihm nicht einmal Musik, sondern einfach nur seine tiefe Stimme, die mir vermitteln will, wie wichtig es ihm ist, dass ich kein fünftes Mal scheitere und seinen Nachnamen in den Dreck ziehe. Aber was soll ich sagen? Ich habe keine Ahnung, was ich mit meinem Leben anfangen soll. Dass ich kein Anwalt oder Chef einer beschissenen Firma sein möchte, war mir von vorne herein klar. Aber erklär das mal einem Mann, der zwar mit für deine Geburt verantwortlich war, dem es jedoch von Anfang an nur darum ging, wieviel Geld ich verdiene. Ich bin selbst schuld, dass diese letzte „Letzte Chance" darin besteht, für ihn zu arbeiten.

„Ob du das verstanden hast!", schärfen sich seine Worte, als hätte er einen Stock geschnitzt, dessen Spitze er jetzt immer spitzer macht, sodass ich dazu gezwungen bin, zu antworten, damit er sie mir nicht in die Brust drückt. Obwohl ich stark bezweifle, dass er jemals gelernt hat, wie man schnitzt. Und wenn, dann hat es ihm sicherlich nicht gefallen, schon alleine, weil er dabei kein Geld verdient.

„Ja, Dad", murmle ich und nicke ein letztes Mal, ehe die Tür zufallen kann.

Dann ist da nichts mehr. Keine Stimme, die mir irgendetwas einbläut, kein strenger Blick der auf mir liegt. Wenigstens für diese wenigen Stunden. Da ist nur noch die Stille. Eine drückende Stille um mich, während ich den Kopf nach hinten an das dunkle Holz der Tür sinken lasse.

Warum habe ich bloß dieses dämliche Jura-Studium geschmissen? Jetzt muss ich auch noch bei seiner Geheimorganisation mitmachen. Ja, das klingt bescheuert, und man denkt in erster Linie an einen Vater-Mutter-Kind-Spiel-Abklatsch mit Geheimagenten aus dem Kindergarten, ich weiß. Etwas anderes erwarte ich auch nicht.

Einfach atmen. Sage ich mir. Aber die Hoffnung auf eine Besserung meiner Atmung, während sich meine Brust zusammenkrampft, ist ungefähr so mickrig wie meine Lust, morgen um Punkt 7.00 Uhr in der Probehalle zu erscheinen. Ich schließe die Augen.

Was ich so denke? Keine Ahnung. In den schwersten Situationen gehen mir manchmal die komischsten Dinge durch den Kopf. Zum Beispiel denke ich gerade daran, wie es so ist, zu rauchen. Abgesehen von der Tatsache, dass ich rauchen zum Kotzen finde, weil es meine Mutter tat als sie noch am Leben war. Ich brauche kein Mitleid, ich war noch klein als sie starb. Mittlerweile bin ich 21 und habe wie gesagt keinen blassen Schimmer, was ich mit meinem Leben anzufangen habe. Aber vermutlich brauche ich den auch nicht, solange mein Vater das übernimmt.

Ich lasse den Blick durch die Suite wandern. Moderne Möbel, große Fenster, offener Durchgang zwischen einer kleinen Küche und dem Wohnberreich. Kaum Farben, wenn man schwarz und weiß nicht mitzählt. Nur eine Tür zum Badezimmer, eine weitere zum Schlafzimmer existieren, und die Tür, an der ich mich anlehne.

Out of TimeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt