╰⊱ fünfzehn ⊱╮

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ELAINE

Die Stimme meines Vaters hallt noch immer durch meinen Kopf, während er mich herumführt. Mein Körper fühlt sich taub an, so als gehöre er nicht zu mir und die Geräuschkulisse um mich herum spielt sich dumpf im Hintergrund ab.

„Ich habe falsch gedacht"

Ich darf keine Schwäche zeigen. Ich selbst wollte das alles wissen, es ist meine Schuld. Alles.

„Zu spät haben wir herausgefunden, dass er einen Sohn hat, der ungefähr zwei Jahre vor dir geboren wurde. Sein Name ist Eden James Auburn"

In meinem Kopf ist nur dieses Dröhnen und in meiner Brust das Gefühl, nicht mehr atmen zu können. Verschwommen umgibt mich dieses neue London, das alles noch schwerer macht. Mit diesen riesigen Hochhäusern, die irgendwann im Himmel verblassen und dem sauberen Geruch, der überhaupt nicht zu den vielen, schnellen Autos hier passt. Vage verschwimmen die Gesichter irgendwelcher Menschen, die uns freundlich zu grüßen scheinen vor mir.

„Eden ist wie sein Vater einst. Attraktiv, intelligent, selbstbewusst, willensstark und kaltherzig. Der perfekte Köder. Wir wissen nicht genau, wie der Plan ausgesehen hat, aber was sicher ist, ist, dass Eden von alldem wissen musste. Wir vermuten, er sollte dir Informationen entlocken, die Haymitch dann gegen mich verwenden kann. Sie dachten, du wüsstest von alldem"

Eden, Eden, Eden. Er hat das alles gewusst. Und ich war nur dieses naive Dummchen, dass glaubte, jemand interessiere sich für sie. Ich wurde zu etwas, zu dem ich niemals werden wollte. Er hat mich dazu gebracht. Eden. Wahrscheinlich war ich bloß eine Karte in dem Spiel, das er mit mir gespielt hat.

„Ich habe dich aus der Simulation befreit, alles ist jetzt gut. Du bist in Sicherheit okay?"

Aber warum fühlt es sich dann so falsch an hier zu sein? Wieso sehne ich mich so sehr zurück in die Arme eines Menschen, dem ich nichts bedeutet habe. Ich sollte doch glücklich sein. Ich habe allen Grund dazu: Ich bin zurück bei meinem Vater. Ich bin in der Zukunft. Ich bin in Sicherheit. Doch all das will ich nicht. Ich will bloß Eden. Ich will ihn küssen, will das alles was mein Vater mir erzählt hat nicht wahr ist. Ich will endlich verstehen, wer dieser Junge eigentlich ist. Mein Vater nannte ihn kaltherzig, doch ist er das nur von außen. Ich dachte, tief drinnen ist da jemand, der anders ist. Jemand, der mich ohne einen Hintergedanken in seine Arme schließt. Auch ich habe falsch gedacht.

„Elaine?", mein Vater ist stehengeblieben und hält mich mit beiden Händen an den Schultern fest. Seine Augen huschen besorgt über mein Gesicht, „Nell, Schatz, geht es dir gut?"

Erst jetzt fällt mir auf, dass mein Gesicht tränenüberströmt ist. Ich schüttle nur den Kopf und drücke mein Gesicht an die Brust meines Vaters, der beschützend seine Arme um mich legt.

„Es tut mir so leid, dass ich dir wehgetan habe, dass ich es so weit habe kommen lassen. Es tut mir so leid, Nell."

„Ich dachte, er mag mich wirklich", schluchze ich und weine bitterlich. Mein Körper wird immer wieder geschüttelt von meinem eigenen Zittern und mein Herz fühlt sich viel zu schwer an.

„Ich weiß", flüstert er und streicht mir übers Haar, „Ich weiß".

Ich löse mich wieder von ihm und wische die Tränen weg. Es reicht. Alles ist zu viel geworden, alles, alles. Aber Eden ist diese Tränen nicht wert. „Zeigst du mir, wo du wohnst?", frage ich stattdessen und versuche so normal wie möglich zu klingen.

„Gleich", murmelt er, als ein Jugendlicher mit blonden Locken auf uns zukommt.

Er ist groß, sein Körper schlank, das Gesicht rundlich. Er hat ein breites Lächeln auf seinen herzförmigen Lippen, während seine dunklen Augen in der Sonne leuchten. Ich finde er sieht aus, als hätte er Geburtstag, oder er ist einer dieser Menschen, die sich viel zu nett benehmen, als dass man es ihnen abkaufen könnte.

„Tommy!", begrüßt ihn mein Vater kurz mit einem Händedruck.

„Hi", murmle ich zögernd, als Tommy auch meine Hand schüttelt.

„Elaine, richtig? Dein Vater spricht so viel über dich", seine Stimme klingt warm und ist nicht so tief, wie man meinen könnte.

„Das ist Tommy, mein Nachfolger, könnte man sagen", mein Vater klopft ihm stolz auf den Rücken, während Tommy lachend nickt.

„Ah ja", murmle ich und blicke mich wieder um.

Die Menschen tragen fast ausschließlich schwarz-weiße und graue Klamotten. Ich habe mir die Zukunft immer weniger eintönig vorgestellt. Und der Himmel war auch mal blauer... Ich hasse es hier. Ich fühle mich wie ein buntes Flamingo in mitten dieser Menschen, dabei trage ich Mintgrün.

Kann Tommy mal bitte aufhören zu grinsen? Und wieso sieht mein Vater mich nun auch so erwartungsvoll an? Es wirkt ja fast so, als wollte er uns verkuppeln. Ich schlucke, bitte nicht.

Ich versuche mir ein Lächeln auf die Lippen zu legen, „War nett, dich kennenzulernen, Tommy", nicke ich ihm zu und drehe mich wieder um.

„Fand ich auch, Elaine", höre ich seine Stimme hinter mir und: „Auf Wiedersehen, Mr. Dearing"

Kurz darauf zieht mich mein Vater am Handgelenk zurück. „Das ist die falsche Richtung"

Die Matratze auf der ich liege, ist bequemer als ich dachte. Vielleicht ist ja doch nicht alles hier zum Kotzen. Ich starre an die dunkle Decke über mir. Ich bin alleine. Und das hasse ich noch viel mehr als alles andere. Ich hasse es mehr als Eden. Dieses Gefühl, niemand ist hier und das schlimmste ist: Es stimmt irgendwie. Ich will das nicht. Ich will mein altes Leben zurück. Ich will, dass meine Gedanken aufhören, die Stille in diesem Raum zu übertönen. Ich will wieder in diese schwarze Box und nicht länger wissen, wer ich bin und was passiert ist. Ich will zurück zu Eden. Nicht mehr um ihn zu küssen, nur ein bisschen vielleicht. Ich will ihm so sehr meine Faust in sein dämliches, perfektes Gesicht hauen, dass er nie wieder jemanden mit diesen Augen ansehen kann. Ich will Rache.

Plötzlich habe ich einen Gedankenblitz. Oh Eden, ein teuflisches Grinsen stielt sich auf meine Lippen, damit kommst du nicht so einfach davon. So endet das nicht. Ganz sicher nicht. So lasse ich nicht mit mir umgehen. Und ich weiß auch schon wie ich das Ende bekomme, dass ich will. Für ihn, für mich, für uns.

Vielleicht war das ja vorbestimmt, dass es so endet. Vielleicht ist es kein Zufall, dass sein Name das Wort Ende bildet, wenn man die Buchstaben umordnet. Vielleicht macht mich das alles auch verrückt. Vielleicht macht es mich verrückt, dass er mir noch immer so viel bedeutet. Aber eigentlich ist das vielleicht ein ziemlich dummes Wort, wenn man weiß, dass alles wahr ist. 

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Ich habe das Gefühl ich bin schon viel weiter als erst bei Kapitel 15... Das ist irgendwie komisch:,) 

Wie fandet ihr dieses Kapitel? Lasst es mich gerne durch ein Sternchen wissen- oder eben nicht xd. Ansonsten wünsche ich euch noch einen schönen Tag und viel Spaß beim Weiterlesen<3<3

~H

Out of TimeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt