╰⊱ zehn ⊱╮

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ELAINE

Die kalte Luft durchströmt meine Lunge, kurz, dann sinke ich wieder in die Tiefe und kämpfe damit, an die Oberfläche zu gelangen, während mich die starke Hand unter Wasser hält. Meine Hand tastet panisch umher und versucht sich zu wehren. Mein Puls geht rasend schnell und meine Zeit, das hier zu überleben schwindet mit jeder nicht vorhandenen Sekunde. Die Themse ist dunkel. Kein blauer klarer Meeres- oder Flussgrund tut sich unter mir auf. Es ist kein Tod, den ich sterben will, schon gar nicht, wenn dieser Typ davon profitiert.

Mein Gehirn rattert. Für weitere Verzweiflung oder Angst ist jetzt keine Zeit mehr. Dann schnellt mir ein Gedanke durch den Kopf, dann das Handeln. So schlage ich ihm meinen Fuß in die Weichteile, schnappe nach Luft und graule so schnell ich kann davon. Das verschafft mir Zeit, Zeit die ich nicht habe, solange Eden nicht auftaucht.

Keuchend erreiche ich das andere Ufer und hieve mich hoch. Ein Blick über die Schulter und mein Herz rast erneut. Das knochige Gesicht meines Verfolgers/Fast-Mörders und die große Narbe, die sich von seiner Stirn über seine dunklen Augen bis zum Kinn zieht, schneiden sich erneut tief in meine Wahrnehmung. Schnell weg hier, folgt, sowie er mir.

Jetzt sind sie zu zweit und das Messer des Einen blitzt in dessen Hand auf, während ich so schnell renne, wie ich nur kann. Umgeben von der kühlen Winterluft Londons, ich renne um mein Leben. Renne und renne. Dann stolpere ich und die Männer erreichen mich augenblicklich. Ich ringe nach Luft, krieche rückwärts und stoße gegen die Beine, des Dritten. Noch bevor ich ein letztes Mal versuchen kann, durch die Zeit zu flüchten, ist es aus. Alles wird schwarz. Ich schreie und dann sind da Edens rufe.

„Du musst wieder aufwachen, hörst du?", er ruft nach mir, ich spüre seine Hand an meiner Wange, obwohl ich längst tot bin. Kälte, ein Zittern, mein Zittern.

Ich schlage wieder die Augen auf. Ich ringe nach Atem, reibe mir über die feuchten Augen und realisiere, dass ich nicht auf einer verlassenen Straße Londons bin. Dass ich aufgewacht bin, so wie er es gesagt hat, nicht auferstanden. Das war ein weiterer Albtraum, der Zweite, und ich will das nicht, nie wieder.

„I- Ich...", keuche ich.

Eden knipst das Licht an, seine Hand liegt noch immer an meiner Wange, sein besorgter Blick auf mir. Da ist wieder dieser andere Eden, der mich nicht mit seinen Eiszapfen von sich treibt. Er könnte das Licht ausknipsen, 'Vergessen wir das' sagen, stattdessen sieht er mich an und streichelt mit dem Daumen entlang meines Gesichts. „Es war nur ein Traum, Nell", flüstert er.

Ein Beben durchgeht meinen Körper, die Anspannung verfliegt nicht, sie bröckelt nur ein klein wenig weg, als er mich so nennt.

Kurz darauf wischt er mir mit beiden Daumen die Tränen weg. „Was ist denn passiert?"

„Ich wurde verfolgt, von drei schwarzgekleideten Männern in Anzügen und sie wollten mich töten und dann-", ich stoppe und beginne wieder zu zittern, beim bloßen Gedanken daran.

Eden jedoch zieht mich in eine Umarmung, während wir noch immer auf der Seite in seinem Bett liegen. Mein Herz pocht wieder, meine Anspannung verfliegt endgültig. Da ist nur Eden, Eden, Edens Geruch, Edens Körperwärme, Eden, der mich festhält und mir sachte übers Haar streicht. Ich höre seinen Herzschlag und ziehe ihn näher zu mir. Er hält kurz inne, dann zieht er mich wieder näher an sich und ich halte die Luft an, fühle die Schmetterlinge, fühle mich sicher und geborgen in seinen starken Armen.

„In Wahrheit tut es mir leid, dass ich dich geküsst habe", wispert er.

„Aber das muss dir nicht leidtun", flüstere ich und lächle in mich hinein, „Oder bereust du es?"

Out of TimeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt