Kapitel 2.1

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~Eddie~

Ein Räuspern lässt mich aus dem Schlaf hochschrecken und ich sehe in das fragende Gesicht meines Onkels.
"Oh, hey Wayne",sage ich gähnend und ziehe meinen Arm unter Liv hervor.
Ich betrachte sie einen Moment.
Sie scheint tief und fest zu schlafen.
Ich streiche ihr eine Strähne ihres Haares aus dem Gesicht und ziehe die Decke ein Stück höher.
"Guten Morgen, Junge",sagt Wayne und es klingt ein wenig vorwurfsvoll.
"Willst du mir die junge Dame nicht vorstellen?",fragt er und ich verziehe meine Lippen zu einem Strich.
"Liv, Wayne. Ich hab dir von ihr erzählt",sage ich ein wenig genervt, ehe ich mich vom Couchbett erhebe und mich strecke.
"Die beste Freundin von Chrissy?",will er wissen und ich nicke stumm.
"Verstehe",sagt Wayne und geht in die Küche um die Kaffeemaschine anzustellen.
Ich folge ihm.
"Achtest du auch auf dich?",fragt Wayne.
Ich lehne mich an den Küchentresen und runzle meine Stirn.
"Wie meinst du das?"
"Das sah sehr vertraut aus, wie ihr da geschlafen habt",stellt Wayne fest und ich zucke mit den Schultern.
"Wir helfen einander nur",erkläre ich.
Wayne zieht die Augenbrauen hoch und gibt einen Laut von sich, der klingt, wie ein schnaubendes Pferd.
"Ah ja",Wayne drückt auf den Knopf der Kaffeemaschine und gähnt herzhaft.
"Ich sag nur, das du vorsichtig sein sollst. Mit Gefühlen spielt man nicht."
Ich schnalze genervt mit der Zunge.
"Da sind keine Gefühle im Spiel",erwidere ich schnippisch und Wayne hebt beschwichtigend die Hände.
"Okay, wenn du das sagst."
Wir schweigen eine Weile und nur das gluckernde Geräusch der Kaffeemaschine unterbricht die Stille.
"Verrätst du mir, wo ich gleich schlafen soll?",fragt Wayne dann und ich beiße mir auf die Unterlippe.
"Oh ehm, sorry, Wayne. Ich kümmere mich darum",sage ich und gehe zurück ins Wohnzimmer.
Liv schläft noch immer.
Ich sehe sie mit schief gelegtem Kopf an.
Gefühle.
Was denkt Onkel Wayne sich nur?
Chrissy ist gerade mal einen Monat tot und der Schmerz zwingt mich jeden Tag aufs Neue in die Knie.
Selbst wenn ich es wollte, ich wäre gar nicht in der Lage, Jemanden wieder so nah an mich heran zu lassen.
Seufzend gehe ich auf Liv zu.
Ich will versuchen, sie nicht zu wecken, weshalb ich sie, samt Decke, in meine Arme hebe und mich leise stöhnend aufrichte.
Liv gibt einen Laut von sich und kuschelt sich dann an mich.
Ihr hübsches Gesicht sieht aus wie das einer Porzellanpuppe.
Ihre Haare stehen ihr wild ab und schimmern ein wenig im schummrigen Licht der, durch die Fenster hineinfallenden, Sonne.
Sie ist schön.
Keine Frage.
Und ich bin froh, das sie in mein Leben getreten ist.
Es ist beinahe so, als hätte ich einen Teil von Chrissy zurückbekommen.
Liv ist Chrissy ähnlicher als sie denkt.
Auch wenn sie immer wieder betont, wie unterschiedlich sie doch waren.
Ich sehe die Ähnlichkeit.
Ich trage Liv in mein Zimmer und lege sie vorsichtig auf dem Bett ab.
Sie murmelt etwas vor sich hin und rollt sich zusammen.
Ich seufze.
Vielleicht hat Wayne ja doch Recht und ich muss aufpassen.
Mir ist aufgefallen, das Liv in meiner Nähe immer etwas nervös ist.
Und sie errötet oft.
Es wäre überhaupt nicht gut, wenn sie Gefühle für mich entwickeln würde.
Das würde sie nur verletzen.
Aber vielleicht liegt es auch nur an der Tatsache, das sie gerade erfahren hat, das ich und Chrissy eine Affäre hatten.
Das wir uns geliebt haben.
Das ich sie noch immer liebe.
Meine Augen füllen sich mit Tränen und ich wende mich von Liv ab und gehe zurück in die Küche, wo Wayne gerade zwei Tassen Kaffee eingießt.
"Alles in Ordnung?",fragt er besorgt als er meine geröteten Augen bemerkt und ich nicke.
"Ich vermisse sie nur so",sage ich mit bebender Stimme und Wayne legt mitleidig den Kopf schief.
"Ich weiß, mein Junge. Das weiß ich."
Er kommt auf mich und nimmt mich in den Arm.
"Ich würde dir gerne sagen, das der Schmerz irgendwann aufhört. Doch du wirst dich nur an ihn gewöhnen",sagt er.
Ich löse mich seufzend von ihm und wische mir mit der flachen Hand durch mein Gesicht.
"Liv...sie tut dir gut?",will Wayne wissen und ich zucke mit den Schultern.
"Es ist leichter den Schmerz zu teilen",sage ich und Wayne nickt wissend.
"Als deine Mum starb war mir ihre beste Freundin Claire auch eine Stütze",erklärt Wayne.
"Ich habe lange nichts mehr von Claire gehört",stelle ich fest und weiche so dem Thema Mutter aus.
Sie war Waynes Schwester und ich kann verstehen, das er um sie trauert. Doch für mich war sie schon lange vor ihrem Tod gestorben.
Sie hatte mich als Säugling einfach bei meinem Vater abgegeben und kam nie mehr zurück.
Wayne behauptet immer, sie habe eine schwere Zeit durchgemacht und wollte nur das Beste für mich.
Daran glaube ich keine Sekunde.
Hätte sie das Beste für mich gewollt, hätte sie mich nicht bei meinem nichtsnutzigen Vater zurückgelassen.
Letzen Endes bin ich dann in Waynes Obhut gekommen, weil mein Vater mal wieder in den Knast musste.
"Naja, nachdem was zwischen uns war kann ich es ihr nicht verübeln, das sie sich nicht mehr meldet",sagt Wayne grüblerisch und ich hebe den Blick.
"Was war denn zwischen euch?",will ich neugierig wissen.
"Das brauchst du nicht zu wissen, Junge.
Aber hör auf meinen Rat, sei vorsichtig was Liv betrifft."
Ich runzle die Stirn und nicke.
"Okay,"sage ich und greife nach der Kaffeetasse.
"Guten Morgen",ertönt Livs Stimme in meinem Rücken und ich drehe mich erschrocken um.
Wie lange steht sie schon da?
"Guten Morgen, Prinzessin. Gut geschlafen?",frage ich betont lässig und Liv nickt mit dem Kopf, während sie an dem Shirt, das ich ihr gestern zum Schlafen überlassen habe, herumzuppelt.
"Guten Morgen junge Dame",sagt Wayne und streckt ihr seine Hand entgegen, "Ich hab schon viel von dir gehört! Ich bin Wayne, Eddies Onkel."
Liv lächelt verlegen und wirft mir einen flüchtigen Blick zu.
Sie schüttelt Waynes Hand.
"Ich bin Liv. Freut mich, Sie kennenzulernen",sagt sie freundlich.
Wayne nimmt eine Tasse aus dem Schrank und schenkt Kaffee ein.
Er reicht Liv die Tasse, die sie dankbar entgegen nimmt.
"Du kannst mich ruhig Duzen. Ich fühle mich immer so alt, wenn ich Gesiezt werde",sagt Wayne.
"In Ordnung",sagt Liv und schenkt ihm ein Lächeln.
Wayne stellt seine Kaffeetasse ab.
"Ich werde mich jetzt aufs Ohr hauen"sagt er dann und ich schiebe Liv aus der Küche.
"Wir werden dich dann Mal in Ruhe schlafen lassen, Onkel Wayne."
Er nickt dankbar und geht ins Wohnzimmer.
"Zeit zu gehen",sage ich zu Liv.
Sie schaut mich über ihre Schulter hinweg an.
Dann seufzt sie.
"Ich bin nicht gerade heiß darauf, aber gut",sagt sie und ich komme nicht umhin, ihr Recht zu geben.

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