Kapitel 3 - Halloween

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~Liv~

Ich spüre noch immer Eddies Kuss auf meiner Stirn. Ich stehe im Rahmen der Hintertür, meine Kaffeetasse in der Hand, und sehe Eddie hinterher, der durch das Gartentor geht. Er zieht es hinter sich zu und gerade als ich wieder ins Haus gehen will, sehe ich seinen Kopf über dem Tor auftauchen.
"Bis später, Prinzessin!",ruft er mir zu und ich kichere.
"Bis später, du Spinner!",antworte ich.
Lächelnd schließe ich die Tür hinter mir und lehne mich mit dem Rücken dagegen.
Ich seufze abgrundtief.
All das, was letzte Nacht geschehen ist, reicht schon beinahe, um mich um den Verstand zu bringen.
Und dann ist da noch Eddie.
Meine Gefühle für ihn sind durch letzte Nacht nicht unbedingt weniger geworden.
Eher im Gegenteil.
Keine Ahnung, wie zum Teufel ich das alles durchstehen soll, ohne gänzlich verrückt zu werden.
Ich schütte den restlichen Kaffee aus meiner Tasse in die Spüle und gehe durch die Küche in den Flur.
"Olivia!"ruft meine Mutter aus dem Wohnzimmer und ich seufze.
"Ja?",rufe ich zurück und hoffe, sie bittet mich nicht zu sich.
"Kommst du bitte einmal zu mir, Schätzchen?!"
Verdammt.
Ich gehe ins Wohnzimmer und finde meine Mutter in ihrem Ohrensessel vor.
Ihr Laptop ruht auf ihren Knien und sie hebt den Blick, als ich das Wohnzimmer betrete.
"Dieser Eddie",beginnt sie ohne Umschweife und ich versteife mich, "Ist er es, den alle für den Mörder von Chrissy halten?"
"Ja, aber er war es nicht",antworte ich kühl.
"Er wird dieses Haus nicht nochmal betreten, hast du das verstanden?!",zischt Mum und wirft mir einen Blick über den Rand ihrer Lesebrille zu.
"Er war es nicht, Mum! Die Polizei hat ihn längst als Verdächtigen ausgeschlossen!",erwidere ich und mache keinen Hehl aus meinem Zorn.
"Ach wirklich? Jim sieht das ein wenig anders."
Ich erstarre.
"Wie bitte?"
"Jim sagt, dieser Munson-Junge gehört immernoch zum Kreis der Verdächtigen. Sein Alibi ist nicht wasserdicht,"sagt meine Mum triumphierend.
"Das ist nicht wahr",antworte ich tonlos.
Mum legt den Laptop beiseite und erhebt sich aus dem Sessel.
Sie verschränkt ihre Hände vor ihrer Brust und sieht mich mit hoch gerektem Kinn an.
"Du magst den Burschen",stellt sie fest und ich weiche ihrem Blick aus.
Mum seufzt.
"Schlag ihn dir aus dem Kopf, Olivia. Du wirst ihn nicht wieder sehen",sagt sie und mir steigen Tränen in die Augen.
Ich lache auf.
"Wie willst du das denn kontrollieren, mh?! Du bist doch nie da! Wann geht nochmal dein nächster Flieger?! In drei Tagen?!",fahre ich sie an und schluchze unwillkürlich.
"Hör auf, so undankbar zu sein, junges Fräulein! Reichtum hat ein Preisschild! Ich und dein Vater arbeiten, um dir diesen Lebensstil zu ermöglichen! Und wenn ich von dir verlange, dich von diesem Jungen fern zu halten, dann wirst du das tun! Andernfalls müssen wir wohl nochmal über das College sprechen und wie du vor hast es zu finanzieren!"
Ich starre meine Mutter fassungslos an.
"Das ist nicht dein Ernst?!",presse ich hervor.
"Olivia, Schätzchen. Ich will nur das Beste für dich."
Ich lache laut auf.
"Du hast doch überhaupt keine Ahnung, was das Beste für mich ist! Du kennst mich doch kaum!"
Mum geht auf mich zu und legt ihre Hände auf meine Schultern.
"Natürlich kenne ich dich. Du bist meine Tochter",sagt sie sanft und ich weiche von ihr zurück.
"Okay, dann sag mir doch Mal: Als was gehe ich dieses Jahr zu Halloween?"
Meine Mutter legt ihre Stirn in Falten.
"Was ist das denn für eine Frage? Das kann ich nicht beantworten. Ihr Kids überlegt euch doch alle fünf Minuten etwas Neues!",sagt sie schnippisch und ich schüttle den Kopf.
"Ich habe wochenlang an dem Kostüm gearbeitet, Mum! Dad weiß, als was ich gehe! Weil er sich für mich interessiert! Dir ist es egal! Du willst, das ich das College selbst bezahle?! Bitte sehr, ich werde mir einen Job suchen! Du wirst mir nicht verbieten, Eddie zu sehen! Schlag du es dir aus dem Kopf!",fauche ich sie an, drehe mich auf dem Hacken um und stürme aus dem Wohnzimmer.
Ich renne die Treppe hinauf und in mein Zimmer.
Schluchzend knalle ich die Tür hinter mir zu und sinke daran zu Boden.
Weinend verberge ich mein Gesicht in meinen Händen.
Es dauert eine Weile, bis ich mich einigermaßen beruhigt habe. Dann stehe ich auf, ziehe mich um und öffne das Fenster zum Hof.
Ich klettere hinaus und stehe nun auf dem schmalen Vordach der Veranda.
Vorsichtig mache ich einen Schritt nach vorn.
Das Holz ächzt unter meinem Gewicht.
Ich lasse mich auf meine Knie nieder und rutsche auf allen Vieren zur Kante des Vordachs.
Ich spähe hinunter und ein mulmiges Gefühl breitet sich in meiner Magengrube aus.
Es ist höher, als ich angenommen hatte.
Ich lasse meine Beine über der Kante baumeln und schätze den Abstand bis zum Geländer der Veranda unter mir ab.
Dann strecke ich meine Beine, bis ich den Handlauf mit den Zehenspitzen berühre.
Ich schiebe meinen Körper so weit nach vorn, bis ich mit den Füßen Halt finde.
Ich greife nach dem Stützfeiler der Veranda und stütze mich daran hab.
Langsam lasse ich mich hinab und springe dann vom Geländer auf den Rasen.
Ich komme unsanft auf und stöhne leise.
Nochmal mache ich das sicher nicht, denke ich, während ich mich aufrapple.
Doch dieses eine Mal musste es sein.
Ich muss raus.
Und ich klettere nunmal lieber aus dem Fenster, als das ich mir von meiner Mutter verbieten lasse, das Haus zu verlassen.
Ich steuere den DeLorean an, der neben Mums Wagen in der Einfahrt steht und schließe ihn auf.
Mum wird den startenden Motor hören, doch ich werde weg sein, ehe sie die Tür erreicht hat.
Mit dem, was passiert, wenn ich wieder nach Hause komme, will ich mich gerade nicht befassen.
Ich drehe den Schlüssel in der Zündung herum und lege den Rückwärtsgang ein.
Mit quietschenden Reifen reiße ich das Lenkrad herum und rase die Straße entlang Richtung Trailerpark.
Eddie ist mir eine Antwort schuldig.

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