Kapitel 1.8

81 10 1
                                    

~Liv~

Ich sprinte Eddie hinterher, der schnellen Schrittes Richtung Haustür läuft.
Gerade als er die Tür erreicht, hole ich zu ihm auf.
"Eddie, bleib stehen!",rufe ich und grabsche nach seinem Ärmel. Eddie zieht den Arm weg und läuft raus auf den Hof.
Er steuert stur seinen Van an.
"Eddie! Bleib sofort stehen, verdammt nochmal!"
Eddie kramt die Schlüssel aus seiner Hosentasche und schließt die Fahrertür auf, öffnet sie.
"Lässt du mich hier jetzt einfach stehen?! Du hast mich hergefahren!"
Eddie hält inne.
Dann steigt er in den Wagen und schließt die Tür hinter sich.

Er startet den Motor und wirft mir einen Blick durch die Scheibe zu.
Ich zögere einen Moment, dann umrunde ich den Van zur Beifahrerseite, öffne die Tür und nehme schweigend Platz.
Ich knalle die Tür zu und Eddie lenkt den Wagen auf die Straße.
Eddie schaltet das Radio an und Iron Maiden schallt aus den Boxen. Er dreht die Lautstärke hoch.

Ich drehe sie wieder herunter.
Eddie dreht sie wieder auf.
Ich drehe sie wieder herunter und lasse meine Finger auf dem Regler liegen.
"Hör auf damit",sage ich zornig.
Eddie starrt stur geradeaus.
Ich nehme meine Finger vom Regler und verschränke meine Arme vor der Brust.
"Du sagst mir jetzt sofort, was Sheila da gerade gemeint hat!",fahre ich ihn an.
Ich zucke zusammen, als Eddie wütend mit der flachen Hand auf das Lenkrad schlägt.
Er lenkt den Wagen an den Straßenrand, stellt den Motor ab und wendet sich mir zu.
"Ich hab sie gemocht, okay?!",knurrt er und ich lasse mich tiefer in den Sitz sinken.
"Ich mochte Chrissy. Und sie mochte mich",sagt Eddie leise.
Ich presse meine Lippen aufeinander und sehe ihn an.
"Ihr kanntet euch doch kaum",sage ich vorsichtig.
Eddie lacht leise auf.
"Das ist genau das, was alle denken sollten",erwidert er.
"Der Freak und die Königin der Hawkins High? Niemals."
Mir weicht sämtliche Farbe aus dem Gesicht und meine Kehle ist so trocken wie die Wüste Gobi.
Ich öffne meinen Mund, um etwas zu sagen, doch Eddie spricht unbeirrt weiter.
"Sie hat das erste Mal im Sommer bei mir Marihuana gekauft. Harmlos. Nicht ungewöhnlich. Ich versorge das halbe Cheerleader-Team."
Ich ziehe erstaunt meine Augenbrauen hoch und schnalze mit der Zunge.
"Dann kam sie immer häufiger. Kaufte immer härtere Drogen. Irgendwann habe ich sie gefragt, wieso sie so harte Drogen nimmt. Und sie erzählte es mir. Redete einfach drauf los. Vertraute sich mir an."
Mein Gesicht glüht und ich spüre, wie sich Tränen in meinen Augen sammeln.
"Sie hat sich dir anvertraut?",presse ich hervor.
Eddie nickt und wirft mir einen mitleidigen Blick zu.
"Ich weiß nicht, wieso sie es ausgerechnet mir erzählte. Aber seit diesem Gespräch waren wir Freunde. Wir trafen uns regelmäßig. Und irgendwann...",mir entfährt ein Schluchzen und Eddie hält inne.
Er fährt sich seufzend mit der flachen Hand durch sein Gesicht und legt dann seine Stirn auf dem Lenkrad ab.
"Irgendwann wurde daraus mehr als nur Freundschaft. Wir fingen diese dumme Affäre an und hielten es geheim...",Eddie spricht schnell und mit bebender Stimme.
Ich kann nichts weiter tun als ihm fassungslos zuzuhören.
"Ich habe mit Chrissy geschlafen, Liv. Das ist das große Geheimnis, das dich so sehr beschäftigt hat",sagt er plötzlich schroff und ich schnappe nach Luft, presse mir eine Hand auf die Brust.
"Ihr habt miteinander geschlafen?"
Eddie nickt, ohne aufzusehen.
"Aber ich dachte, sie sei Jungfrau gewesen?"
"War sie auch."
Und in diesem Moment wird mir klar, dass das zwischen Eddie und Chrissy nicht nur eine harmlose Affäre war.
"Sie hat dich geliebt",spreche ich meine Erkenntnis tonlos aus.
"Ja",flüstert Eddie und mein Herz setzt einen Schlag aus.
"Und ich sie."
Eddie hebt den Kopf und auf seinem Gesicht glitzern Tränen.
Ich habe das Gefühl, nicht atmen zu können.
Es trifft mich wie ein Schlag, das Chrissy mir das verheimlicht hat.
Und da ist noch ein anderes Gefühl. Eines, das ich nicht verstehe. Das ich nicht deuten kann. Das mir die Kehle zuschnürt. Mir die Luft zum Atmen nimmt.
Heiße Tränen rinnen meine Wangen hinab.
"Wieso hat sie mir nichts gesagt?", frage ich schluchzend.
"Wie haben es Niemandem gesagt",wiederholt Eddie und ich schnaube verächtlich.
"Ich war ihre beste Freundin, scheiße nochmal! Wir waren wie Geschwister! Dachte sie, ich würde es weiter erzählen? Das euer Geheimnis bei mir nicht sicher wäre?!",ich brülle beinahe und ein Schleier aus Tränen trübt meine Sicht.
"Ich weiß es nicht!",brüllt Eddie zurück und dann herrscht Stille.
"Vielleicht hat sie sich geschämt",sagt Eddie nach einer Weile und ich sehe ihn an.
Er sieht völlig fertig aus.
Seine Augen sind gerötet und er wirkt unendlich traurig.
"Wieso sollte sie?",erwidere ich.
"Weil sie eine Affäre mit dem Freak der Hawkins High hatte",erwidert er tonlos.
Ich schüttle energisch den Kopf und lege eine Hand auf Eddies Arm.
"Nein, Eddie. So war sie nicht, das weißt du genau."
"Dann verstehe ich es genauso wenig wie du, Liv. Wieso sie es geheimhalten wollte. Wieso sie es nicht einmal dir erzählt hat. Sie hat immer nur gesagt, das ich mich noch gedulden müsse."
Ich seufze.
"Wieso hast du es mir verheimlicht?", frage ich und Eddie sieht mich an.
Er hebt eine Hand und fängt eine Träne an meiner Wange auf, ehe sie mein Kinn hinabtropfen kann.
"Genau deswegen",sagt er leise.
"Es verletzt dich."
Ich senke den Blick und nehme Eddies Hand in meine.
"Ja, sehr",erwidere ich.
"Aber das ist nicht deine Schuld."
Eine Weile sagt niemand von uns ein Wort.
Dann nimmt Eddie seine Hand aus meiner und startet erneut den Motor.
Wortlos setzt er den Wagen in Bewegung.
Ich frage nicht nach, wohin er fährt.
Ich sehe aus dem Fenster und lasse meinen Tränen freien Lauf.

*Wordcount: 956

"Make him pay!"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt