Kapitel 5.3

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~Liv~

Ich stemme mich gegen die schwere Stahltür und sie öffnet sich unter lautem Protest.
Gareth hockt davor auf dem Boden, einen dünnen Ast in der Hand, mit dem er kleine Steine hin und her kickt.
Er hebt den Blick, als ich aus der Tür trete.
"Und? Hast du den Sturkopf überzeugen können?",fragt er gelassen und ich nicke.
"Ja",hauche ich erleichtert und meine Augen füllen sich mit Tränen.
"Gut",sagt er und kommt auf die Beine.
"Manchmal ist er wirklich ein Idiot",fügt er murmelnd hinzu und ich schmunzle.
"Das hab ich gehört",ertönt Eddies Stimme in meinem Rücken und ich kichere leise, als Gareth erschrocken seine Augen aufreißt.
"Sorry, Boss",sagt er beschwichtigend und ich schaffe es nicht länger, mich zurückzuhalten und beginne laut zu lachen.
Keine Ahnung wieso. Vielleicht weil diese ganze Situation so absurd ist, das sie schon fast ein wenig komisch ist.
Vielleicht habe ich aber auch einfach entgültig den Verstand verloren.
Gareth und Eddie jedenfalls sehen mich an, als wäre genau das der Fall.
"E-Entschuldigt",presse ich atemlos hervor.
"Ich glaub ich drehe langsam durch."
Ich fahre mir mit den Händen durch mein Gesicht und stöhne auf. Dann hole ich tief Luft und lasse meine Hände sinken.
"Okay, gehen wirs an!"

Gareth drückt mir das Funkgerät in die Hand.
"Okay, du wartest hier. Wenn sie kommen, sagst du mir Bescheid",sagt er und ich nicke.
Ich ziehe mir die Kapuze meines Parkas in die Stirn und sehe Gareth nach, der den sandigen Weg entlang in Richtung Eddies Trailer läuft.
Nervös schaue ich mich um.
Er weiß, das wir hier sind, da bin ich sicher.
Das macht den Plan, die Trophäe zu holen und verschwinden zu lassen zu einem Unterfangen, das mit ziemlich höher Wahrscheinlichkeit nach hinten los gehen könnte.
Denn wenn er Eddie aus dem Weg räumen will, in dem er ihn ins Gefängnis bringt, dann wird er jetzt reagieren müssen.
Es sei denn, er hat ein Ass im Ärmel, von dem wir nichts wissen.
Egal, was er plant, wir können erst darauf reagieren, wenn es so weit ist. Und bis dahin müssen wir versuchen, ihm die Tour zu vermasseln.
Irgendwie.
Ich schrecke aus meinen Gedanken hoch, als ein Wagen knirschend auf den Weg einbiegt.
Ich kneife meine Augen zusammen und reiße sie dann erstaunt wieder auf.
Hinter dem Steuer des VWs sitzt Sheila.
Sheila?!
Was hat die hier zu suchen?!
Gedankenlos stelle ich mich mitten auf den Weg und rudere mit den Armen, um Sheila zum Stehen bleiben zu bewegen.
Diese macht jedoch keine Anstalten, langsamer zu werden und mein Herz rast in meiner Brust, als sie den Wagen nur Zentimeter vor mir stoppt.
Mit einer Vollbremsung.
Als hätte sie mich jetzt erst bemerkt, starrt sie mich aus großen Augen an.
Dann ändert sich der Ausdruck auf ihrem Gesicht und sie legt schluchzend den Kopf auf dem Lenkrad ab.
Ich lege irritert meine Stirn in Falten.
Gerade, als ich zur Fahrertür des Wagens gehen will, knackt das Funkgerät in meinen Händen.
Ich zucke zusammen und Gareth Stimme ertönt belchern.
"Hab sie! Komme zurück!",ruft er und ich drücke auf den Knopf des Funkgerätes, und antworte ihm, das ich verstanden habe.
Dann setze ich meinen Weg fort und bleibe neben der Fahrertür des VWs stehen.
Ich beuge mich nach vorn und klopfe sacht mit den Fingerknöcheln gegen die Scheibe.
Sheila zuckt zusammen und hebt träge den Blick.
Sie sieht völlig verheult aus, ihre Augen wässrig und gerötet.
Langsam lässt sie das Fahrerfenster hinunter und sieht mich ausdruckslos an.
"Was tust du hier?",frage ich ohne Umschweife und schiebe das Mitleid, das ich für sie empfinde, beiseite.
Sie hat mein Mitleid nicht verdient.
"Ich muss zu Eddie",sagt sie zu meiner Überraschung und ich starre sie einen Moment verständnislos an.
"Wieso?",frage ich dann und Sheila weicht meinem Blick aus.
"Das geht dich nichts an, Nutte",sagt sie kühl und bei dem Wort Nutte ziehe ich zischend Luft durch meine zusammengebissenen Zähne.
"Wie nennst du mich?!",presse ich zornig hervor und sie lacht leise und aufgesetzt.
"Was denn, vögelst du etwa nicht mit dem Typen, in den deine tote beste Freundin ja so verknallt war?!"
Mir weicht die Farbe aus dem Gesicht und ich schlucke angestrengt.
"Das wiederum, geht dich nichts an, Miststück",antworte ich kühl.
Sheila lacht auf, ihre blonden Locken hüpfen auf und ab.
Dann fixieren mich ihre eisblauen Augen stechenden Blickes.
"Oh, ich weiß, du kannst mich nicht leiden. Das ist okay, glaub mir. Chrissy allerdings mochte mich sehr",sagt sie süffisant und wischt sich mit dem Handrücken über das tränennasse Gesicht.
"Sie hat es mir gesagt, kurz bevor sie mich geküsst hat."
Meine Kinnlade klappt herunter und ich habe das Gefühl, das mir der Boden unter den Füßen weggerissen wird.
Schwankend stütze ich mich am Dach des Wagens ab und räuspere mich, suche verzweifelt meine Stimme.
"Was redest du da für einen Scheiß?!",zwinge ich mich zu sagen.
"Du hast keine Ahnung, wer sie wirklich war, Stroud. Du bist naiv, wenn du immernoch glaubst, sie war dein beste Freundin. Sie hat dich verachtet, genau wie ich. Und das mit Eddie",sie grinst mich diablosch an während ich angestrengt versuche, nicht in Ohnmacht zu fallen.
"Das war nur ein Zeitverteib. Sie hat ihn nie geliebt. Genau wie damals bei Billy. Sie sagte, der Sex sei zu gut, um aufzuhören. Aber darüber weißt du ja mehr als ich."
"Du lügst",sage ich aus meiner Verzweiflung heraus und weil ich nicht weiß, was ich sonst sagen soll. Mein Kopf fühlt sich an, als würden hunderte Stimmen gleichzeitig sprechen aber keine laut genug, um einen klaren Gedanken zu fassen.
"Da muss ich dich leider enttäuschen. Die Wahrheit tut weh, Schätzchen. Und jetzt verzieh dich, ich muss mit Eddie sprechen!"
Sie legt den ersten Gang ein und sieht mich auffordernd an.
"Er ist nicht da",sage ich tonlos und nehme meine Hand vom Autodach.
"Na schön",sagt sie frustriert und ihre Hände legen sich so fest um das Lenkrad, das die Knöchel ihrer zarten Hände weiß hervortreten.
"Richte ihm aus, das ich mit ihm sprechen muss. Es ist dringend."
Mit diesen Worten wechselt sie in den Rückwärtsgang und wendet den Wagen schlitternd.
Dann biegt sie auf die Hauptstraße ab und der Wagen verschwindet hinter den hohen Tannen, die die Straße säumen.
Es fällt mir schwer, auf meinen zitterndernden Beinen zu stehen und ich presse mir eine Hand an die Brust.
Ich gebe einen spitzen Schrei von mir, als mir jemand eine Hand auf die Schulter legt.
"Alles in Ordnung, Liv?"

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