Kapitel 3.5

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~Liv~

"Sehen wir uns heute Abend?",fragt Eddie heiser und schaut auf seine Schuhe. Seine Hände stecken in seinen Hosentaschen und er tritt nervös von einem Bein auf das andere.
Ich betrachte ihn einen Moment.
Sein Verhalten entspricht nicht seinen Worten.
Das verwirrt mich.
Ich räuspere mich, wende den Blick von ihm ab.
"Ich weiß noch nicht. Ich muss zu Hause erstmal die Wogen glätten...",sage ich wahrheitsgemäß und lasse meinen Blick über die Masse an Schülern gleiten, die in die Schule strömt.
Ein paar Meter entfernt mache ich Gareth und Jeff aus. Offenbar warten sie auf Eddie.
Gareth sieht zu uns herüber und hebt seine Hand zum Gruß. Ich nicke ihm knapp zu.
"Okay, verstehe",sagt Eddie und lächelt mich gezwungen an.
Ich presse meine Lippen aufeinander und lege den Kopf schief.
Es schellt und Eddie zuckt zusammen.
Was ist bloß los mit ihm?
Hat ihn unser Gespräch gestern so aus der Bahn geworfen?
Mich jedenfalls beschäftigt es ununterbrochen.
Ich lasse seine Worte immer wieder Revue passieren und jedes Mal brechen sie mir wieder das Herz.
Und seit heute morgen beschleicht mich das Gefühl, das Eddie mir wieder etwas verheimlicht.
Was hat er sich da angesehen?
Warum hat er so ertappt gewirkt?
Und wieso hat er es in seiner Tasche verschwinden lassen, ohne meine Frage zu beantworten, um was es sich handelt?
Bislang hat Eddie mir nur dann Dinge verheimlicht, wenn er wusste, das es mich verletzen wird, davon zu erfahren.
Er hat mich jedes Mal schützen wollen.
Ist es dieses Mal genau so?
Verheimlicht er etwas vor mir, weil er mich davor schützen will?
"Wir sollten los",sage ich und nicke mit dem Kopf in Richtung Schule.
Eddie nickt und sieht mich endlich an.
Seine Augen schauen in meine und ich sehe eine Traurigkeit in ihnen, die ich bisher immer nur dann gesehen habe, wenn es um Chrissy ging.
Zögerlich mache ich einen Schritt auf Eddie zu. Er versteift sich und ich halte inne.
Dann hole ich tief Luft, schlinge meine Arme um seine Taille und drücke mich an ihn.
Eddie zögert keine Sekunde und erwidert meine Umarmung.
Er vergräbt eine Hand in meinen Haaren, die andere liegt an meiner Taille. Er legt seine Wange auf meinem Kopf ab.
Ich schließe meine Augen und inhaliere seinen Duft, als hätte ich Angst, ihn nie wieder zu riechen.
Widerwillig löse ich mich nach einer Weile von ihm und hebe meinen Kopf, um ihn ansehen zu können.
Er erwidert meinen Blick und lächelt verlegen.
"Wir sehen uns, Prinzessin",sagt er mit belegter Stimme und ich lächle.
"Bis dann, Eddie",erwidere ich und ehe ich mich von ihm abwenden kann, nimmt er mein Gesicht zwischen seine Hände und drückt mir einen sanften Kuss auf die Stirn.
Meine Augen schließen sich erneut, wie ferngesteuert. Mir entfährt ein Seufzer.
Als ich sie wieder öffne ist Eddie bereits auf dem Weg zu Gareth und Jeff, die noch immer an derselben Stelle stehen und auf ihn warten.
Mechanisch setze auch ich mich in Bewegung und betrete mit zitternden Knien die Schule.

Ich stelle mein Tablett auf dem Tisch vor mir ab und lasse mich auf die Bank fallen.
"Hey Jungs",sage ich beiläufig und blicke in die Runde.
"Hey Liv, schön dich zu sehen",erwidert Jeff und lächelt.
Ich erwidere sein Lächeln.
Ich erschrecke, als jemand ein Tablett auf das Kopfende des Tisches knallt.
"Hallo meine kleinen Schäfchen!",höre ich die so vertraute Stimme.
Ich halte meinen Blick gesenkt und stochere in meinem Kichererbsenpüree herum.
"Seid ihr bereit für euren Niedergang am heutigen Abend?",fragt Eddie und ich hebe ruckartig den Kopf.
"Heute Abend?",frage ich erschrocken.
Eddie hebt seine Augenbrauen.
"Ja",sagt er und verschränkt seine Arme vor der Brust.
"Heute Abend trifft sich der Hellfire Club. Ich habe angenommen, du weißt das, Stroud."
Er klingt beinahe gereizt.
Ich runzle meine Stirn.
"Ehm ja, sicher...",sage ich schnell und wende mich wieder meinem Essen zu.
"Du kommst doch, oder Liv? Ohne dich haben wir keine Chance gegen Eddie!",sagt Dustin und sieht mich erwartungsvoll an.
"I-Ich werde versuchen zu kommen,"sage ich und lächle gezwungen.
"Du musst kommen!",sagt Gareth empört und ich seufze.
"Ja, schon gut! Ich werde da sein, beruhigt euch",erwidere ich genervt und lasse meine Gabel in mein Essen fallen.
Dann erhebe ich mich und nehme das Tablett in meine Hände.
"Muss los",murmle ich.
"Bis später!",ruft Dustin und grinst breit.
Ich werfe Eddie einen flüchtigen Blick zu, während ich mich zum Gehen wende.
Er vermeidet den Augenkontakt.
Ich bringe das Tablett weg und verlasse die Cafeteria.
Meine Beine tragen mich vorwärts, doch meine Gedanken sind längst vom Weg abgekommen.

"Hey, Liv! Warte Mal kurz!",ruft Gareth mir zu, als ich gerade meinen Spint schließe und mich in Bewegung setze.
Ich halte inne und drehe mich zu Gareth um.
"Was gibt's?",frage ich teilnahmslos.
"Wir brauchen dich heute Abend wirklich. Schaffst du es?",will er wissen.
"Ich weiß nicht, Gareth. Ich habe gerade zu Hause ein wenig Ärger",sage ich und wende mich zum Gehen.
"Weil du und Eddie gestern geschwänzt habt?",fragt Gareth und ich runzle verblüfft die Stirn.
"Woher weißt du das?"
"Eddie hat's erzählt."
"Oh",sage ich und schaue auf meine Schuhe.
"Ja, auch",beantworte ich dann seine Frage.
"Deine Eltern sind ziemlich streng, oder?",fragt Gareth und ich hebe den Blick.
Ich lege den Kopf schief und überlege.
"Naja, meine Mum schon. Mein Dad ist eigentlich ganz entspannt, aber er ist quasi nie da, also...",ich zucke mit den Schultern.
"Mh, das klingt ziemlich ätzend",sagt Gareth und setzt sich in Bewegung. Ich folge ihm.
Wir gehen ein paar Schritte schweigend  nebeneinander den Flur entlang.
"Wenn du Lust hast, kannst du ja am Donnerstag zur Bandprobe kommen! War cool, das du neulich da warst",sagt Gareth.
"Das würde ich gern",sage ich und seufze.
"Aber ich weiß nicht, ob ich kann."
"Verstehe",sagt Gareth und nickt.
"Vielleicht klappt's ja. Zu Sheilas Halloweenparty kommst du aber, oder?"
Ich nicke.
"Ja, auf jeden Fall! Das lasse ich mir nicht entgehen",sage ich und zwinkere Gareth zu.
Er lacht.
Dann wirkt er plötzlich nervös.
Er räuspert sich, während er mir die Tür zum Schulhof aufhält.
"Wirst du in Begleitung sein?",fragt er dann und ich kaue peinlich berührt auf meiner Unterlippe herum.
"Ehm, ja...,werde ich",sage ich verlegen.
Gareth verzieht seinen Mund zu einem Strich.
Dann ändert sich der Ausdruck auf seinem Gesicht plötzlich und er lächelt mich freundlich an.
"Das freut mich! Wir laufen uns da sicher über den Weg",sagt er und ich erwidere sein Lächeln.
"Na klar!",bestätige ich.
Gareth dreht sich herum und geht rückwärts weiter.
"Muss los, Liv. Bis heute Abend?"
Ich zucke mit den Schultern.
"Ich hoffe",erwidere ich.
"Das reicht mir",sagt Gareth, salutiert vor mir und läuft davon.
Ich schaue ihm kopfschüttelnd hinterher.
Ich kann ihn gut leiden.
"Ach, das ist ja ein seltener Anblick! Liv ohne ihren Schatten. Wo hast du den Freak gelassen?!"
Ich verdrehe die Augen ehe ich mich zu Jason umdrehe.
"Verpiss dich, Jason",sage ich genervt.
Er öffnet verblüfft den Mund und hebt beschwichtigend die Arme.
"Wieso denn so feindselig? Neulich warst du doch noch so freundlich, ein Foto von Sheila und mir zu machen. Für das Jahrbuch, nehme ich an?"
"Natürlich",flöte ich und lächle übertrieben.
Ich verschränke meine Arme vor der Brust und verlagere mein Gewicht auf ein Bein.
"Ich hätte gerne einen Abzug, wenn es dir nichts ausmacht?",erwidert Jason kühl.
"Kein Problem,"sage ich, "Vielleicht auch einen für Sheila? Ihr habt doch sicher eines von diesen kitschigen Pärchenfotoalben, oder?"
Jasons Augen verengen sich zu Schlitzen und der Ausdruck auf seinem Gesicht verändert sich schlagartig.
Zornesröte steigt ihm zu Kopf und ich weiche einen Schritt zurück, als er sich zu mir rüber beugt.
"Pass bloß auf, Stroud! Sonst endest du noch wie Chrissy",zischt Jason leise und ich erstarre zur Salzsäule.
Seine Worte fahren mir durch Mark und Bein.
Sämtliche Farbe weicht aus meinem Gesicht.
"Was?!",presse ich mit bebender Stimme hervor.
Jason verzieht sein Gesicht zu einer Fratze.
"Du hast mich schon verstanden, Olivia. Halt dich in Zukunft von mir und Sheila fern!"
Mit diesen Worten geht er, jedoch nicht ohne mich unsanft an der Schulter zu touchieren.
Ich bleibe wie angewurzelt stehen und starre ins Leere.
Mein Körper pumpt unaufhörlich Adrenalin durch meine Venen. Es fließt in jede Pore.
Mein Herz hämmert schmerzhaft gegen meinen Brustkorb.
Mein Atem geht flach.
Und als Jemand eine Hand auf meine Schulter legt, fahre ich erschrocken zusammen.

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