chapter 1 - formula

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♫ track no. 1
𝙔𝙚𝙝 𝙄 𝙁*𝙘𝙠𝙞𝙣' 𝘿𝙞𝙙 𝙄𝙩 𝘣𝘺 𝙇𝙖𝙗𝙧𝙞𝙣𝙩𝙝



DAS VIBE war einer jener hippen Clubs, die in Hongdae in den letzten Jahren an allen Ecken aus dem Boden geschossen waren. Wobei man jene Umschreibung in diesem Falle sogar mehr oder weniger wörtlich nehmen konnte. Vielleicht war es eher unkonventionell, einen alten Bunker aus Kriegszeiten zu einer Party-Location umzuwandeln, doch das Konzept funktionierte. Die Leute fühlten den Abstieg hinunter in die von Backsteinwänden umgebene Höhle, vorbei an den vergilbten Vintage-Postern und einem Leuchtschild, das die Worte Come As You Are formte. Sie zelebrierten die heruntergekommene Atmosphäre, die von Nebelanlagen und Neonlichtern dominiert und elektronischer Musik untermalt wurde.

Natürlich gab es dort unzählige Clubs, die einem ähnlichen Konzept folgten. Die Partys fanden in Hongdae meistens unterirdisch statt. Aber es war dieses gewisse Etwas, das das VIBE von den anderen Etablissements des Viertels unterschied. Hier fanden sich nicht die paarungswillige Junggesellenschicht Seouls oder feierwütige Touristen ein, sondern jene Menschen, die wirklich für eine Nacht ausblenden wollten, dass die Welt da draußen existierte. Komm so wie du bist. Hier zwingt dich keiner zu hohen Schuhen oder einem Hemd.

Dass das VIBE eine zweischneidige Klinge darstellte, war Yoongi vollkommen klar. Genauso wie die Tatsache, dass es sich bei Come As You Are um einen Song der Band Nirvana handelte. Auch wusste er, dass der Sänger Kurt Cobain an einer Überdosis Heroin und einem Kopfschuss mit einer Schrottflinte gestorben war. Komm so wie du bist. Deprimiert und kaputt. Wir lassen es dich hier unten zumindest für ein paar Stunden vergessen. Oder noch besser: Wir ziehen dich in diese Welt hinein, wenn du noch kein Teil von ihr bist. Keine Angst, du wirst schon nicht wie Kurt enden.

Trotzdem liebte Yoongi diesen Ort. Viel mehr als alle anderen gehypten Clubs, die das niemals schlafende Hongdae so zu bieten hatte. Er liebte das Halbdunkel, das Schimmern der Neonbeleuchtung auf den glänzenden Oberflächen und die durch alles vibrierenden Bässe. Das VIBE war sein Zufluchtsort vor der Realität. Ein kleines Paralleluniversum, das nichts von ihm erwartete, außer dass er seinen Job an der Bar gewissenhaft erledigte. Ein Bunker ist ein Ort, an dem man Schutz findet. Komm so wie du bist. Aber wenn du wieder gehst, können wir für nichts garantieren.

Mit dieser Tatsache musste sich Yoongi nach jeder langen Schicht in den frühen Morgenstunden konfrontieren. Dann, wenn er nach draußen auf die immerzu belebte Straße trat und die aggressiven ersten Lichtstrahlen auf seinem Gesicht brannten. Er hasste Sonnenaufgänge. Fast noch mehr, als die U-Bahn-Fahrt zurück nach Bongcheon, zusammen mit den Menschen, die gerade auf dem Weg zur Arbeit waren und bei seinem Anblick gerne das Gesicht verzogen. Oder sich frühmorgens von seinem besten Freund anhören zu müssen, dass ein Job in einem Club nicht gerade die beste Voraussetzung war, um ein Studium auf die Reihe zu bekommen.

Aber selbst Namjoon war sich darüber im Klaren, dass das VIBE nur einen einzelnen Faktor darstellte. Vielleicht war es sogar vielmehr die Konsequenz. Kein anderes Etablissement würde je dem gerecht werden, was Yoongi brauchte. Wenn man selbst ein Freak war, existierte es sich am besten unter seinesgleichen. Genau dieser Devise war er gefolgt. Und genau deswegen würde er auch einen Teufel tun und sich einen neuen Job suchen.

Die coolen Kids der SNU verirrten sich normalerweise nicht ins VIBE. Eher in die Trendclubs oder Bars, von denen es in der Gegend immerhin genügende gab. Oder sie gingen direkt in die exklusiveren Schuppen in Gangnam oder Itaewon. An eben jenem schicksalsbehafteten Abend, an dem unsere Geschichte beginnt, musste Yoongi jedoch dabei zusehen, wie der Feind die steinerne Treppe hinabstieg. Wie er das Heiligtum betrat, in dem er sich bisher immer ziemlich unantastbar gefühlt hatte.

When We R.I.P. || ʸᵒᵒⁿᵐⁱⁿWo Geschichten leben. Entdecke jetzt