chapter 15 - beginnings

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track no. 15
𝙄 𝙒𝙖𝙣𝙣𝙖 𝘽𝙚 𝙔𝙤𝙪𝙧𝙨 𝘣𝘺 𝘼𝙧𝙘𝙩𝙞𝙘 𝙈𝙤𝙣𝙠𝙚𝙮𝙨



YOONGI HATTE in den letzten Jahren eigentlich den Glauben daran verloren, dass ein hereinbrechender Winter auch etwas Gutes mit sich bringen könnte. Der Tod seiner Mutter stellte hierfür den Hauptindikator dar. Und vielleicht war da auch eine Zeit gewesen, in der er daran festgehalten hatte, dass Jimin in sein Leben getreten war, um ihn an die Standhaftigkeit dieser Vorstellung zu erinnern. Besonders, als ihm klar geworden war, dass dessen Geburtstag auf das gleiche Datum fiel wie jenes, an dem seine Mutter ihn für immer verlassen hatte.

Jimins Silhouette entgegen des pastellblauen Himmels zu sehen, im Regen der bunten Blätter, den Kopf dabei eingezogen in seinen Rundschal aus Wolle, wie er an einem Spieß mit frittierter Kartoffel knabberte, hatte ihn allerdings zum ersten Mal bewusst daran zweifeln lassen. Mehr noch. Yoongi hatte sich die Frage gestellt, ob er vielleicht wirklich das war, als was er ihn zunächst innerlich verflucht hatte – die Inkarnation eines Sonnenaufgangs.

Letztendlich würde das alles erklären. Die wohlige Wärme, die Yoongi in seiner Nähe erfüllte, das elektrisierende Kribbeln auf seiner Haut und die Tatsache, dass er keine einzige Sekunde den Blick von Jimin abwenden konnte, ohne dass es ihm vorkam wie pure Zeitverschwendung.

Der späte Nachmittag, den sie auf Nodeulseom mit dem Essen von Street Food und belanglosen Gesprächen über ihre Lieblingsmusik verbracht hatten, reihte sich mit dem letzten Sonntag nahtlos in die Reihe der Erinnerungsschnipsel ein, die Yoongi am liebsten in jedem Detail in seinem Kopf verwahren würde – so schlecht der heutige Tag auch begonnen hatte. Hätte ihm Namjoon an diesem Morgen erzählt, dass er noch innerhalb der nächsten zwölf Stunden einen um Welten besseren ersten Kuss mit Park Jimin haben würde, hätte er ihm wohl die Teetasse hinterhergeworfen, die nach wie vor unangetastet auf seinem Schreibtisch stand. Er hätte es ihm niemals geglaubt.

Auch jetzt wollte er noch nicht so ganz begreifen, dass eben jener Park Jimin wieder mit ihm zusammen in seinem Bett lag.

Yoongi wusste nicht, wie lange sie sich schon in die Laken schmiegten und sich gegenseitig anschauten. Es war ungewohnt, aber irgendwie nicht seltsam. Jimin hatte irgendwann angefangen, mit den Kordeln zu spielen, die aus Yoongis Kapuze kamen. Aus Yoongis Laptop drangen dumpf die Töne einer seiner ruhigeren Hip-Hop-Trap-Playlists. Die Entspannung, die sich auf Jimins Gesicht abzeichnete, wirkte wie Balsam für seine Seele. Gab es wirklich keine Möglichkeit, diesen Moment für immer festzuhalten? Dieses Bett nie wieder verlassen zu müssen?

»Ich weiß nicht, was es ist«, sagte Jimin nach einer Weile und klang dabei wie ein flüsternder Engel, »aber immer, wenn ich bei dir bin, fühl ich mich, als... als wäre alles gut.«

Yoongi zog die Stirn kraus. »Ist es das nicht?«

»Ich weiß nicht...«, murmelte er, eine unergründliche Nachdenklichkeit in seinen makellosen Zügen. »Die ganze Situation macht mir irgendwie Angst...«

Als er den Mund wieder schloss, schlich sich ein Rosa-Schimmer auf Jimins Wangen und ein Hauch von Angst flimmerte in seinen Augen auf. Yoongi reagierte instinktiv und umschloss seine Hand, die nach wie vor den Knoten der Kordel hielt, mit seiner eigenen.

»Ich verstehe, wenn du das nicht möchtest...«, zwang er sich zu sagen, auch wenn er es eigentlich nicht wollte. »Ich hab schon immer mit den Problemen gekämpft, die dieses Leben mit sich bringt und du hast immerhin die Wahl...«

Jimins Augen traten schockiert, fast schon panisch hervor. »Hyung! Ich... ich wollte damit nicht sagen, dass ich es nicht will... Ich hab nur das Gefühl, es überwältigt mich und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll... Ich hatte lange keine Stabilität in meinem Leben, musst du wissen. Meine Mutter ist extra mit mir hierhergezogen, um mir genau das zu geben. Und dann tauchst du auf und...« Er stockte und starrte dabei auf Yoongis Hand, die seine nach wie vor umschlossen hielt. »Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, dann ist es schon viel früher losgegangen. Vielleicht sogar schon damals im Proberaum, als du plötzlich aufgetaucht bist und die anderen so fies waren... und es sich plötzlich spannender angefühlt hat, mit einem mir völlig fremden Typ Cocktails zu mixen, statt mit meinen Freunden über das Festival zu laufen. Es war wirklich nicht nur ein schlechtes Gewissen. Wäre es das gewesen, hätte ich mich sicher nicht darauf eingelassen, am Ende mit dir zu dieser Party zu gehen. Oder wäre dir nicht wie ein völliger Vollpfosten hinterhergerannt, um mit dir Kakao-IDs auszutauschen.« Er lächelte in sich hinein, fast so, als würde er an einen peinlichen Kindheitsmoment zurückdenken. »Ich hab die ganze Zeit darauf gewartet, dass du mir schreibst. Yeji wurde richtig sauer, weil ich ständig am Handy gehangen bin... So sauer, dass sie mich am Ende einfach mit einer Ausrede sitzen lassen hat. Und ich wäre fast mit einem Fußgänger zusammengekracht, so nervös wie ich war, als ich zum Moonlight Plaza geradelt bin.«

When We R.I.P. || ʸᵒᵒⁿᵐⁱⁿWo Geschichten leben. Entdecke jetzt