[ONGOING] Irgendwo zwischen Partys, Drogen und den Scherben seiner Jugend versucht Min Yoongi einfach nur sein Musik-Studium nicht in den Sand zu setzen. Als glorreicher Erfolg ist sein Entzug in Busan vor Beginn seines dritten Semesters dabei nicht...
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WENN MIN YOONGI an Park Jimin dachte, dann dachte er an die Sonne.
Ohne sie gäbe es auf der Erde kein Wachstum, richtig? Sie betankt Flora und Fauna, macht Farben sichtbar, schafft Leben. Viele Menschen lieben die Sonne. Lassen sie in ihr Herz und sehen nur ihre positiven Eigenschaften. Dabei ist sie auch ganz nebenbei Hauptverantwortliche für Waldbrände, Hautkrebs und Dürreperioden. Mit nahezu unerschöpflicher Energie sendet sie für all diese Zwecke ihre Strahlen gut 150 Millionen Kilometer quer durchs All und braucht dafür nur läppische acht Minuten. Das ist genauso lange wie Yoongi gebraucht hatte, um zu realisieren, dass Jimin und er nicht kompatibel waren.
Er erinnerte sich noch gut an den Tag. Es war der 3. September gewesen, Beginn des Herbstsemesters an der Seoul National University. Der September leitete das offizielle Ende der Monsunphase in Südkorea ein und damit auch die Zeit, in der Yoongi nicht mehr gerne aus dem Fenster schaute. Regen hatte eine therapeutische Wirkung auf ihn. Aber vielleicht redete er sich das auch nur ein, weil er sich gerne in Melancholie suhlte.
Park Jimin war in sein Leben getreten wie die Sonne in all ihrer scheinheilig blendenden Pracht im September zurückkehrte. Vielleicht sogar als personifizierte Version ihrer selbst, aufgegangen im Osten. Busan, um genau zu sein. Das war seine Heimatstadt.
Sein heuchlerisches Charisma hatte ihm zum besten Start an der neuen Uni verholfen, den man überhaupt hätte haben können. Die Leute hatten ihn empfangen wie einen verloren geglaubten Sohn, einen Prinzen, den sie auf ihren Partys mit Kronen aus Plastik krönen und Bierduschen überschütten konnten. Jimin war einfach dieses perfekte Abziehbild einer Person, die von innen heraus zu leuchten schien – oder es zumindest so wirken ließ. Perfekt inszeniert durch ein aufgesetztes Lächeln und jede Menge Markenklamotten. Und dieses Licht, das ihn dadurch umgab, zog die Menschen um ihn herum an wie die Motten.
Yoongi hatte noch nie geleuchtet. Er war der verdammte Mond. Kalt, tot und am liebsten auf sicherem Abstand. Wenn überhaupt, diente er der Sonne nur als Mittel zum Zweck, damit sie auch des nachts ein bisschen Licht auf die Erde senden konnte. Wenn sie beide denn überhaupt im richtigen Winkel zueinander standen.
Abgesehen vom metaphorischen Gesichtspunkt konnte Yoongi die Sonne im echten Leben nicht einmal ertragen. Er hatte sogar eine verdammte Allergie und verbrachte so wenig Zeit wie möglich draußen. Sie beide waren einfach nicht kompatibel. Gegensätzlich. Und dann kam da jemand wie Jimin. Quasi die Sonne auf zwei Beinen. Bereit, ihn auch an den Orten zu grillen, an denen er sonst immer Schatten gefunden hatte.
Acht Minuten. Es waren genau jene acht Minuten gewesen, die vergangen waren zwischen ihrem ersten Sichtkontakt und ihrer ersten Berührung.
Yoongi hatte Jimin zum ersten Mal am Willkommenstag der Erstis gesehen. Der neue Student hatte bei den Zelten gestanden, wo die Uni-Clubs und Vereine für sich geworben hatten und sich von einem ihrer Kommilitonen wahrscheinlich den Weg erklären lassen. Im gebrochenen Licht, das durch die Blätter des Ginkgo-Baums auf ihn gefallen war, hatte sein auffällig orangerot gefärbtes Haar ausgesehen wie lebendiges Feuer und sein Gesicht wie das Ideal, das man früher in Gemälden der Renaissance verewigt hatte. Skulpturenhaft und weich, abgerundet mit vollen Lippen und fast schon tragisch anmutigen Augen. Er war ungewöhnlich schön gewesen. So schön, dass Yoongi einfach stehengeblieben war, um ihn zu betrachten. Jimin hatte ihn nicht einmal bemerkt. Das war dann erst eben jene acht Minuten später passiert, als er Yoongi an der Tür zum Vorlesungssaal quasi über den Haufen gerannt hatte.
Yoongi wollte nicht leugnen, dass er vielleicht ein bisschen blöd im Weg herumgestanden hatte. Das tat er des Öfteren, wenn seine Gedanken ihn mal wieder einnahmen. Doch Jimin hatte ihn so ungünstig erwischt, dass ihm sein Handy auf den Boden gefallen war. Als er es aufgehoben hatte, war ein Sprung im Glas gewesen. Und Jimin mit einem halb gelachten »Pass doch auf, man« schon gute zehn Schritte von Yoongi entfernt.
Acht Minuten. So lange hatte es gedauert, bis Yoongi klar gewesen war, dass Jimin ein verdammtes verzogenes Drecksbalg war.
Und trotzdem drehte Yoongi immer wieder seinen Kopf, wann auch immer in den folgenden Wochen Jimins helles Lachen viel zu laut aus der ersten Reihe ertönte. Trotzdem suchte Yoongis Blick immer wieder nach seiner Gestalt, wann immer er sich nicht sicher war, ob sie diesen Kurs zusammen hatten. Er wollte Jimin nicht mögen. Ihn und seine Art, mit den coolen Kids darüber zu philosophieren, welche Mädchen sie dieses Wochenende aufreißen würden. Wie er sich trotzdem von eben jenen Mädchen dafür feiern ließ, als wäre er der Hauptgewinn der ganzen SNU. Ihn und sein teilweise altkluges Verhalten gegenüber den Professoren, sein arrogantes Haare-zurückwerfen und jedes noch so lächerliche Stolzieren über die Flure der Uni, als würden all jene Räumlichkeiten bereits ihm gehören.
Jimin war alles, was Yoongi nicht war. Er hatte es in zwei Wochen hier weitergebracht als er in seinem ganzen Leben. Sicherlich nicht nur im positiven Sinne, aber wenigstens in irgendeinem.
Yoongi wollte ihn nicht mögen. Er wollte, dass Jimin wieder aus seinen Kursen verschwand und zurück nach Busan ging. Oder eben weiter in den Westen zog, wo die Sonne für gewöhnlich unterging. Gleichzeitig fragte er sich ständig, wer die Erste sein würde, die Jimin mit nach Hause nahm. Er stellte sich vor, was sie erblicken würde, wenn sie morgens innerhalb von schneeweißen Laken neben ihm aufwachte. Wie das Lächeln aussah, das Jimin nur in diesen intimen Momenten an ganz bestimmte Personen verschenkte...
Es war absurd, wirklich. Es verging kein Tag, an dem Yoongi seine Gehirnwindungen nicht verfluchte und sich Auswege herbeisehnte, Jimin einfach wie jeden anderen dieses ganzen Bonzen-Gesocks ignorieren zu können. Ihn und sein ständiges Schauspiel, in welchem er alleine die Hauptrolle einnahm. Der Mittelpunkt des Sonnensystems, der seine Planeten um sich kreisen ließ.
Yoongi wollte ihn wirklich nicht mögen. Er tat es auch nicht. Das änderte jedoch nichts daran, dass sein Herz in Jimins Nähe schneller schlug als es gesund für ihn wäre.