chapter 21 - abyss

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track no. 21
𝙃𝙖𝙣𝙜𝙞𝙣𝙜 𝙊𝙣 𝘣𝘺 𝘼𝙘𝙩𝙞𝙫𝙚 𝘾𝙝𝙞𝙡𝙙


SEOULS ZENTRUM erhob sich zusammen mit den umliegenden Bergketten majestätisch entgegen des Horizonts. Die Sonne war längst untergegangen und hatte den Himmel in einem tiefen Schwarz hinterlassen. Fast kein Smog vernebelte die Lichter der Stadt, in die sie nun zurückkehrten. Die Stadt, in der Yoongi sich endgültig wieder dem stellen musste, was sich momentan sein Leben nannte.

Komischerweise fühlte sich der Gedanke daran nicht mehr so niederschmetternd an, wie er es noch vorgestern getan hatte. Yoongi blickte durch die Windschutzscheibe auf Seoul und fühlte sich auf eine ungewohnte Weise bereit. Jimin hatte nach seiner Hand gegriffen, als die ersten Wolkenkratzer sichtbar geworden waren. Er hatte sie seitdem nicht mehr losgelassen.

»Du musst dem Kleinen noch einen Namen geben, wenn du ihn behalten willst«, erinnerte er Yoongi mit einem Lächeln an das, was er erfolgreich das ganze Wochenende verdrängt hatte.

»Oh, fuck...«, entwischte es ihm und die Reue kroch in ihm hoch. »Ich hab den Vogel total vergessen...«

»Keine Sorge, ich habe mit Han und Minsu geschrieben. Ich soll dir ausrichten, dass es ihnen sehr leid tut. Sie hätten es dir auch selbst gesagt, wussten aber nicht, ob es angebracht gewesen wäre.«

»Sicher, dass du mit Han und Minsu gesprochen hast?«

Jimin grinste und drückte seine Hand ein wenig. »Ich hab es dir doch gesagt... so übel sind sie gar nicht.«

»Sie sind... ausbaufähig.«

»Das ist das Netteste, was du je über sie gesagt hast. Ich bin stolz.«

Yoongi ließ sich von seinem Lächeln anstecken und ließ sich wieder tiefer in den Beifahrersitz sinken. Busan hatte ihm wirklich gut getan. Der Gedanke an Bomi zerriss ihn nicht mehr innerlich wie eine Kettensäge, er fühlte sich Jimin näher denn je und es war ihm sogar gelungen, die Medikamente heute fast gänzlich runter zu dosieren (nicht, dass er mit seinen kläglichen Resten überhaupt eine Wahl gehabt hätte). Wenn alles gut ging, würde er sie in den nächsten Tagen ganz weglassen können. Diesmal wirklich. Er versprach es gedanklich nicht nur Jimin, sondern auch sich selbst.

Die ganze Restfahrt verbrachte Yoongi damit, sich einen Namen für den kleinen Wellensittich zu überlegen, der zuhause auf ihn wartete. Sein Gedankengang wurde erst von Jimins Niesen unterbrochen, als sie gerade in den Gwanak-gu einfuhren. Es war das erste Mal, dass er Yoongis Hand wieder losließ, um das Fach zwischen ihnen abzutasten.

»Hast du hier irgendwo Taschentücher gesehen?«, fragte er und zog dabei die Nase hoch.

Yoongi holte ein Pack aus seiner Tasche und reichte ihm eins. »Ich sag doch, ich hab dich bestimmt angesteckt.«

»Ach was, ich war gestern einfach nicht warm genug angezogen. Ich hab früher auch immer Schnupfen bekommen, wenn ich zu lange im Wind stand.«

Jimin zwinkerte ihm zu, ehe er sich wieder der Straße zuwandte. Yoongi biss sich auf die Lippen. Er wusste, dass sie gleich an der WG ankommen würden, aber er wollte sich noch nicht von Jimin verabschieden. Er hatte dieses Wochenende so viel für ihn getan... war dieser Hauch einer Erkältung nicht der perfekte Aufhänger, um wieder etwas zurückzugeben?

Gute Taten mal beiseite, Yoongi. Wir wissen alle, dass du ihm eigentlich noch eine ganz bestimmte Frage stellen willst, bevor dieser Tag endet. Und wir wissen auch, dass du es nicht packen wirst, das noch hier im Auto zu tun.

»Wie... wie wär's denn, wenn du... Ich meine... hast du heute Abend noch was vor?«

Jimin ließ ein amüsiertes Lachen hören. »Erkältungstee trinken und Schlaf nachholen vielleicht?«

When We R.I.P. || ʸᵒᵒⁿᵐⁱⁿWo Geschichten leben. Entdecke jetzt