Vergebung

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Eine Hand fuhr durch mein Gesicht als ich nachts den Sternenhimmel betrachtete. Ich war müde und doch konnte ich nicht schlafen. Immer wieder versuchte ich mir einzureden das alles gut werden würde... Das ich eines Tages damit klar kommen und darüber hinweg sein könnte.

Doch in Wahrheit war es so, daß ich mich hasste. Ich hasste mich selbst so sehr das ich es kaum ertrug mich überhaupt im Spiegel anzusehen. Ich ertrug den Klang meiner Stimme nicht, also sprach ich nicht. Ich wollte niemanden sehen, also blieb ich allein. Es war meine Schuld, meine Last. Meine Strafe.

Wenn ich mir nicht mal selbst verzeihen konnte, wieso sollte es Stella dann tun?

Die Sterne über mir funkelten...
Alles woran ich dachte war,... Das Stella genau die selben Sterne sah, in diesem Moment. Zumindest in meiner Vorstellung.

×

Das Geschäft musste weiter laufen und so ließ ich jede Gala, jedes Shooting und jeden Pressetermin mit einem Lächeln im Gesicht über mich ergehen. Ich trug meine Maske, stellte sie der breiten Masse, die begierig darauf war etwas privates zu erfahren zur Schau, nur um sie am Ende des Tages - wenn ich alleine und unbeobachtet war - herunter zu reißen und sie zu zertrümmern. Es war ein gewaltiger Drahtseilakt auf dem ich unterwegs war, doch ich musste den Schein wahren.

Natürlich hatten einige findige Reporter Lunte gerochen und waren im Bilde was die Scheidung anging.
Fragen über Fragen ignorierte ich, wenn es darum ging wieso Stella fort war oder wieso wir uns hatten scheiden lassen... Doch als einer der Reporter mir eine Affäre unterstellte - die daran Schuld sein musste - wurde ich ungehalten. Meine Zähne knirschend, meine Nasenflügel bebten.

„ Ich werde darauf nur eines sagen. Weder sie noch ich haben je Untreue begangen. Und damit sollte das Thema nun auch vom Tisch sein. “

Ich behielt meine Fassung gerade so, auch wenn ich wusste das die Aasgeier trotzdem weiter bohren und nachforschen würden... Zumindest für den Moment war ich aus dem Kreuzverhör entlassen.

Am Rand einer jeden Veranstaltung war Verado stets bei mir, hielt mir den Rücken frei und unterstützte mich, so gut es eben ging.

Aber... Das blieb nicht für immer so. Leider.
Etwa ein Jahr später fanden die Ärzte einen bösartigen Tumor, der in seinem Kopf für Chaos sorgte. Es war meine Pflicht ihm zu helfen und so tat ich alles was in meiner Macht stand, selbst als alles zu zerbrechen drohte.

Verado hatte einen irreparablen Hirntumor der rasant wuchs. Sie konnten nicht operieren... Und die Chemo schlug nicht an. Ich musste beim Zerfall dieses Mannes daneben stehen, ohne etwas tun zu können.

„ Nun sieh mich nicht so an. “ murmelte er als er meinen Blick sah. „ Das ist nicht das Ende der Welt, mein Junge. Wir haben gekämpft und nicht einfach aufgegeben, das ist auch etwas wert. “

Ich verstand nie wie er bei all den Qualen und Schmerzen, bei all dem Leid und der Gewissheit das er sterben würde so positiv bleiben konnte. Ich konnte es nicht, denn ich verlor mit ihm einen wichtigen Teil meiner selbst.

„ Du bist ein Kämpfer, Caspian. Ein starker, stolzer Mann der alles erreichen kann was er möchte. Du kannst das. Auch ohne mich. “ flüsterte er und griff nach meiner Hand. „ Dennoch... Ich habe dafür gesorgt das du das nie vergisst und dir ein Geschenk besorgt. Etwas, das dich an mich erinnern wird. “

Ich senkte den Blick. Die Tränen brannten in meinen Augen weil dieser sture alte Mann mir so viel bedeutete. Aber auch, weil er sich bereits mit allem abgefunden hatte, womit ich mich nie abfinden konnte.

Die Tür öffnete sich und Chris trat herein. Die tappsigen Schritte seines Begleiters ließen mich aufschauen.

„ Was...? “

Ein kleiner Vierbeiner, gerade einmal wenige Monate alt, lief aufgeregt neben Chris her und schien sich sichtlich zu freuen. Sein Schwanz schwenkte wild von links nach rechts und wieder zurück.

„ Das ist Casper. “ lächelte Verado. „ Ich will in meinen letzten Monaten, dass du dich mit ihm anfreundest, denn wenn ich nicht mehr da bin, bist du für ihn verantwortlich. Du wirst sehen, es wird dir gefallen... Aber vor allem wird es dir gut tun, wenn du jemanden hast um den du dich kümmern kannst. Denk immer an meine Worte, mein Junge. Du bist stark. Du kannst das. “

Und einfach so... Brach das Eis um mein Herz ein Stück weit auf, weit genug um diesem kleinen Lebewesen Platz zu machen.

Und um mich darauf vorzubereiten, daß mein Herz erneut brechen würde.

Caspian 2 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt