Verlust

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Sechs Monate später...

„ Cas, hör auf meine Socken zu zerkauen! “ schimpfte ich den blauäugigen Zerstörer. Sein unschuldiger Blick war es jedoch der mich meinen Zorn sehr schnell vergessen ließ und ich tätschelte seinen Kopf. „ Du weißt wo es heute hin geht, oder? Ich weiß dass das auch für dich nicht leicht ist. “ murmelte ich.

Vor fast einer Woche starb Verado. Er verlor den Kampf gegen die Krankheit. Casper weinte an diesem Tag und jaulte jämmerlich, stützte mich aber als ich davon erfuhr. Der kleine tappsige Welpe der unfreiwillig in mein Leben getreten war und den ich genauso unfreiwillig aufnahm wurde zu meinem Gefährten. Zu meinem Freund.

Ich band meine Krawatte vor dem Spiegel und dachte an Verado und Mum. Die beiden fanden einander im Chaos und die Zeit die Gott ihnen geschenkt hatte war viel zu kurz, doch für die beiden war es die beste Zeit ihres Lebens. Ich war etwas wehleidig, wünschte ich mir genau das selbe insgeheim doch immer noch auch für mich...

Ich hatte veranlasst das Verado direkt neben Mum beerdigt wurde. So konnte ich beide sprechen bei meinem täglichen Routine Besuch. Es war heilsam dort zu verweilen, auch wenn ich auf meine Fragen keine Antwort bekam. Sie war bei mir, meine Mum, immer. Und genauso würde nun auch Verado über mich wachen, dessen war ich mir sicher.

×

Die Gedenkfeier fand im kleinen Kreis statt. All meine Männer waren anwesend, verteilten sich jedoch auf dem gesamten Gelände. Einigen war die Trauer zuwider, andere wiederum wollten für Sicherheit sorgen - die ich dank Casper nicht brauchte.
Ich hatte so viel Zeit in seine Ausbildung investiert und war stolz das er ohne Leine nicht von meiner Seite wich. Er schützte mich, wie ich ihn schützte.

Der Pfarrer sprach die letzten Worte als ein Aufruhr meine Aufmerksamkeit erregte. Ich hörte ein paar meiner Männer flüstern, konnte aber erst nicht ausmachen wieso.

Bis ich sie sah. Stella.

Ganz in schwarz gekleidet und mit einer Sonnenbrille ausgestattet stand sie da und blickte auf Verado's Sarg hinab. Die beiden hatten ein enges Verhältnis und es war klar das sie sich von ihm verabschieden wollte. Ich biss die Zähne zusammen und tat alles was in meiner Macht stand, nicht sofort zu ihr zu gehen und sie in meine Arme zu reißen.

Sie war wunderschön.

Seit unserer Trennung konnte ich an nichts anderes als an sie denken. Keine Frau konnte ihr das Wasser reichen und bei Gott - es hatten einige versucht sich einen Platz in meinem Herzen und in meinem Bett zu er schleichen. Alle scheiterten, weil ich es nicht wollte. Sie war meine Nemesis und selbst wenn wir geschieden waren, so war ich ihr auf ewig zur Treue verpflichtet.

×

Die Anwesenden verschwanden nach und nach. Stella, Chris, Casper und ich blieben als einzige zurück.
Als Chris in seinen Anzug griff dachte ich schon das schlimmste, doch er überreichte Stella bloß einen Brief - und wiederholte die Geste bei mir. Mit einem letzten Blick verließ sie aber schließlich auch den Friedhof... Ich wusste irgendwie, daß sie ihre Eltern besuchen wollte.

„ Was ist das, Chris ? “ fragte ich und sah den Umschlag an. Es stand nichts drauf.

„ Verado bat mich die Briefe nach seinem Tod auszuhändigen. Ihr sollt ihn in Ruhe lesen. “ antwortete er und verschwand dann auch langsam... Casper hingegen blieb weiterhin an meiner Seite.

„ Na komm,... Schauen wir mal was drin steht. “ murmelte ich meinem treuen Gefährten zu und nahm die erst beste Bank in Beschlag die ich finden konnte. Ich öffnete den Umschlag und erkannte bereits die ersten Buchstaben, die sich dick und drohend in tiefschwarzer Tinte auf dem weißen Blatt verewigt hatten.

' Mein geliebter Sohn,

Ich weiß was du von Abschiedsreden hältst, deswegen schreibe ich dir diese Zeilen.

Auch wenn du biologisch gesehen nicht mein eigen Fleisch und Blut bist, so bist du doch der beste Sohn, den ich mir je hätte wünschen können. Ich weiß du siehst das anders, weil du nur das negative in und an dir siehst. Richte deinen Fokus auf die guten Dinge.
Du hast dein Leben zu etwas wunderbarem gemacht.
In den letzten Monaten habe ich einen zerbrochenen Mann gesehen der darum gekämpft hat nicht vollständig unterzugehen. Ich habe einen Mann gesehen der trotz gebrochenem Herzen das liebevollste Lächeln zustande gebracht hat.
Ich habe einen Mann gesehen der seinen Kummer, seinen Schmerz für jemand anderen zur Seite geschoben und die Bedürfnisse des anderen über seine gestellt hat.

Du bist nicht das Monster für das du dich hältst. Der Mann, der Caspian, der all die schrecklichen Dinge in der Vergangenheit getan hat, ist nicht mehr da. Sorge weiterhin dafür das es so bleibt!

Versprich mir das du kämpfen wirst. So wie du um mich und mit mir gegen die Krankheit gekämpft hast. So wie du immer dann wenn niemand hingesehen hat - außer ich - um Fassung gekämpft hast. In dir schlägt ein gutes Herz. Gib nicht auf. Niemals.

Du bist mein Sohn, mein alles. Und ich werde immer da sein um über dich zu wachen.

In Liebe, V. '

Meine Lippe bebte und Casper sah sich genötigt seine Schnauze gegen mich zu stoßen. Er wusste immer zur rechten Zeit wann ich seine Aufmunterung benötigte und ich war dankbar. Dankbar für alles was ich hatte, auch wenn ich nichts davon verdiente.
Ich hatte einen Mann in meinem Leben der zu einer Bezugsperson wurde. Der all meine Hässlichkeit kannte und der dennoch so viel Schönheit in meinem Wesen sah. Einen besseren Vater gab es nicht.

Aber er hatte recht. Ich hatte all die Monate seit Stella weg war nur noch das schlechte in mir gesehen. Ich ließ meine Wut heraus, ließ sie die Oberhand gewinnen. Das musste aufhören. Alles was er wollte war das ich kämpfte, jetzt erst recht. Er wollte das ich glücklich wurde, genauso wie ich.

Ich sah von dem Brief gen Himmel. Irgendwo dort oben saß Verado auf einer Wolke, neben Mum. Sie passten auf mich auf.

Es war an der Zeit, mein Versprechen einzulösen.

Caspian 2 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt