34. Übertreiben? Ich doch nicht.

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Eine Menge Spaß also. Na schönen Dank auch, dass meine Existenz reine Belustigung ist.

„Hat es sich für dich schon gelohnt?" Während ich auf seine Antwort wartete, trank ich einen weiteren Schluck aus meiner Flasche.

„Du bist eine meiner gelungensten Kreationen, natürlich hat es sich schon gelohnt. Weißt du, wie sauer Gabriel war, als er merkte, dass ich deine Seele gespalten und dich wieder auf die Erde geschickt habe? Sein Kopf war so rot wie eine Tomate, ich dachte er explodiert gleich." Mephisto musste bei der Erinnerung lachen. Ich persönlich konnte mir nicht allzu viel vorstellen. Ich bin noch keinem Engel persönlich begegnet, schon gar nicht einem Erzengel. Sie haben nur ab und zu durch die Vampirjäger gesprochen und versucht, mich dazu zu bringen mein unsterbliches Leben aufzugeben und in meine Hölle zurück zu kehren. Angeblich ohne irgendwelche Konsequenzen. Wer's glaubt.

„Tja, nachdem, was du mir immer über Gabriel erzählt hast, bist du der Einzige, der diesen Zustand bei ihm auslöst."

„Aber auch nur, weil er nichts gegen mich unternehmen kann. Wenn er könnte und dürfte, hätte er mich schon längst ausgelöscht."

„Also richtige Geschwisterliebe." Ich musste lächeln. „So ähnlich war es auch mit Tania und mir. Kaum waren wir mehr als drei Stunden in einem Raum, da fing die Apokalypse an. Trotzdem hab ich sie geliebt."

„Und dann hast du sie getötet." Wütend knallte ich meine Flasche auf den Tresen, die ich gerade zum Trinken gehoben hatte. Sagen tat ich aber nichts. Mephisto beobachtete mich von der Seite.

„Du hast es immer noch nicht richtig verarbeitet." Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Die ersten dreihundert Jahre meines unsterblichen Lebens hatte er mich immer wieder in seinen Palast geholt und mit mir trainiert. Vor allem aber versuchte er, mich dazu zu bringen meine Vergangenheit und mein jetziges Ich zu akzeptieren. Er hatte die Befürchtung, dass ich daran irgendwann zerbrechen und die Kontrolle über mich komplett verlieren würde. Seine Befürchtungen waren nicht ganz unbegründet gewesen. Ganze weitere dreihundert Jahre ging es gut, bis es eines Tages beinahe zu späte war. Friedward und Francis konnten  gerade noch schlimmeres verhindern. Das war vor ungefähr fünf Jahren. Vermutlich suchte mich Mephisto deshalb auf.

„Ich habe dir doch schon so oft gesagt, dass du mit jemanden darüber reden solltest. Du weißt, was sonst passieren kann. Du hast immer noch einen Teil deiner Seele und somit auch deine Emotionen. Alles zu unterdrücken und versuchen abzuschalten ist keine Option. Das weißt du ganz genau." Dieses Gespräch haben wir schon hunderte Male geführt. Und jedes Mal hielt er mir mit ernster und besorgte Stimme einen Vortrag und ich schaltete auf Durchzug. Ich kann und will einfach nicht darüber reden. Mit niemanden. Bis zu einem gewissen Grad ja, aber nicht mehr.

„Bitte hör auf.", flüsterte ich leise, während ich auf den Tresen starrte. Ich spürte, wie mir eine einzelne Träne über die Wange lief. Wieder nahm ich einen Schluck. Im Hintergrund konnte man die beiden Männer vergnügt lachen und Witze reißen hören. Ich will wieder die Hunter-Prüfung bestreiten. Da wurde die Reise noch nicht zu einer ganzen Therapiestunde. Plötzlich schob mir Mephisto eine Zettel mit einer Nummer zu. Darunter stand sein Name und eine Zeichnung, die wie ein Teufelsemoji aussah.

„Falls du doch mal reden willst oder etwas brauchst, schreib mir oder ruf mich an."

„Du besitzt ein Smartphone?"

„Was soll das denn heißen? Natürlich, schon lange. Die Dinger sind absolut praktisch. So hat Karasu nicht mehr so ein Stress Nachrichten zu überbringen. Der arme Vogel stand kurz vor einem Burn-Out." Ein Bild der drei-beinigen Krähe Blitze vor meinen Augen auf. Jedes Mal völlig abgehetzt, zerzaust und kurz vor einer Panikattacke, wenn man noch Fragen hatte.

Port Hunter - Der Beginn eines neuen AbenteuersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt