20. Möge der Spaß beginnen

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Die Schifffahrt war nicht ganz so schlimm, wie gedacht. Trotzdem konnte ich den Drang nicht verhindern mich an die Reling zu krallen und erst wieder loszulassen, als wir da waren. Wie gesagt, ich kann zwar schwimmen, aber als Vampir in ein Meer oder ein großer Gewässer geworfen, dann zurück gelassen und irgendwann kraftlos zu werden und nicht sterben zu können, hinterlässt doch leichte psychische Störungen. Ich spreche aus Erfahrung.

Was diese Begleiterin die ganze Zeit gelabert hatte, bekam ich auch nicht wirklich mit, weil sich Hisoka neben mich gesellte und unterschwellig versuchte mehr über mich heraus zu finden. Ich war allerdings so mit dem Festkrallen beschäftigt, dass ich ihm, wenn überhaupt, nur kurze Antworten gab. Sobald das Schiff stand und auch Land wieder in Sicht war, war alles wieder beim Alten. Ich hatte es vorher aber noch geschafft, Hisoka über diese Prüfung zu befragen. Vorhin hatte ich ja wieder einmal nicht zu gehört. Also war ich jetzt über das Punktesystem im Bilde.

Mein Schild drei Punkte, das Schild von meinem Ziel drei Punkte, alle anderen jeweils ein Punkt. Und sechs Punkte brauche ich. Sollte zu schaffen sein.

Ich war die Erste, die von Bord gehen durfte. Während ich über die Planke ging und den Wald vor mir betrat, pfeifte ich ein Lied. Mein Plan war, mir erst einmal einen groben Überblick über die Insel zu verschaffen. Sollte ich in drei oder vier Stunden schaffen. Die Nummer 131 kann ich ganz leicht wiederfinden. Ich hatte ihn im Turm ja verletzt. Die Wunde wird noch nicht verheilt sein, somit kann ich nachher die Fährte durch sein Blut aufnehmen. Mittlerweile sollten meine Jagdfähigkeiten wieder aktiviert sein. Zumindest ein bisschen.

Nach dem dichten Wald kam eine freie Fläche mit sehr hohem Gras. Für so ein Jäger-und-Gejagte-Spiel ein sehr gefährlicher Platz. Und so ging es immer weiter. Wald, freie Fläche, Wald, Steinhaufen, Wald, Höhle, freie Fl… Warte Höhle? Schnell ging ich wieder zurück. Höhlen sind immer interessant, vielleicht finde ich auch etwas Nützliches. Was auch immer das sein soll.

Leider war es keine wirkliche Höhle. Kaum war ich drin, war sie auch schon zu Ende. Enttäuscht ging ich weiter.

Langsam ging die Sonne unter. Ich sollte mich auf den Weg machen. Da ich hier nichts wittern kann, überlegte ich, wo er am ehesten hin gegangen sein könnte. Da er weiß, dass er mein Ziel ist, muss es ein Ort sein, wo man sich gut verstecken kann. Da würde mir die felsige Landschaft und der Wald einfallen. Da ich aber nur eine einzige Höhle gefunden hatte, die sich nicht wirklich als Versteck eignet, gehe ich Richtung Wald. Ich hatte einen Teil des Waldes im Kopf, da er recht dunkel und eng bewaldet war. Vielleicht ist er dort.

Nach einer halben Stunde hatte ich den Wald erreicht. Sofort konnte ich Blut riechen. Zwar sehr schwach, aber der Geruch ist da. Und glücklicherweise war es Nummer 131. Was habe ich nur für ein Glück. Langsam bewegte ich mich im Schatten der Bäume vorwärts. Immer darauf achtend kein Geräusch zu verursachen. Im Turm war es einfacher, aber hier liegen so viele Äste und andere Sachen auf dem Boden. Nach kurzer Zeit konnte ich ihn sehen. Er hat sich mit zwei weiteren Teilnehmern zusammen getan. Gerade schlugen sie ihr Lager auf. Ich beobachtete sie eine Weile, wie sie aßen, irgendetwas besprachen und dann schlafen gingen. Zumindest zwei von ihnen. Einer hält wohl wache. Leider der Falsche, aber das macht nichts.

Nur wie fange ich jetzt an? Ich bin relativ weit weg von dem Lager. Der Wald ist dunkel und dicht, ich sollte mich gut um sie herum bewegen können. Außerdem hallen Geräusche in einem Wald viel nach. Mal sehen, ob ich sie aufscheuchen kann. Wie am Anfang, als ich von dem Boot herunterging, fing ich an zu pfeifen. Genau das selbe Lied von vorhin. Die Töne hallten von den Bäumen wieder und verwandelten das fröhlich Lied in etwas verzerrtes, grausames. Die Wache schreckte auf. Er war wohl schon am einschlafen. Panisch sprang er auf und rannte zu den beiden Schlafenden, um diese zu wecken. Funktionierte dem Anschein nach aber nicht so gut. Schnell und leise bewegte ich mich von hinten auf ihn zu, bis ich genau hinter ihm stand. Die anderen schliefen immer noch.

„Lass die beiden doch schlafen und uns ein wenig Spaß haben.“ Ihm lief ein Schauer über den Rücken und er erstarrte, als ich ihm die Worte ins Ohr flüsterte. Danach fing er an unkontrolliert zu zittern.

„Hast du etwa so eine Angst vor mir? Ich dachte ihr seid richtige Männer und Frauen wären nichts?“ Jetzt drehte er langsam seinen Kopf zur Seite und schaute direkt in meine hellblauen Augen. Ich hatte nämlich schon in meinen Vampirmodus gewechselt. Danach wanderten seine Augen zu meinem Mund und meinen Fangzähnen. Als er anfangen wollte zu schreien, hielt ich ihm den Mund zu.

„Tsk, tsk, tsk. Wir wollen doch niemanden aufwecken. Der Spaß beginnt doch erst.“ Wieder grinste ich. „Ich habe aber noch eine Frage an dich, bevor wir los legen. Wie heißt die Nummer 131 mit Namen?“

„I…I…Ich w…weiß es nicht!“ Heftig schüttelte er seinen Kopf, um seine Aussage zu bestätigen. Glauben tat ich es ihm aber nicht.

„Nein? Du warst die ganze Zeit im Turm und auf dem Schiff bei ihm, weißt aber nicht, wie er heißt? Das ist aber schade.“ Gekünstelt schmollte ich, wechselte aber gleich wieder in ein Grinsen.

„Dann bist du überflüssig.“ Schnell zog ich meinen Dolch und hielt ihn an die Kehle des Typen. Dieser quietsche erschrocken auf, als die Klinge in seinen Hals schnitt.

„Warte, warte! Er heißt Milo! Mehr weiß ich aber nicht. Ich kenne ihn erst seit dem Turm!“

„Danke.“ Mit einem Lächeln und einer schnellen Bewegung schnitt ich ihm die Kehle durch. Gurgelnd sank er zu Boden, zuckte noch ein paar mal, bis er reglos und still da lag. Sein Herz gab nach ein paar Sekunden ebenfalls auf. Da waren es nur noch zwei. Der andere interessierte mich genau so wenig, wie dieser hier. Also Schnitt ich ihm im Schlaf die Kehle durch. Genauso wie der andere, ging er gurgelnd den Ende entgegen. Danach sammelte ich von den Beiden Toten die Teilnehmernummer ein und verstaut sie im Rucksack.

Jetzt hieß es nur noch warten, bis die Nummer 131, auch, wie ich jetzt weiß, Milo genannt, aufwacht. Dafür setzte ich mich neben ihn und starrte ihn an. Irgendwann würde dabei jeder noch so gefühlstaube Mensch aufwachen. Aber das dauert. Nach drei Stunden war ich schon genervt und völlig aus der Stimmung. Wie tief kann ein Mensch bitte schlafen. Das Feuer ist mittlerweile auch aus gegangen und die Tiere um uns herum wurden aktiver. Von dem Geruch des Todes angelockt, kamen schon ein paar Aasfresser und machten sich an die Arbeit. Von mir ließen sie sich nicht stören.

Nach weiteren drei Stunden, es wurde schon wieder hell, öffnete der Herr endlich mal die Augen.

„Guten Morgen, Sonnenschein. Gut geschlafen?“ Es dauerte eine Weile, bis sein Hirn meine Stimme und das gesagte verarbeitet hat, denn erst eine Minute später schreckte er auf und schaute mich mit großen Augen an. Danach schaute er seine Umgebung an. Sein Blick blieb an den bereits angeknabberten Leichen hängen.

„Keine Sorge, sie hatten einen relativ schnellen Tod. Aber du, mein Lieber, du wirst mehr Spaß mit mir haben.“ Er krabbelte bei meinen Worten immer weiter zurück. Blöd nur, dass er relativ nah an einem der Bäume geschlafen hatte. So weit zurück konnte er also nicht.

„Du weißt doch bestimmt noch, wie diese Prüfung genannt wird oder?“ Ein Nicken seinerseits.

„Sehr gut. Also ich bin Jäger, du der Gejagte. Aber ich denke, das war dir schon klar. Theoretisch könnte ich dich jetzt schon umbringen, aber das ist mir zu langweilig. Ich lasse dir also eine Wahl. Entweder du gibst dein Leben jetzt schon auf und stirbst schnell, oder ich lasse dir eine Stunde Zeit zu fliehen und ich jage dich danach wieder. Nur stirbst du qualvoll und langsam, wenn ich dich finde. Wenn du es schaffst die sieben Tage vor mir zu fliehen, lasse ich dich am Leben. Du hast die Wahl.“ Seine Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Er schnappte sich seine Sachen und rannte sofort los. Ich machte es mir nochmal in dem Lager gemütlich und nutzte die Zeit meine Dolche wieder zu säubern und zu schärfen. Sie sollen ja einen guten Dienst verrichten.

Nach einer Stunde machte ich mich dann auf dem Weg.

„Möge der Spaß beginnen.“

Port Hunter - Der Beginn eines neuen AbenteuersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt