21. Phase 1: Entspannen

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Phase eins meines Spiels war nun ein wenig zu entspannen. Nichts ist schlimmer für einen Menschen die ganze Zeit unter Strom zu stehen. Ich habe ihn mit der einen Stunde, die ich gewartet habe, ziemlich unter Druck gesetzt. Jetzt muss er die ganze Zeit auf der Hut sein und  schreckt vermutlich bei jedem kleinsten Geräusch auf. Jede Sekunde hat er Angst, dass ich auftauchen könnte. Je mehr Zeit ich mir aber lasse, ihn zu finden, desto größer wird die Hoffnung, dass ich ihn nicht finde und er überlebt. Und diese Hoffnung wird ihn unvorsichtig werden lassen. Deswegen lasse ich ihn heute erst einmal wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Gegend laufen.

Es war immer noch relativ früh, als ich auf einer freien Fläche ankam. Mitten drauf stand ein großer, massiver Baum, der einem zum ausruhen einlud. Stur ging ich auf ihn zu, bis mir ein zwei ruhige Herzschläge auffallen. Zwar hatte ich die ganze Zeit von meinem Hunter-Beobachter den Herzschlag im Ohr, aber den kann ich mittlerweile gut ignorieren. Von den neuen Herzschlägen kam einer aus einem Busch, der andere vom Baum. Und beide kannte ich. Der eine war Gon, der andere Hisoka. Dem Anschein nach ist Hisoka Gons Ziel. Dem Busch, in dem Gon saß, warf ich ein Lächeln und ein Zwinkern zu. In Gedanken wünschte ich ihm viel Glück. Natürlich würde ich ihn nicht verraten, dafür ist er einfach zu lieb und knuffig. Wenn es Killua gewesen wäre, wäre es was anderes.

Nun wollte ich testen, ob man Hisoka erschrecken kann. Wie vorhin beim Lager, näherte ich mich dem Baum schnell und leise. Ich machte wirklich kein Geräusch. Als ich um den Baum herum sah, konnte ich sehen, dass sein Blick auf kleine, rote Schmetterlinge fixiert war.

„Hallo, May.“ Gerade, als ich ihn erschrecken wollte, begrüßte er mich. Wie zum Henker wusste er, dass ich hier bin? Schon wieder mit diesem dämlichen Nen? Was ist das nur für ein Kram?

„Maaaaaan. Das macht ja gar kein Spaß mit dir.“ Beleidigt ließ ich mich neben ihn plumpsen. „Und? Hast du dein Ziel schon?“

„Nein. Du denn?“ Ich sah ihn an.

„Mehr oder weniger. Ich habe das Gefühl, dass du überhaupt keine Ahnung hast, wer dein Ziel ist. Liege ich da richtig?“ Er grinste.

„Ja du liegst richtig. Ich suche mir einfach drei andere Ziele. Und was meinst du mit mehr oder weniger?“

„Ach, ich spiele nur mit meinem Ziel ein Spiel.“ Es kehrte wieder Stille ein.

„Ich werde mich jetzt ein wenig auf den Baum verziehen. Wenn was ist…ach du weiß ja. Wirfst du mich mit einer Karte ab, bist du ein Kopf kürzer.“ Mit einem Satz sprang ich auf den ersten Ast in der Baumkrone und machte es mir dort gemütlich. Die Zeit konnte ich wieder nutzen, um meine Beobachtungen auf zu schreiben. Hisoka saß  immer noch am selben Fleck und beobachtete die Schmetterlinge, die sich um ihn scharten.

Erst am späten Nachmittag kam wieder Bewegung in ihn. Ich war gerade am Dösen, als er anfing zu sprechen.

„Nun komm schon raus.“ Überrascht schaute ich auf. Hatte er Gon entdeckt? Nein. Da war ein neuer Herzschlag, vermutlich hat er ihn bemerkt. Komisch, dass er dann Gon die ganze Zeit nicht bemerkt hat. Hat er vielleicht seine Aura unterdrückt, so wie Gittarakur?

„Ich weiß, dass du da bist. Wenn du nicht zu mir kommst, komm ich zu dir.“ Er stand auf und ging direkt auf Gons Versteck zu. Ich hoffe nur, dass Gon jetzt ruhig bleibt, denn der fremde Herzschlag ist genau neben ihm. Laut dem verschnellerten Herzschlag von Gon, weiß er es aber nicht. Kurz bevor Hisoka das Gebüsch erreichte, tauchte der Fremde auf. Gon war aus dem Schneider.

„Ich fordere dich zum Duell.“ Ich verdrehte die Augen. Das war wieder so eine Kämpferehrensache oder so. Das hat mich damals schon bei meinen Soldatenkollegen genervt. Immer diese Duelle untereinander, nur um zu sehen, wer der stärkste ist. Da hielt ich mich meistens raus. Dieser Kampf hier würde sowieso nicht so lange dauern, denn der Fremde roch stark nach Blut. Er war wohl tödlich verletzt worden und wollte nun in einem Kampf sterben. Hisoka schien es auch bemerkt zu haben, denn er wich den Angriffen des Fremden immer wieder nur aus. Ich schloss einfach wieder die Augen. Für mich war es uninteressant.

Auf einmal fing der Baum, auf dem ich es mir gemütlich gemacht hatte, an um zu fallen. Und das ziemlich schnell. Leider reagierte ich zu spät, denn im nächsten Moment lag der Baum halb auf mir drauf und zerquetschte meine Beine. Stöhnend und fluchend versuchte ich ihn von mir herunter zu bekommen. Ich musste in meinen Vampirmodus wechseln, so schwer war er. Danach musste ich erst einmal meine Beine in Ordnung bringen. Vor Wut darüber, dass dieser Fremde meinen Platz und meine Beine zerstört hatte, und vor Hunger, da das heilen der Beine sehr viel Energie kostete, raste ich auf den Fremden, der mittlerweile erschöpft auf den Knien saß, zu und packte ihn. Mit einer flüssigen Bewegung riss ich ihm die Kehle auf und trank ihn leer. Danach warf ich ihn achtlos zur Seite.

„So kann man es natürlich auch machen. Danke für das eliminieren meines Ziels.“ Gittarakur kam aus einem Teil des Waldes auf uns zu. Hisoka hat sich mittlerweile auf dem umgestürzten Baum gesetzt und beobachtete mich. Wieder einmal.

„Er hat meinen Platz zerstört und meine Beine zerquetscht. Das war nur der Preis, den er dafür zahlen musste.“

„Dann ist es ja eigentlich meine Schuld. Er ist mir entwischt.“

„Du hast ihm wohl eher einen letzten Wunsch erfüllt.“ Hisoka sah Gittarakur vorwurfsvoll an. „Du hast zu viel Mitleid mit den Schwachen.“

„Als ob du noch nie einen deiner Gegner am Leben gelassen hast.“

„Ich habe da so mein Auswahlverfahren. Die, die würdig sind, müssen erst heranreifen, bevor ich sie bekämpfen und am Ende töten kann.“ Irgendwie wurde ich aus der Konversation der beiden nicht ganz schlau, aber ich glaube mit dem letzten Satz von Hisoka war unter anderen auch ich gemeint. Nur wird er Probleme haben mich zu töten. Das wird noch witzig werden.

Ich ging zu den beiden und ließ mich vor Hisoka auf den Boden gleiten.

„Willst du dich nicht vorher sauber machen?“ Ich sah zu Hisoka, dann an mir herunter. Ich habe wieder einmal in Blut gebadet. Das heißt mein schönes grünes Top ist nun auch dahin.

„Ne. Nachher werde ich ein weiteres Blutbad veranstalten, da will ich nicht noch ein weiteres Top verlieren. Ich habe nicht so viele.“ Kurz war es still.

„Ach, Hisoka, bevor ich es vergesse. Ich habe ein Schild, welches ich nicht brauche. Du kannst es haben.“ Gittarakur warf Hisoka eine Teilnehmernummer zu.

„Die ist von einer Frau, die mich eine Weile lang verfolgt hatte. Irgendwann nervte sie mich aber, da habe ich sie getötet.“

„Ich hätte auch noch zwei, wenn du die haben willst.“ Ich holte die beiden Nummern heraus und hielt sie ihm hin. "Die Begleiter von meinem Opfer waren mir im Weg, deswegen habe ich sie beseitigt.“ Hisoka sah die beiden Nummern in meiner ausgestreckten Hand an.

„Nein. Ich nehme nur die eine Nummer. Ich möchte ja selbst noch Spaß bei dieser Prüfung haben und nicht nur von anderen mit Nummern versorgt werden.“ Schultern zuckend packte ich meine wieder ein. Wer nicht will, der hat schon.

„Dann wollen wir mal.“ Auf einmal fing Gittarakur an die Nadeln aus seinem Gesicht zu ziehen. Kaum waren alle draußen, da fing sein Kopf an sich zu verformen und ein völlig anderes Gesicht kam zum Vorschein. Völlig verwirrt schaute ich zwischen den beiden hin und her. Hisoka schien es nicht zu stören.

„Immer wieder schön an zu sehen.“

„Wenn es nur nicht so schmerzhaft wäre.“ Gittarakur packte seine Nadeln und sein Schild in seine Tasche. Ich war immer noch verwirrt.

„Was zum…Was geht denn jetzt ab?“

Port Hunter - Der Beginn eines neuen AbenteuersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt