Eine Prüfung?

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Es war erst dunkel. Meiner Meinung nach viel zu dunkel, denn eigentlich konnte ich ganz gut im Dunkeln sehen, aber nun sah ich gar nichts. Das blieb aber nicht lange so, denn auf einmal wurde es sehr hell. Auch nicht angenehm. Nachdem sich meine Augen endlich wieder an die Lichtverhältnisse gewöhnt haben, konnte ich mich umsehen. Ich bin in einem fahrenden Aufzug gelandet. Meiner Meinung nach ein komischer Ort um aus einem Portal zu kommen, aber was soll´s. Kurz darauf öffneten sich die Aufzugtüren und ein großer, schwach ausgeleuchteter Raum mit Steinwänden kam in Sicht. Da ich keine Fenster sah, vermutete ich, dass er unterirdisch war. Nicht gerade angenehm, aber immerhin besser als Wasser. Ihr müsst wissen, Wasser und ich haben nicht die beste Beziehung zueinander. Ich kann zwar schwimmen, aber so lang es nicht nötig ist, bleibe ich vom Wasser fern. Vor allem von geweihtem Wasser, das brennt immer so auf der Haut.

Das zweite, was mir jetzt auffiel, waren die vielen Menschen. Menschen mit recht ungewöhnlichem Aussehen. Und alle starrten mich an, als ich nun aus dem Aufzug ausstieg. Bevor ich irgendetwas sagen oder machen konnte, kam ein grünes Männchen auf mich zu. Es erinnerte mich an eine Bohne.

„Bist du ein Neuling oder hast du schon einmal Teilgenommen?“ Während er mich das fragte, drückte er mir ein Schildchen mit der Nummer 269 in die Hand.

„Äh also, da ich keine Ahnung habe wovon du redest, denke ich mal Neuling. Wobei nehme ich denn eigentlich Teil?“ Durch meine Antwort schaute das Männchen etwas verdutzt. Anscheinend sollte man wissen wo man war, wenn man aus dem Aufzug ausstieg.

„Nun ja. Hier findet die diesjährige Hunterprüfung statt.“ Und damit verschwand er. Toll, jetzt ließ er mich einfach so stehen ohne mir eine richtige Antwort gegeben zu haben. Hunterprüfung. Das sagt mir jetzt auch echt viel.

Langsam bahnte ich mir einen Weg durch die Menge, um an den Rand des Raumes zu kommen. Auch wenn ich mich durch die Großstädte meiner Welt daran gewöhnt habe in einer großen Menge von Lebewesen zu stehen, war es mir hier noch nicht geheuer. Meine Sinne haben sich noch nicht ganz von der Portal-Reise erholt und sind von den neuen Eindrücken schon etwas überlastet. Und jetzt schon die Beherrschung zu verlieren und jemanden anzuknabbern, war nicht gerade mein Plan. Auch wenn, so wie es scheint, Gewalt nichts neues für die hier Anwesenden wäre. Jeder von ihnen hatte mindestens eine Waffe dabei und jeder schaute jeden mit einem feindseligen Blick an. Okay gut, Vampirismus kann man nicht unbedingt mit “normaler“ Gewalt vergleichen, aber ich denke, die Leute hier reagieren nicht so panisch darauf. In meiner Welt brach immer gleich eine Massenpanik aus, sobald ein Jungvampir nach seiner Verwandlung die Kontrolle verlor und ein oder zwei (vielleicht auch ein bisschen mehr) Menschen zerfetzte.

Aber zurück zum Thema. Ich mag die Menschenmasse grad nicht und will endlich zum Rand. Nicht gerade einfach bei dem sich immer mehr füllenden Raum.

Auf meinem Weg dahin nahm ich viele stechende Blicke wahr. Jeder einzelne Schritt von mir wurde beobachtet. Ich vermute jetzt einfach mal, dass es daran lag, dass ich eine Frau bin. Denn von den jetzt ungefähr 300 anwesenden Teilnehmern waren es ungefähr 10 Frauen. Nicht gerade eine stark vertretene Fraktion, aber mir soll es recht sein.

Bei der Wand angekommen, setzte ich mich auf den Boden, schloss meine Augen und konzentrierte mich auf die Teilnehmer. Auf ihre Atmung, den Herzschlag, das Rauschen des Blutes. Auch hörte ich auf die Gespräche, bis mir Schritte auffielen, die sich mir näherten. Nachdem diese bei mir ankamen und stoppten, öffnete ich die Augen und sah einen rundlichen, relativ kleinen Mann vor mir.

„Hallo, du bist neu hier oder? Mein Name ist Tonpa und ich nehme schon das 35. mal an der Prüfung teil. Man kann also sagen ich bin ein Experte, wenn es um die Prüfung geht.“ Zum 35. Mal? Also entweder ist die Prüfung sehr schwer oder er einfach zu blöd. 

„Hi. Ich bin Maylene, kannst mich aber auch May nennen. Du sag mal Tonpa. Was genau ist eigentlich diese Hunterprüfung. Eigentlich bin ich hier nur aus versehen gelandet.“ Ich lächelte peinlich berührt. Kurz konnte ich Verwirrung in Tonpas Augen wahrnehmen, diese verschwand aber schnell wieder.
„Nun, diese Prüfung wird abgelegt, um Hunter zu werden. Es ist eine gefährliche und schwierige Prüfung. Man kann sogar dabei sterben. Also solltest du dir vielleicht doch nochmal überlegen ob du wirklich teilnehmen willst. Nichts für ungut, aber du siehst nicht wie jemand aus, der kämpfen kann. Und ohne kämpfen zu können wird es schwer zu bestehen und zu überleben.“ So so. Eine Prüfung wo man kämpfen können muss und sterben könnte, sofern man nicht unsterblich ist. Das hört sich doch gut an. Wie für mich gemacht. Tonpas letzten Satz über mein Aussehen und meiner Erscheinung ignorierte ich einfach mal. Ich lächelte nur.

„Na dann bin ich hier doch ganz gut gelandet. Ich freue mich schon auf diese Prüfung. Mal sehen, was die Leute hier so drauf haben.“ Letzteres sagte ich eher zu mir. Tonpa sah nun etwas verunsichert aus, lächelte dann aber wieder und kramte aus seinem Rucksack eine Limo-Dose hervor.

„Hier als Freundschaftsangebot. Ich denke, vor der Prüfung etwas zu trinken könnte nicht schaden.“ Er wollte sie mir geben.

„Tut mir leid, Tonpa, aber so etwas vertrage ich leider nicht. Ich habe selber etwas, wir können ja zusammen etwas trinken.“ Ich holte nun doch einen der Blutbeutel, eingehüllt in die kleine Tasche von Friedward, aus meinem Rucksack. Wenn diese Prüfung wirklich so anstrengend werden sollte, sollte ich mich vorher stärken. Tonpas Gesichtsausdruck hat sich mittlerweile in einen verunsicherten Ausdruck verwandelt und er stotterte sich etwas zusammen und verschwand. Was war denn nun los? Na gut, dann trinke ich eben alleine.

Während ich also an meinem Blutbeutel saugte, sah ich mir die Menge der Teilnehmer genauer an. Mittlerweile sind noch mehr Teilnehmer angekommen und der Raum füllte sich weiter. Bis jetzt sind mir nur sehr wenige Teilnehmer wirklich ins Auge gestochen. Hauptsächlich wegen ihres Aussehens. Einer war ein großer Mann, der Kleidung wie ein Clown trug, rosa-rote, hoch gestylte Haare und unter jedem Auge ein Symbol geschminkt hatte. Das eine war eine Träne, das andere ein Stern. Seine Haut war, ähnlich wie meine, sehr blass. Und seine Teilnehmernummer ist die 44. Ein weiterer Mann fiel mir auf, da er mich an ein Nadelkissen erinnert. Überall in seinem Gesicht stecken Nadeln mit dicken Perlen als Köpfe. Ob das einen Sinn hatte oder ob er einfach einer dieser Nadelfetischisten war, sei jetzt mal außen vor. Er war, wie die Nummer 44, ebenfalls recht groß und trug grüne, für mich sehr ungewohnt aussehende Kleidung. Soweit ich das erkennen konnte, war seine Teilnehmernummer die 301.

Diese beiden standen recht nah beieinander und schauten in meine Richtung. Warte….WAS? Ups, anscheinend habe ich sie doch etwas zu lange und offensichtlich angestarrt. Wie peinlich. Wenn ich rot werden könnte, würde ich es jetzt werden, aber dank meiner Blutleere war dies nicht möglich. Ich sah schnell in eine andere Richtung und schaute nun zum sich gerade wieder öffnenden Aufzug. Heraus kamen drei Personen. Ein kleiner, schwarzhaariger Junge mit grüner Kleidung, ein etwas größerer blonder Junge und ein Mann mit Brille und einem Koffer. Sie wurden, nachdem die kleine grüne Bohne ihnen ihr Nummernschild gab, sofort von Tonpa angesprochen. Auch ihnen versuchte er eine Limo-Dose anzudrehen.



Port Hunter - Der Beginn eines neuen AbenteuersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt