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JANE
eine Woche später...

In meiner kalten Wohnung aufzuwachen, trifft mich jeden Morgen wie ein Schlag ins Gesicht. Es ist eisig kalt in dem kleinen Apartment und ich kann nichts dagegen tun, da mein Geld nicht reicht, um Strom und Wasser zu bezahlen. Nur einen Vorteil hat die Kälte, ich muss mich nicht darum sorgen, dass mein Insulin warm wird, denn in meiner Wohnung ist es so kalt wie in einem Gefrierfach.
Skeptisch drehe ich die letzte Ampulle Insulin zwischen meinen Fingern, die ich noch habe, bevor mein Vorrat erschöpft ist. Das Geld, welches ich gestern vom Besitzer des McLeods erhalten habe, sollte ich nicht ausgeben, bis ich sicher sein kann, dass ich den Job auch bekomme, denn wenn nicht, würde dies bedeuten, dass ich ihnen jeden Cent zurückzahlen müsste. Was für eine Wahl habe ich allerdings? Ich brauche das Insulin, wenn ich nicht sterben will. Es ist eine Zwickmühle, aus der ich nicht herauskomme. Verdammt. Lippenbeißend schnipse ich meinen Finger gegen das Fläschchen, bevor ich die Nadel durch den Deckel steche und sie aufziehe, bis sie voll ist. Es reicht gerade noch so. Manchmal ist es so knapp, dass ich Spritzen am Abend auslassen muss, um bis zum nächsten Morgen zu kommen. Ich kann dann froh sein, wenn ich einen der Schokoriegel aus dem Pink Palace mitgenommen habe, denn ich stattdessen essen kann. Es war schon einige Male mehr als brenzlich.

Nachdenklich schaue ich zu wie die klare Flüssigkeit unter meiner Haut verschwindet, ziehe die Nadel anschließend wieder heraus, lasse sie auf den Tisch fallen und klebe ein Pflaster über die Stelle. Es dauert nicht lang, bis das Zittern in meinen Fingern verschwindet und ich fühle, wie ruhig mein Herzschlag wird. Es wirkt, und der Nebel in meinem Kopf zieht endlich ab. Ausatmend lasse ich mich rückwärts in mein kaltes Bett fallen und schließe meine Augen, um einen Moment zur Ruhe zu kommen. Ich sollte darüber nachdenken, heute früher ins Kingsley zu fahren. Dort ist es warm und angenehmer als mir hier alles abzufrieren. Noch dazu könnte ich etwas an meinem heutigen Auftritt feilen und ihn perfektionieren, um einen guten Eindruck zu hinterlassen. Das klingt nach einem guten Plan. Doch zuerst, muss ich in die Apotheke und Insulin kaufen.

In der Innenstadt von London ist es brechend voll. Ich brauche geschlagene dreißig Minuten, bis ich an der Apotheke angekommen bin. In der U-Bahn konnte ich mich kaum zwischen den Menschen durchquetschen mit der Tasche auf meiner Schulter. Geschafft trete ich aus der beißenden Kälte ins Innere der großen Apotheke und krame bereits im Laufen das kleine Rezept heraus, welches mir ermöglicht mein Insulin abzuholen. Hinter der Kasse steht ein schlaksiger Mann mit Brille und weißem Kittel, der schon etwas genervt auf mich wirkt. Anscheinend hatte er einen langen Tag. »Guten Tag, ich würde gern dieses Rezept einlösen«, erkläre ich und versuche ein halbwegs glaubhaftes Lächeln über die Bühne zu bringen. Er betrachtet es gelangweilt, tritt einen Schritt zurück und schaut auf mich hinab. »Einen Moment«, murmelt er monoton und verschwindet zwischen den raumhohen Schubkästenregalen voller Medizin. Ungeduldig trommeln meine Finger auf dem weißen Holz des Schalters, während ich fieberhaft über den schnellsten Weg ins Kingsley nachdenke. Ich will nur ins warme und meine Finger wieder spüren. Sie sind bereits ganz rot und kribbeln unangenehm. »Das macht dann 900 Pfund«, lässt der Apotheker mich wissen und stellt die drei Fläschchen zwischen uns ab. Schluckend krame ich den Umschlag heraus, den mir Mr McLeod gestern überreicht hat. Das Geld, welches ich eigentlich nicht ausgeben sollte, findet nun einen Weg in die Kasse der Apotheke. »Ich bräuchte auch noch ein paar neue Nadeln«, füge ich hinzu und reiche ihm einen Schein mehr. Nickend nimmt der Apotheker mein Geld entgegen, öffnet eine Schublade neben sich und zieht ein Päckchen austauschbare Nadeln für meine Spritze hervor. Er packt mir alles in eine weiße Tüte, in die er zu Guter letzt den Kassenzettel steckt und sie mir überreicht. »Schönen Tag noch«, murmelt er unfreundlich und ich verabschiede mich mit einem »gleichfalls.«
Noch bevor ich die U-Bahn erreiche, verstaue ich die Tüte sicherheitshalber in meiner Tasche, damit mir nichts geklaut wird. Ich kann nur hoffen, dass ich im Kingsley einen Kühlschrank oder so finde, in dem es kalt genug für meine Medikamente ist. Nachhause fahren kann ich nicht, dafür sind nicht mehr genügend Fahrten auf meinem Ticket übrig. Ich kann von Glück hoffen heute Abend irgendwie nachhause zu kommen, ohne Metro Karte. Die kann ich mir wirklich nicht auch noch leisten. Ich fühle mich schon schlecht genug die 950 Pfund genommen zu haben.

Kings of London | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt