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JANE

Die Satinbluse, enge schwarze Jeans und die passenden Heels mit der roten Sohle, lassen mich völlig fremd aussehen. Ich passe nicht in die kleine baufällige Wohnung, in der es weder heißes Wasser noch Strom gibt. Im gebrochenen Badezimmerspiegel über dem Waschbecken, blickt mir eine andere Version meiner selbst entgegen. Eine, die ausschaut als würde sie tagtäglich mit Menschen wie James oder Sawyer abhängen. Eine die aussieht als würde sie eine Bank oder Marketingfirma leiten und in einer dieser hohen Wolkenkratzer im Zentrum sitzen.
Eine die nicht ich bin.
Durchatmend streiche ich mir meine Haare ein letztes Mal glatt, während ich überlege, wohin es gleich gehen wird. James sagte mir, dass ich pünktlich unten an der Tür sein soll. Eigentlich dachte ich, dass wir uns erst morgen wiedersehen würden, doch bevor ich aus dem Hotel verschwand, verkündete er plötzlich, dass ich heute Abend mit ihm wohin müsste. Um was es geht, hat er mir verschwiegen.

In meinem Magen kribbelt es flau, als ich auf dem Gehweg dicht an die Hauswand gedrängt auf die schwarze Limousine von Philipp warte. Der kalte Wind streift meine nackten Füße, die kaum von den hohen Heels geschützt werden. Die Menschen, die an mir vorbeilaufen schauen mich komisch an, weil ich plötzlich nicht mehr ins Viertel passe. Menschen mit diesen Outfits leben nicht hier. In all den Jahren habe ich nie hohe Schuhe, edle Mäntel oder schicke Blusen gesehen. Hier haben die Menschen kaum etwas, und mich hat es nie gestört. Ich bin in der Masse untergegangen, weil sie alle so waren wie ich. Nun fühle ich mich wie ein bunter Paradiesvogel im Käfig. Unwohl ziehe ich den derben schwarzen Stoff des Mantels noch ein bisschen vor meiner Brust zu und schiebe meine Nase in den warmen Stoff. Meine Hände sind bereits rot und die Haut an meinen Füßen taub. Es müssen Minusgrade sein, denn der geschaufelte Schnee am Straßenrand ist nicht weggetaut. Fröstelnd halte ich Ausschau nach dem Wagen, der mich heute Morgen abgeholt hat und staune nicht schlecht, als ein schwarzer Jeep einen Meter vor mir anhält und der große Philipp aussteigt.

»Guten Abend Miss Smith«, begrüßt er mich freundlich und öffnet mir die hintere Tür. »Guten Abend, danke«, lächle ich ihm zu und husche ins Innere des hohen Geländewagens, aus dem mir eine wallende Wärme entgegenschlägt. Ich mache James aus, der neben mir sitzt, dann Sawyer mir gegenüber.
»Hallo«, begrüße ich die beiden unsicher und schnalle mich schnell an, da Philipp in diesem Moment den Wagen wieder bewegt.
»Guten Abend Täubchen. Du siehst gleich aus wie ein anderer Mensch. Steht dir«, spricht James zufrieden und ich bin froh, dass er im düsteren Innenraum nicht sehen kann, wie meine Wangen eine rosigen Farbe annehmen.
»Danke«, murmle ich verlegen, schlage den langen Mantel über meinen Beinen zusammen und rutsche tiefer in den warmen Sitz hinein. Nach und nach spüre ich meine Finger und Füße wieder, sie tauen kribbelnd auf und die Hitze macht mich ganz müde.
»Findest du nicht auch, Sawyer?«, möchte der schwarzhaarige wissen. Meine Augen huschen zu dem schweigsamen Mann mir gegenüber, der mich knapp mustert und nickt.
James schnalzt missbilligend mir der Zunge und wirft ihm einen seltsamen Blick zu, den Sawyer mit einem düsteren erwidert.
Okay, hier läuft definitiv was, von dem ich nichts weiß. Hatten die beiden einen Streit?
»Wo genau fahren wir eigentlich hin?«, lenke ich die Aufmerksamkeit auf mich und neige meinen Kopf nach links zu James, bevor die das Anstarrduell der beiden zu eskalieren droht. Der Chef des McLeod Hotels räuspert sich, öffnet den oberen Knopf seines Hemdes und lehnt sich wieder zurück. »Kensington Palace Gardens. Ist dir bekannt?«, hakt er nach und studiert mich erneut von Kopf bis Fuß. Der kann wohl kaum glauben, wie anders ich in den Klamotten aussehe.
Ich nicke, überschlage meine Beine nervös und richte meinen Blick nach rechts aus dem Fenster. Wer, der in London wohnt, kennt denn nicht die reichste Straße der Stadt? Kensington Palace Gardens ist eine umzäunte bestgelegene Straße im Zentrum von London, die sogar Wachposten besitzt. Sogar ich weiß das. Die meisten Häuser dort werden von Botschaftern oder anderen reichen Menschen bewohnt. Naja, falls die einmal im Jahr wirklich dort wohnen. Wer eine Adresse dort hat, muss nicht aussprechen, wie reich er ist. Anscheinend fehlt jemandem wie James McLeod eine Immobilie dort noch für sein Ego.
»Und was genau ist mein Job dort?«
»Exzellente Frage, Täubchen«, merkt James an. Aus der düsteren Ecke des Jeeps kommt ein leises schnauben, was den reichen Kerl neben mir nur etwas unverständliches murmeln lässt, bevor er mir sein Telefon unter die Nase hält. Mit verzogenem Gesicht kneife ich die Augen zusammen, da das grelle Display mich im ersten Moment blendet, bevor ich erkenne, dass er mir ein Bild von einem Haus geöffnet hat.
»In diesem hübschen Exemplar haben wir gleich eine Besichtigung, und du wirst meine Freundin spielen«, verkündet er. Hätte ich etwas getrunken, wäre jetzt der Moment, in dem ich das Wasser wie in einem dieser Filme ausprusten würde. Stattdessen klappt mit nur die Kinnlade herunter.
»Ich soll... was?«, frage ich dümmlich nach, als hätte ich Zwiebeln in den Ohren. James betrachtet das Bild kurz selbst, bevor das teure Telefon wieder in der Innentasche seines maßgeschneiderten Jacketts verschwindet.
»Paare sind wesentlich seriöser und vertrauenserweckender. Du musst nicht viel sagen, nur mitspielen, den Rest erledige ich. Wir sehen uns ein bisschen um, du merkst ab und zu ein paar Dinge an, die dir gefallen oder du anders machen würdest. Ist doch simpel«, erklärt er und klingt, als hätte er mir gerade das kleine ein mal eins erklärt. Aber ich verstehe nur Bahnhof.
»Ich kenne mich doch überhaupt nicht aus mit Häusern und Einrichtungen«, lache ich, um die aufkeimende Panik in mir zu vertreiben. James schaut mich genervt an und atmet tief durch, bevor er mir antwortet.
»Musst du nicht. Spiel einfach meine reiche Freundin und sprich nur wenn ich dich etwas Frage, besser?« Ich weiß nicht. Zweifelnd beiße ich mir auf die Unterlippe und starre Löcher in die Luft, bis der schwarzhaarige die Nase voll hat und mir vor dem Gesicht herumschnippst.
»Reiß dich zusammen, klar? Du machst das jetzt und lächelst einfach nur nett. Oder ist dir das eine zu schwere Aufgabe?«, zischt er mir unfreundlich entgegen und verdrängt die Panik, die gleich durch ein wütendes Gefühl ersetzt wird.
Gott, der hat Stimmungsschwankungen wie eine schwangere.
Mit ihm streiten werde ich allerdings nicht. Dafür habe ich keinen Kopf.
»Ja, verstanden.«
»War doch gar nicht so schwer, Jane

Kings of London | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt