SAWYER
Der protzige Privatjet mit Aufschrift des McLeod Hotels, steht auf dem Rollfeld wie ein Ungetüm zwischen Kleinflugzeugen und Segelfliegern. Am Rande von Heathrow glänzt er in der trüben Sonne, während Regen auf uns hinunter peitscht und der Rauch meiner glühenden Kippe eins mit dem grauen Himmel wird. Ich werde nass. Im Regen zu stehen ist wahrlich keine gute Idee gewesen, aber die Zigarette brauche ich, um den Flug zu überleben. Ich weiß ehrlich gesagt überhaupt nicht, wieso ich eigentlich hier bin. James will einen auf heile Welt machen mit der kleinen Brünetten, fein, aber muss er wirklich mich zwingen, mitzumachen? Ich habe ihm klargemacht, dass ich mich von ihnen fernhalten werde. Weder ihm noch ihr werde ich zu nah kommen, weil ich es einfach nicht kann. James, weil er immer versucht mich darauf anzusprechen oder etwas andeutet, Jane weil sie eben sie ist und mich an alles erinnert. Ich kann nichts gegen die Bilder und Stimmen in meinem Kopf ausrichten, die erklingen, wenn ich sie sehe oder ihr zu nah komme. Ja Gott, ich konnte ihr ja beim Sex nicht mal in die Augen schauen.
Ausatmend lasse ich die Kippe auf den nassen Asphalt des Rollfelds fallen als ich in der Ferne zwei schwarze SUVs ausmache, die auf uns zu fahren. Ich trete den Stängel kratzend mit meiner Schuhsohle aus, bevor ich auf dem Absatz kehrt mache und die Treppen des Jets hinaufsteige. Im inneren ist es warm und duftet sauber. Ich weiß nicht, wie James das immer wieder schafft. Der Jet riecht wie ein Neuwagen, dabei ist er schon mehrere Jahre alt.
»Möchten Sie ein heißes Handtuch Mister Young?«, bietet die blonde Flugbegleiterin mir auf einem Tablett an. Ich zerre mir die Kapuze vom Kopf unter der ich noch einen Beanie trage, schnappe mir eines der blöden eingerollten heißen Handtücher und werfe mich in den hinteren linken Ledersitz, hoffentlich weit weg von den anderen. Am Rande bekomme ich mit wie sie den Jet betreten und ein paar Worte mit den zwei Frauen wechseln. Zu meiner Freude halten sie tatsächlich Abstand und sinken auf die zwei gegenüberliegenden Sitze drei Reihen entfernt gegenüber. James mustert mich kurz prüfend, ich nicke ihm lediglich zu, um ihm zu zeigen, dass ich bereit bin. Vielleicht wird Sizilien doch nicht so blöd. Naja, zumindest hoffe ich das. Ich brauche dringend eine Auszeit, nur deshalb komme ich mit. Ich muss etwas anderes sehen, nicht das Hotel oder den Boxclub. Nichts, was mich in irgendeiner Weise an das erinnert, was in meiner Kindheit geschehen ist. Nicht an Sergio, nicht an meinen Vater. Nicht an mein Leben. Sonst werde ich beenden, was ich begonnen habe, und mir den Schuss setzen.~
Londons Dreckwetter scheint irgendwo über Frankreich verlorenen gegangen zu sein. Als der Jet auf der sonnigen Rollbahn in Palermo landet, strahlt der wolkenlose Himmel hellblau. Hitze schlägt mir entgegen als ich das Flugzeug verlassen und die Treppen hinab sprinte, es müssen um die fünfundzwanzig Grad sein. Im Vergleich zu Londons regnerischen Wetters, ist dies wahrlich ein Traum. Die Luft ist warm und frisch und duftet nach Meer, über dem die Sonne am Horizont gerade untergeht.
»Ist doch schön hier, oder Täubchen?«, höre ich James Stimme hinter mir und schiele ihn über die Schulter hinweg an, während ich mit einer Hand in meiner Tasche nach einer Schachtel Zigaretten taste. Die brauche ich jetzt.
»Ja ganz hübsch. Wo genau sind wir?«, erklingt Janes liebliche Stimme fragend, sie scheint verwirrt zu sein. »Bella Italia, meine Liebe. Palermo, um genau zu sein«, erzählt er und ich wende mein Gesicht wieder ab, um die Zigarette zwischen meinen Lippen zu entfachen. »Mach mal langsam Saw, wir wollen zur Villa fahren«, meint James plötzlich als er neben mir auftaucht. Ich schenke ihm einen giftigen Blick, den er gekonnt ignoriert und stattdessen Jane nachschaut, die gerade in den geparkten SUV einsteigt. »Glotz ihr noch offensichtlicher hinterher«, brumme ich und nehme einen kräftigen Zug Nikotin, »wie ein Hund, der nichts zu vögeln hat.«
»Lass deine schlechte Laune nicht an uns aus, Saw. Weißt du, man kann es durchaus auch mit Freundlichkeit versuchen. Zumindest zu mir, mit ihr musst du ja nicht sprechen, wenn du nicht willst«, schlägt er vor. Die Ernsthaftigkeit in seiner Stimme verblüfft mich. Der scheint ja echt dringend vögeln zu müssen...
»Steh da nicht so dumm rum und komm endlich! Ich habe Hunger!«, ruft er auf dem Weg zum Auto, schiebt sich eine Sonnenbrille auf die Nase und schüttelt seinen Kopf missbilligend. Grummelnd trete ich auf meine zweite Kippe dieses Tages auf dem Asphalt aus bis der Stängel stoppt zu glühen. Ich folge ihnen ins Auto, lasse mich gegenüber mit dem Rücken zum Fahrer nieder und wende mein Gesicht aus dem Fenster ab. Dabei spüre ich die ganze Zeit Janes Augen auf mir ruhen. Sie brennen sich wie zwei heiße Eisenstangen in meine Haut.
»Täubchen«, lenkt James sie allerdings nach kurzer Zeit ab. Ich bin dem Mistkerl dankbar, denn länger hätte ich das nicht mehr ausgehalten. Schluckend schiebe ich meine Fäuste in die Jackentaschen, lehne den Kopf gegen den Sitz und starre in die Ferne, bis ich meinen Blick irgendwo zwischen Häusern und Straßen verliere.
»Ich hoffe ja du hast Hunger denn in der Villa wartet ein Abendessen auf uns«, quatscht mein bester Freund sie wie ein Wasserfall zu, »und die Villa wird dir gefallen. Ist ein recht bescheidenes Häuschen.«
Dumm nur, dass die Worte bescheiden und James nicht zusammenpassen und das Ungetüm an Haus, vor dem wir wenig später vorfahren, alles andere als bescheiden ist. Das große Tor schließt hinter uns und offenbart einen großen Vorgarten mit Sattgrünem Rasen und allerlei Blumen Büschen. Das Haus riesig, hat zwei volle Stockwerke, mehrere Balkone und große Fenster. Die Säulen neben dem Eingang und die verputzte Sandsteinerne Fassade lassen es äußerlich wie einen waschechten italienischen Palazzo ausschauen.Ich springe aus dem Wagen, bevor einer der beiden etwas sagen kann und schnappe mir meine Reisetasche aus dem zweiten Auto, welches hinter uns fuhr. Über den beleuchteten Weg mache ich mich die Einfahrt entlang unter den Palmen hindurch bis zum Nebeneingang. Ich will mich jetzt nicht noch mit den Angestellten herumschlagen müssen, die an der Haustür auf James warten. Er mag dieses Tamtam, ich hingegen will einfach meine Ruhe haben. Im Erdgeschoss liegt mein Zimmer direkt im linken Flügel. Man kann vom Haupthaus nicht darauf schauen so ist es hier recht privat und still. Ich stoße die überdimensionale Tür auf, kicke sie direkt hinter mir zu und werfe die Reisetasche auf die Sofalandschaft zu meiner rechten. Das Zimmer ist groß, hat ein kleines Wohnzimmer, eine Bar, ein großzügiges Badezimmer und ein offenes Schlafzimmer, von dessen Bett man direkt auf die eigene Terrasse schauen kann. Müde reibe ich mir meinen Nacken und laufe über den kühlen Steinboden auf das Bett zu. Es ist riesig und hat eine perfekte Aussicht über die Stadt. Ich knipse das kleine Licht neben dem Kopfteil an, gönne mir einen Moment, in dem ich bloß die funkelnde Stadt betrachte, bevor ich mich abwende und ins Badezimmer verschwinde, um zu duschen. Ich will bloß in Ruhe schlafen.
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Kings of London | 18+
Romance|Teil 1&2| Köpfe sind gerollt. Die Duncans haben eine menge Unruhe in der Londoner Unterwelt gestiftet, als sie Sergio Karakov verhaften ließen. Aber wir - wir sind die neuen Kings of London. Niemand stellt sich uns in den Weg, und niemand verweiger...