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SAWYER

Die Türen des Aufzuges fahren schweifend auf und offenbaren den dunklen Flur, der zu James Büro führt. Hier oben ist es still. Weder Musik noch die Geräusche des Hotels dringen durch die Wände, einstig die dumpfen Klänge meiner Schuhsohlen auf dem kalten Steinboden sind zu hören. Der Flur wird mit Wandlampen ausgestrahlt, die ein goldenes Licht abgeben und die verruchte Atmosphäre einen noch düsteren Charme verleihen. Ich fühle mich wohl hier oben, da es so still ist. Das Penthouse meines besten Freundes liegt gleich darüber - in dem ich übrigens auch lebe. Er hat mir einen Platz angeboten, als ich damals anfing für ihn zu arbeiten. Der Sicherheitschef des Gebäudes zu sein, ist ein anspruchsvoller Beruf, der mich vollkommen ausfüllt. Ich sehne mich nicht mehr wie früher nach den Boxkämpfen, mit denen ich mir auf blutige weise Geld zum Leben eintreiben musste. Ich hatte nichts, saß im Knast und James brachte mich mit viel Mühe auf die richtige Spur. Dafür bin ich ihm ein Leben lang dankbar. Er ist mein Bruder, ich würde alles für ihn geben.
Wenn ich das Hotel sicher machen kann, fühlt es sich an als würde ich damit beginnen es ihm ein Stück zurückzuzahlen. Aber das Hotel ist riesig und ein langer Rattenschwanz von Sicherheitslücken und -maßnahmen hängt daran. Es ist ein Haufen Arbeit, doch wir konnten Stück für Stück das System auf den neusten Stand bringen. Die Hintertüren und der Hof sind mit Laserschranken gesichert, unzählige Kameras und Personal steht unter meinen Fittichen. Nicht allein wegen den Kingsley, sondern auch, da uns viele Menschen etwas anhaben wollen, ist das Gebäude so gut gesichert. Meine Mitarbeiter nennen es das Weiße Haus von London, und dabei haben sie natürlich nicht unrecht. Ich fühle mich geschmeichelt, selbst wenn ich das vermutlich nicht vor ihnen zugeben würde.

Ohne zu klopfen, greife ich nach den Knauf der massiven Bürotür und öffne den rechten Flügel für die Brünette, die eben noch für uns an der Stange getanzt hat. Sie betritt es neugierig, kann dabei ihre Unsicherheit nicht verbergen. Sie ist nervös. Das nimmt ihr keiner übel.
Hinter dem Schreibtisch wartet bereits James und hat sein übliches Arschloch-Boss-Gesicht aufgesetzt. Er spielt gern seine autoritären Karten aus und genießt es, Macht über die Menschen zu besitzen. Still deutet er der jungen Frau vor ihm Platz zu nehmen, was sie auch schweigend tut und sich mit großen Augen umschaut, dabei spielt sie nervös mit ihren Fingern, was mir leicht auf die Eier geht. Kann sie die nicht für eine Sekunde stillhalten? Gott.
Mürrisch verschränke ich meine Arme vor der Brust und komme neben James' Bürostuhl zum Stehen. Wir beide Mustern die Brünette.
»Also...Jane.« Er hat kurz über ihren Namen nachdenken müssen.
»J-ja?«, die Stimme der jungen Frau ist fahrig, viel zu dünn für meinen Geschmack.
»Wie alt genau bist du?«
»Ein-Einundzwanzig.«
James stößt einen Laut aus und faltet seine Hände auf dem Eschenholz. »Jung«, bemerkt er und ich stimme ihm in meinem Kopf zu. Jünger als ihre Vorgängerin. »Und du willst für mich -uns- arbeiten?«, hakt er nach und die Augen der Frau gleiten unsicher zu mir. Versucht sie etwas in ihnen abzulesen? Da muss ich sie enttäuschen. Ich weiß meine Gefühle zu verstecken und mir nie etwas anmerken zu lassen. Es ist eine meiner Stärken. Sie kann so lange bohren, wie sie will. Ich werde ihr sicher nicht helfen. Merkwürdigerweise scheint sie anzunehmen, dass ich netter als James bin. Was veranlasst sie dazu?
Als sie nicht antwortet schnalzt James mit der Zunge. »Wenn du nicht mal in Sätzen antworten kannst, dann bist du hier falsch«, macht er ihr barsch klar und ihre Lippen werden dünner. Sie strafft ihre Schultern, überschlägt die Beine und lehnt sich im cognacfarbenen Sessel zurück. »Ja, der Job im Kingsley, würde mir sehr gut gefallen«, antwortet sie eine Spur zu verbissen. Kurz kräusle ich meine Lippen und beiße mir auf die Wange, um nichts zu sagen. Ihre kesse Art ist erstaunlich spannend anzuschauen. Ihre Iriden trüben, kleine Fältchen bilden sich zwischen ihren Brauen. Sie starrt James an, als hätte er ihr gerade einen Schulverweis erteilt.
Trotz allem ist sie ein graues Mäuschen.
Das war sie schon im Pink Safari als wir sie trafen. Aber die Weise wie sie ihre Hüften heute an der Stange gekreist hat, fuck, da muss ich zugeben, dass ich sie verdammt heiß fand. Und die kleine Stimme in meinem Hinterkopf sagt mir, dass James ähnlich gedacht haben muss, sonst hätte er sie schon längst aus dem Hotel eskortieren lassen nach ihrer Showeinlage. Das Gespräch mit Santino war nicht geplant, aber so hatte mein bester Freund Zeit über sie nachzudenken. Er würde diese Entscheidung nie ohne mich treffen, aber hat trotzdem das letzte Wort, auch wenn er sehr auf meine Meinung zählt.
»Und wieso sollten wir genau dich nehmen?«, stellt er die Fragen aller Fragen. Es ist dämlich und das weiß er, aber er mag es mit ihnen zu spielen.

Kings of London | 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt