SAWYER
Die Sonne brennt gnadenlos auf mich hinab. Ich hatte ja keine verfluchte Ahnung, dass es hier so heiß werden würde. Ich fühle die Sonne auf meiner tätowierten Haut, als ich den Betonboden des Hafens betrete und die Yacht verlasse. Mit einer Hand schiebe ich mir die Sonnenbrille auf die Nase, die andere strecke ich Jane entgegen, die hinter mir über den wackligen Steg vom Boot. Dankend ergreift sie meine Hand und steigt die Treppe hinunter. Sobald sie wieder neben mir steht, reicht sie mir kaum noch zur Schulter. James und sie steigen sofort in den Wagen, der für uns bereitsteht. Ich setze mich als Letztes zu ihnen. Der Fahrer bringt uns sofort zur Villa. Während des gesamten Heimweges, haben die beiden sich ununterbrochen unterhalten, ich habe lediglich zugehört. James ist ohnehin viel interessierter an ihrem Leben als ich. Das bisschen, was ich vor all den Jahren sah, reichte mir. Es kam mir nur allzu bekannt vor. An diese Dinge will ich mich nicht mehr erinnern. Zumindest nicht gerade hier und jetzt. Es zieht mich nur zurück in ein dunkles Loch, aus dem ich gerade so schaffte, zu entkommen.
In der Villa ist es recht kühl, was ich nur begrüßen kann. Als die Tür hinter mir zufällt, kehrt Ruhe in mein Zimmer ein. Ich nehme mir einen kurzen Moment,um durchzuatmen, bevor ich meine Tasche auf das Sofa schmeiße und die paar Schritte auf die gläserne Tür zugehe und sie einen Spalt aufschiebe. Der laue Wind weht mir entgegen. Ich stoße mich am Rahmen ab, mache auf meiner Sohle kehrt und steuere direkt aufs Badezimmer zu, welches mit einem kleinen Flur anschließt. Das ganze Geschaukel vom Boot hat mich ganz durcheinander gebracht. Ich fühle mich, als hätte ich Jahre kein Auge zubekommen. Eine Dusche ist da jetzt genau das richtige, um das restliche Salzwasser von meiner Haut zu waschen. Als die ersten Tropfen meine mit Tinte bedeckte Haut berühren, bildet sich ein Schauer auf meinen Armen. Doch deshalb drehe ich das Wasser trotzdem nicht wärmer. Je kälter es wird, desto stiller wird es in meinem Kopf. So still, dass ich für einen winzigen Moment die Augen schließen, die Stirn gegen die kalten Fliesen lehnen und durchatmen kann. Der Knoten in meiner Brust löst sich nur langsam. Quälend langsam und so unglaublich schmerzhaft, als würden Millionen Tonnen Beton auf mir wiegen und mich an den Grund des Mittelmeers ziehen. Ich weiß nicht, wieso genau diese Bilder oder Fetzen meiner Vergangenheit nun wieder in mir aufkeimen und ich wünschte, die Stimmen würden schweigen. Mehr als alles andere wünsche ich mir das.
Mein Kopf brummt, während ich vor dem beschlagenen Spiegel stehe und mit einem Handtuch das Wasser fortwische. Ich blicke meinem Spiegelbild nicht entgegen, sondern senke die Augen aufs Waschbecken und wuschle mir mit einem Handtuch die Haare trocken.Donner grollt leise durch den Himmel, als ich durch den kleinen Flur zurück ins Schlafzimmer laufe und das Handtuch um meinen Hüften gegen Kleidung eintausche. Durch die großen Fenster sehe ich die dunklen Wolken, die langsam über dem Meer zusammenziehen. Kein Wunder bei der Hitze der letzten Tage. Ausatmend straffe ich meine Schultern, lege den Kopf einen Wimpernschlag in den Nacken, um durchzuatmen. Aber helfen tut das nicht wirklich. Also laufe ich auf die Schiebetür gegenüber des Bettes zu und öffne sie einen Spalt, sodass ich hindurch schlüpfen kann. Meine Schachtel Zigaretten und das Feuerzeug hatte ich davor aus der Reisetasche genommen.
Der laue Wind pustet die Gräser auf, die ringsherum an der Terrasse entlang wachsen und sie einrahmen. Blätter rascheln, die energiegeladene Luft fegt über meinen Körper hinweg. Begleitet vom Donnern entfache ich mir meine Zigarette und nehme einen kräftigen Zug. Das ist genau das, was ich gebraucht habe, um das kochen in meinem Inneren verschwinden zu lassen. Nun ja, nicht völlig, aber immerhin etwas. Die letzten Tage waren schön, keine Frage, aber nicht mal dieser Urlaub hier kann mich davor bewahren mich zu lang in meinem Kopf aufzuhalten. Es ist ein Fluch, diese Gedanken und Erinnerungen zu haben. Wenn ich merke wie meine Finger zittern und ich unruhiger werde, weiß ich, dass es passiert. Ich hasse dieses Gefühl. Diese Erinnerungen. Diese Stimmen.
Fortwünschen kann ich sie nicht, obwohl ich es gern könnte.
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Kings of London | 18+
Romance|Teil 1&2| Köpfe sind gerollt. Die Duncans haben eine menge Unruhe in der Londoner Unterwelt gestiftet, als sie Sergio Karakov verhaften ließen. Aber wir - wir sind die neuen Kings of London. Niemand stellt sich uns in den Weg, und niemand verweiger...